Deutschland hat die Herausforderungen der Flüchtlingskrise angenommen. Doch unsere Kitas, Schulen und Berufsschulen sind weder quantitativ noch qualitativ ausreichend vorbereitet. Zeit für eine bildungspolitische Wende für sozialen Aufstieg und Integration, von der alle in Deutschland profitieren, findet SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil.
Dem Bildungswesen kommt bei der Bewältigung der Integrationsherausforderungen eine Schlüsselrolle zu. Jeder vierte Flüchtling ist unter 16 Jahre alt. Wenn die Prognose der Kultusministerkonfernez (KMK) stimmt, dann kommen mindestens rund 325.000 schulpflichtige Kinder und Jugendliche zu uns. Allerdings sind die Bildungseinrichtungen weder quantitativ noch qualitativ auf die Herausforderung vorbereitet. Kleinteilige Reparaturarbeiten am Bildungswesen oder die symbolische Umetikettierung bestehender Maßnahmen allein werden nicht ausreichen. Anstatt weiter von einer demografischen Rendite auszugehen, mit sinkenden Schülerzahlen zu rechnen und Geld aus dem Bildungssystem zu nehmen, fordert Heil die bildungspolitische Wende.
Bund, Länder und Kommunen müssten die bildungspolitische Wende als nationale Aufgabe anerkennen und eine gemeinsame Bildungsinitiative vereinbaren. Heil schlägt daher vor, eine nationale Bildungsallianz zu schließen, in dem die Ziele, die konkreten Maßnahmen und die Koordinierungsstrukturen festgehalten sind.
„11 Bausteine für eine Nationale Bildungsallianz
## Eine zentrale Maßnahme ist ein zweites Ganztagsausbauprogramm, das sich insbesondere an die Grundschulen richtet. Gerade in den ersten Schuljahren brauchen Integrationsangebote mehr Zeit und Raum, um soziale Selektion und Segregation gar nicht erst entstehen zu lassen. Ein mögliches Ziel wäre den Anteil der Grundschüler und -schülerinnen, die an Ganztagsangeboten teilnehmen, von derzeit 30 auf 50 Prozent zu heben.
## Überfällig ist der flächendeckende Ausbau der Schulsozialarbeit an allen Schulen, so dass sie alle Schüler und Schülerinnen, alle Eltern und alle Lehrkräfte erreichen kann. Gerade mit Hinblick auf die besonderen Integrationserfordernisse sind die psychologischen und sozialpädagogischen Hilfen und Leistungen einer systematischen und unterstützenden Schulsozialarbeit unverzichtbar.
## Der erfolgreiche Spracherwerb ist der Schlüssel. Deshalb ist es gut, dass die Integrationskurse für Asylbewerber mit Bleibeperspektive geöffnet wurden. Hochschulen sollten beim Ausbau von Sprachförderangeboten ebenfalls unterstützt werden, weil Studienkollegs quantitativ nicht ausreichend sind. (…)
## Die Potenziale der Berufsschulen für die Integration durch Bildung und im Vorfeld einer Beruflichen Ausbildung sind stärker in den Blick zunehmen. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht mehr schulpflichtige sind, bieten sie eine wichtige Brücke, um Spracherwerb und erste praktische Erfahrungen im schulischen Umfeld und in den Ausbildungswerkstätten mit externen Betriebspraktika wie z.B. der Einstiegsqualifizierung der BA zu verbinden. So kann schrittweise der Übergang in eine reguläre Duale Berufsausbildung besser gelingen. Die Berufsschulen sind für diese Brückenfunktion besser auszustatten.
## Die Nachqualifizierung junger Erwachsener ist entscheidend für ihre Integration. Die beschlossene Ausweitung der Sprachkurse und der Berufsnachqualifizierung durch das BMAS ist ein richtiger erster Schritt. Wer aber Qualität sichern will, muss gerade bei der Ausweitung der Integrationskurse eine angemessene Vergütung sicherstellen. Auch muss das Angebot an „Integrationskurse für junge Erwachsene“ ausgebaut werden, um deren Integration in die duale Ausbildung zu stärken.
## Eine erfolgreiche Bildungsintegration muss sich auch lohnen. Menschen, die bei uns erfolgreich eine Berufsausbildung oder die Hochschule absolviert haben, müssen ohne Wenn und Aber ein Dauerbleiberecht erhalten. Duldungen sollten zudem in eine Aufenthaltserlaubnis für die gesamte Ausbildungsdauer umgewandelt werden, um überflüssige Bürokratie abzubauen.
## Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse (Berufsanerkennungsgesetz) muss auf die neuen Anforderungen hin neu ausgerichtet werden. (…)
## Die Alphabetisierungs-Initiative von Bund und Ländern und die Alpha-Dekade, die für die bereits in Deutschland lebenden rund 7,5 Mio. funktionale Analphabeten in den nächsten 10 Jahren rund 180 Mio. Euro zur Verfügung stellt, muss angesichts der neuen Herausforderungen neu dimensioniert werden. Eine Konkurrenz der Zielgruppen darf es nicht geben.
## Wir müssen die mitgebrachten Qualifikationen und Kompetenzen der Flüchtlinge so früh wie möglich erfassen, am besten bei der Registrierung oder der Erstaufnahme, spätestens beim der Antragstellung auf Asyl. (…) „
Quelle: Hubertus Heil, MdB (SPD)