Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit weniger als 30% im dualen System

Auszüge aus der DGB-Expertise zu den Chancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt:
„Das System der dualen Berufsausbildung schrumpft: Mit 522.232 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurde im Jahr 2014 der niedrigste Stand seit der Deutschen Einheit erreicht. Die Quote der Ausbildungsbetriebe liegt mit 20,7 Prozent auf dem tiefsten Wert seit 1999. Lediglich „etwas mehr als ein Drittel“ der Ausbildungsbetriebe bildet Jugendliche mit Hauptschulabschluss aus. Das sind nur rund sieben Prozent der Betriebe in Deutschland. Mehr noch: Der Abbau der zahllosen Maßnahmen im Übergang von der Schule in die Ausbildung ist seit 2011 ins Stocken geraten. Im Jahr 2014 ist die Zahl der jungen Menschen im Übergangsbereich sogar erstmals wieder leicht um 0,3 Prozent auf 256.100 gestiegen – und das trotz robuster Konjunktur und günstiger Demographie. (…)

Aktuelle Zahlen belegen, dass die duale Berufsausbildung auch für hoch qualifizierte Jugendliche attraktiv ist. Das duale System leidet nicht unter einem Mangel an jungen Menschen mit höheren Schulabschlüssen. Der Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge muss also auf Jugendliche mit niedrigerem Schulabschluss zurückzuführen sein. Insbesondere Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss hatten in den vergangenen Jahren Probleme einen Ausbildungsplatz zu finden. (…)

Der mittlere Schulabschluss bzw. die Studienberechtigung wird mehr und mehr zur Leitwährung auf dem Ausbildungsmarkt. Dieser Trend hat sich seit 2009 – trotz sinkender Bewerberzahlen – verschärft. Mittlerweile verfügen 67,3 Prozent der Jugendlichen im dualen System über einen solchen gehobenen Schulabschluss (63,3 Prozent im Jahr 2009). (…) Derweil ist der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss im Jahr 2013 mit 29,5 Prozent erstmals unter die 30-Prozent-Marke gerutscht (2009: 33,1 %). Praktisch chancenlos sind Jugendliche ohne Schulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt. Sie machen nur 2,9 Prozent der Auszubildenden im dualen System aus.

Auswahlverhalten der Betriebe
Trotz sinkender Bewerberzahlen und zunehmender Besetzungsprobleme grenzen viele Unternehmen Jugendliche mit maximal einem Hauptschulabschluss weitgehend von der betrieblichen Ausbildung aus. Dies zeigt ein Blick auf die IHK-Lehrstellenbörse. 61,6 Prozent der Ausbildungsplätze bleiben Jugendlichen mit Hauptschulabschluss von vornherein verschlossen. Bei Jugendlichen ohne Schulabschluss sind es gar 96,3 Prozent.

Besonders auffällig ist, dass die Hotel- und Gastronomiebranche, die seit Jahren über unbesetzte Ausbildungsplätze klagt, Jugendliche mit Hauptschulabschluss oft bei der Auswahl der Auszubildenden ausgrenzt. So bleiben 60,5 Prozent der Angebote bei den Hotelfachkräften sowie 40,7 Prozent bei den Restaurantfachkräften den jungen Menschen mit Hauptschulabschluss von vorneherein verschlossen. Auch im gewerblich-technischen Bereich haben diese Jugendlichen schlechte Chancen. So sind 85,4 Prozent der Ausbildungsplatzangebote bei den Mechatronikern, 47,1 Prozent bei den Zerspanungsmechanikern und immerhin noch 22,7 Prozent bei den Anagenmechanikern für Hauptschulabsolvent(inn)en nicht offen. Bei den Bank- und Büroberufen tendieren die Chancen der Hauptschulabsolvent(inn)en gen Null. So liegt die Ausschlussquote im Bereich Büromanagement (91,2 %), Groß- und Außenhandel (93,2 %) sowie bei den Industriekaufleuten (92,8 %) jeweils deutlich über der 90-Prozent-Marke.

Erfahrungen der Betriebe mit Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
Grundsätzlich sind Unternehmen, die Jugendliche mit Hauptschulabschluss ausbilden, zufrieden. Dies ergab eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung auf Basis des BIBB-Qualifizierungspanels. Es kann also nicht pauschal an einer vermeintlichen „mangelnden Ausbildungsreife“ liegen, wenn Betriebe junge Hauptschulabsolvent(inn)en nicht einmal in ihrem Auswahlverfahren zur Besetzung von Ausbildungsplätzen zulassen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass diese Unternehmen im Schnitt mehr Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen. (…)

Für junge Menschen mit Hauptschulabschluss ist zudem kritisch, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen aus der Ausbildung aussteigen, integrieren diese Unternehmen doch besonders häufig Jugendliche aus dieser Zielgruppe in betriebliche Ausbildung. Wer das duale System der Berufsbildung stärken will, muss wieder Jugendliche mit maximal einem Hauptschulabschluss in den Blick nehmen.

Hierfür sind folgende Maßnahmen notwendig: ## Betriebe müssen ihr Einstellungsverhalten ändern: Die Betriebe dürfen bei der Auswahl der Auszubildenden keine „Bestenauslese“ mehr betreiben. Die „faktische Abschottung“ vieler Ausbildungsberufe für Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen muss beendet werden.
## Jugendliche mit Förderbedarf und Betriebe, die diese ausbilden, brauchen Unterstützung. Die ausbildungsbegleitenden Hilfen und die Assistierte Ausbildung müssen zu einem neuen integrativen Förder- und Entwicklungsinstrument weiterentwickelt und massiv ausgebaut werden. Hier gibt es in der Allianz für Aus- und
Weiterbildung entscheidende Weichenstellungen. So haben sich die Allianz-Partner drauf verständigt, dass der Personenkreis für ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) ausgedehnt wird. Künftig können alle Jugendlichen abH erhalten, die diese zur Aufnahme und zum erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung benötigen. Damit wird
die Ausbildung leistungsschwächerer Jugendlicher deutlich erleichtert. (…)
## Das Instrument der Assistierten Ausbildung muss in den kommenden Jahren verstetigt bzw. massiv ausgebaut werden. Die Assistierte Ausbildung unterstützt sowohl insbesondere leistungsschwächere Jugendliche bis zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss, als auch Betriebe, die diese jungen Menschen ausbilden. Damit setzt sie an der Achillesferse des Ausbildungsmarkts an.“

Quelle: DGB Bundesvorstand

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