Auszüge aus dem Konzept „Arbeiten und an der Gesellschaft teilhaben“ der BAG FW:
“ Warum benötigen wir einen Sozialen Arbeitsmarkt?
Trotz einer vergleichsweise guten Situation auf dem Arbeitsmarkt gibt es in Deutschland ein massives Problem verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit. Hunderttausende Menschen sind seit vielen Jahren von staatlichen Fürsorgeleistungen abhängig. Sie haben kaum eine realistische Chance, einen Arbeitsplatz zu erhalten und ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu verdienen. Es gibt rund 1 Mio. Menschen, die vier und mehr Vermittlungsrisiken (…) aufweisen. Am Arbeitsmarkt sind sie ohne Förderung und Unterstützung chancenlos.
Viele dieser Menschen können durch Qualifizierungen oder Sprachförderung an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Für weitere Personen können mit der passenden Kinderbetreuung entscheidende Vermittlungshemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Aber für eine spezifische Gruppe von arbeitsmarktfernen Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen reicht das alleine nicht aus. Es gibt … Personen (…), die auf die besonderen Angebote eines Sozialen Arbeitsmarktes angewiesen sind, mit denen sie trotz aller Schwierigkeiten einen Zugang zur Erwerbsarbeit erhalten. Für diese Menschen werben wir für einen Sozialen Arbeitsmarkt.
Was ist ein Sozialer Arbeitsmarkt?
Grundlegende Idee des Sozialen Arbeitsmarktes ist es, Einfacharbeitsplätze für arbeitsmarktferne Personen bei unterschiedlichen Arbeitgebern zu erschließen. Arbeitgeber erhalten einen Lohnkostenzuschuss als längerfristigen finanziellen Ausgleich für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit dieser Personen. Die Beschäftigungen werden mit individueller Begleitung (etwa sozialpädagogischer Begleitung, Qualifizierung) unterstützt. Arbeit im Sozialen Arbeitsmarkt beruht auf der Normalität der Erwerbsarbeit in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Langzeitarbeitslosen soll es nach unserer Überzeugung freistehen, das Teilhabeangebot des Sozialen Arbeitsmarktes für sich zu nutzen oder nicht (Freiwilligkeit).
Der Soziale Arbeitsmarkt schafft neue Lebensperspektiven. Langzeitarbeitslose Menschen, die bislang gesellschaftlich ausgegrenzt waren, erhalten über den Schlüssel „Erwerbsintegration“ Möglichkeiten der sozialen Teilhabe. Sie machen die Erfahrung, dass sie durch ihre Leistung Geld verdienen können und dass sie gebraucht werden. …
Wie soll die Umsetzung gelingen?
Der Soziale Arbeitsmarkt wird durch neue Förderbedingungen im SGB II und Regelungen im Bundeshaushalt ermöglicht.
Jobcenter bezuschussen Lohnkosten für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum Ausgleich von Leistungseinschränkungen arbeitsmarktferner Personen (Nachteilsausgleich). Die Höhe wird je nach Person individuell bestimmt und kann im Einzelfall auch die vollen Lohnkosten umfassen. Weil damit meist nicht kurzfristige Leistungseinbußen, sondern dauerhafte Leistungseinschränkungen kompensiert werden müssen, besteht die Möglichkeit, die Beschäftigung prinzipiell unbefristet zu fördern. …
## Arbeitsbedingungen anpassen
Idealerweise wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sozialen Arbeitsmarkt eine flexible Wochenarbeitszeit zwischen 15–35 Stunden ermöglicht. So werden auch Langzeitarbeitslose, die nur eine Teilzeitstelle ausfüllen können, in das Arbeitsleben integriert. Langzeitarbeitslose, die seit vielen Jahren dem Arbeitsmarkt entwöhnt sind, können häufig nicht ohne weitere unterstützende Angebote in Beschäftigung gebracht werden. Deshalb sind beispielsweise sozialpädagogische Betreuung, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, zur Qualifizierung oder zur Sprachförderung erforderlich.
In einem Sozialen Arbeitsmarkt sollen sich alle Arbeitgeber (der privatgewerblichen Wirtschaft, der öffentlichen Hand oder gemeinnützigen Träger) engagieren. Hier findet Inklusion direkt im Arbeitsleben statt. …
## Zielgruppe genau definieren
Gefördert werden sollen nur Menschen, die trotz vermittlerischer Unterstützung ohne eine solche Förderung nicht in Arbeit zu integrieren wären. Wir schlagen deshalb folgende gesetzlich festzulegende Zielgruppendefinition für den Sozialen Arbeitsmarkt vor: Zu fördern sind nur Personen, die mindestens zwei Jahre lang arbeitslos waren und mindestens zwei weitere persönliche Vermittlungshemmnisse aufweisen. …
## Finanzierung sichern
Ziel des Sozialen Arbeitsmarktes ist es, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Eine maßgebliche Finanzierungsgrundlage für den Sozialen Arbeitsmarkt ist der sog. Passiv-Aktiv-Transfer. Dabei werden Finanzmittel, die derzeit in der Grundsicherung ohnehin für den Lebensunterhalt von Langzeitarbeitslosen bereitgestellt werden, eingesetzt, um Beschäftigung zu finanzieren. Der Passiv-Aktiv-Transfer macht es erforderlich, neue Finanzierungsregelungen im Bundeshaushalt zu etablieren.
## Die Förderung am Leitbild eines inklusiven Arbeitsmarktes orientieren und Umsetzung im lokalen Konsens absichern
Nach unserem Verständnis muss die Förderung der am stärksten benachteiligten und ausgegrenzten Personen auf einem inklusiven, d.h. inmitten des so genannten allgemeinen Arbeitsmarktes erfolgen, nicht auf einem „zweiten“ oder gar „dritten“ Arbeitsmarkt. Arbeitsmarktferne Personen erhalten Zugang zu unterschiedlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bei allen Arbeitgebern. Die Förderung unterliegt nicht den Kriterien der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses und der Wettbewerbsneutralität. Überall dort, wo Wirtschaftsunternehmen soziale Verantwortung übernehmen und bereit sind, arbeitsmarktferne Personen in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren, sollte diese Chance ergriffen werden. Ebenfalls genutzt werden sollte das große Spektrum und Potenzial gemeinnütziger Organisationen und der Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen. …
Ja. Der Passiv-Aktiv-Transfer ermöglicht einen starken Selbstfinanzierungseffekt, d.h. die Kosten eines Sozialen Arbeitsmarktes sind zu einem erheblichen Anteil durch eine Umwidmung ohnehin verausgabter Mittel – z. B. für den Lebensunterhalt – gedeckt. Trotzdem wird ein Sozialer Arbeitsmarkt zusätzliche Steuermittel benötigen, um sozialpädagogische Begleitung und Qualifizierungsmaßnahmen zu finanzieren. Durch die positiven gesellschaftlichen Effekte ist dies jedoch eindeutig gerechtfertigt. …
Was ist zu tun?
Die Entscheidung für die Einführung eines Sozialen Arbeitsmarktes muss politisch auf der Bundesebene fallen. Dafür ist die Zeit gekommen. Nach langjährigen Erfahrungen mit Programmen öffentlich geförderter Beschäftigung liegen genügend Erkenntnisse vor, um verantwortliche Entscheidungen für eine Regelförderung im SGB II und eine finanzielle Absicherung im Bundeshaushalt zu treffen. … Nach jahrelanger Experimentierphase und immer wieder neuen Förderinstrumenten sind wir es den betroffenen langzeitarbeitslosen Menschen schuldig, ihnen endlich eine verlässliche Chance auf Beschäftigung zu geben. “
Quelle: BAG FW
Dokumente: 130307_Arbeitsfoerderung_bagfw_f2_web_m.pdf