Im Osten finden immer mehr Jugendliche eine Lehrstelle vor Ort

Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht „Demografische Veränderungen in Ostdeutschland: Jugendliche finden immer öfter eine Lehrstelle vor Ort“ von Holger Seiber und Mirko Wesling:

„Mit dem Zusammenbruch der DDR und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam es in den neuen Bundesländern zu einem massiven Einbruch der Geburtenzahlen. In der DDR wurden vor der Wende pro Jahr noch mehr als 200.000 Geburten gezählt. Danach hat sich diese Zahl zunächst mehr als halbiert: Im Jahr 1994 fiel sie unter 100.000. … Nun treten die kleineren Geburtskohorten seit einigen Jahren vom Schul- in das Ausbildungssystem über. Dadurch kommt es an dieser Schwelle zu weniger Konkurrenz um die vorhandenen Lehrstellen als zuvor. Bis dahin war die Lehrstellensituation in Ostdeutschland über mehr als zehn Jahre hinweg äußerst angespannt. Bisweilen war die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Lehrstellenbewerber mehr als doppelt so hoch wie die der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. …

Trotz der öffentlich finanzierten Förderung mussten die ostdeutschen Jugendlichen ein großes Maß an Mobilitätsbereitschaft aufbringen, wollten sie bei der Lehrstellensuche erfolgreich sein. …

Immer weniger ostdeutsche Azubis in Westdeutschland
Um der vormals angespannten Situation in Ostdeutschland zu begegnen, haben sich in der Vergangenheit zahlreiche Jugendliche in Richtung Westen orientiert. … Bis in die Mitte der 2000er Jahre hinein gab es
in Ostdeutschland einen sehr hohen Anteil von Auspendlern nach Westdeutschland. … Im Jahr 2001 gingen von den ca. 427.000 Auszubildenden mit ostdeutschem Wohnort ca. 389.000 Jugendliche auch ihrer Ausbildung in den neuen Ländern nach. Mehr als 38.000 ostdeutsche Auszubildende pendelten damals nach Westdeutschland. Dies entspricht einer Auspendlerquote von 9,0 Prozent. Im Jahr 2007 betrug die Zahl der nach Westdeutschland pendelnden Auszubildenden noch gut 26.000 (7,0 %). Danach setzte der demografische Effekt ein und die Mobilität nach Westdeutschland ging deutlich zurück. Zuletzt waren es noch gut 11.000 Auszubildende mit ostdeutschem Wohnort (4,2 %), die in den Westen pendelten. …

Fazit
Der Ausbildungsstellenmarkt in den neuen Bundesländern befindet sich im Umbruch. Schwach besetzte Jahrgänge verlassen aktuell die Schulen. Dadurch ist die Zahl der potenziellen Lehrstellenbewerber deutlich kleiner als in der Vergangenheit. Das steigende Interesse an der Hochschulbildung mindert diese Zahl noch weiter. Im Jahr 2010 übertraf die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Ostdeutschland erstmals jene der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Lehrstellenbewerber. Nachdem die Ausbildungsnachfrage im Osten jahrelang deutlich höher lag als das Angebot, klagen heute viele ostdeutsche Ausbildungsbetriebe bereits über einen Bewerbermangel.

Dieser Umbruch spiegelt sich auch im Mobilitätsverhalten der ostdeutschen Auszubildenden wider: Bis vor wenigen Jahren pendelte ein nicht unerheblicher Teil der Lehrlinge aus den neuen Ländern nach Westdeutschland aus. Mit dem Einsetzen der demografischen Veränderungen ab 2007 haben sich diese Ströme erkennbar verringert.
Doch nicht nur das Pendeln über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze hinweg, sondern das Mobilitätsverhalten insgesamt hat sich durch die Entspannung auf dem ostdeutschen Lehrstellenmarkt gewandelt. Im Zeitvergleich pendeln 2011 nicht nur weniger Auszubildende aus ihren Arbeitsmarktregionen aus, sie legen im Mittel auch kürzere Wege zu ihrer Ausbildungsstelle zurück als noch 2005.

Unberührt vom Rückgang der Pendelmobilität in Ostdeutschland bleiben aber die strukturell bedingten Unterschiede zwischen den regionalen Arbeitsmärkten weiterhin bestehen. So ist etwa die Region Berlin auch 2011 noch Ziel vieler Auszubildender aus dem dortigen Umland. Vergleichbares gilt für den Ausbildungsmarkt der Region Erfurt, der ebenfalls nach wie vor Lehrlinge aus benachbarten Regionen mitversorgt. Die bessere Versorgung mit wohnortnäheren Ausbildungsstellen zeigt sich nichtsdestotrotz auch in den Regionen mit Auspendlerüberschüssen. So gehen in den Nachbar-Arbeitsmärkten von Berlin und Erfurt sowohl die Zahl der Auspendler als auch die zurückgelegten Entfernungen zurück.

Diese für die ostdeutschen Lehrstellenbewerber positiven Nachrichten dürften bei den Ausbildungsbetrieben – in Ost wie West – weniger Begeisterung auslösen. Sie sehen sich mit einem zunehmenden Wettbewerb um Auszubildende konfrontiert und müssen daher die Strategien zur Rekrutierung ihrer künftigen Fachkräfte ausweiten. Die Ausbildungsbetriebe sollten sich zum einen verstärkt den leistungsschwächeren Schulabgängern zuwenden. Dafür sind umfassende zusätzliche Anstrengungen nötig, um diese Jugendlichen vor und während der Ausbildung zielbringend zu unterstützen. Ein solcher Einsatz wäre aber sicher gewinnbringend, sorgte er doch dafür, dass weniger junge Erwachsene ohne berufliche Ausbildung zurückblieben und es mehr zweite Chancen für Benachteiligte gäbe. … Betriebe … könnten den Pool möglicher Bewerber erhöhen, indem sie neben der reinen Ausbildungsvergütung zusätzliche Anreize bieten, die den jungen Menschen ein Pendeln erleichtern. Denkbar wären eine Unterstützung der Jugendlichen bei der Wohnungssuche sowie eine Beteiligung an den Miet- und Fahrtkosten durch die Ausbildungsbetriebe.“

Den vollständigen Bericht des IAB entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k120917301

Quelle: IAB

Dokumente: kb_iab_Ausbildung_finden.pdf

Ähnliche Artikel

Skip to content