Jugendarbeitslosigkeit in Europa

In der EU haben über 5,5 Millionen junge Menschen Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Situation erfordert Klarheit über die maßgeblichen institutionellen und ökonomischen Ursachen. Die Robert Bosch Stiftung legt nun eine Studie zur Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa vor. Aufbauend auf den Analysen der Autoren entwickeln diese allgemeine Lösungsansätze, wie eine bessere Arbeitsmarktintegration von jungen Arbeitslosen erreicht werden kann. Die Studie deckt die Perspektive der EU-Mitgliedsstaaten insgesamt ab, legt aber einen Schwerpunkt auf die südeuropäischen Länder.

Auszüge aus der Studie „Youth Unemployment in Europe – Appraisal and Policy Options“ des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag der Robert Bosch Stiftung:

Arbeitslosenquote unter Jugendlichen seit Jahren markant höher als unter Erwachsenen

„(…) Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise nahm die Jugendarbeitslosigkeit in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Deutschland drastisch zu und erreichte in den südeuropäischen Ländern alarmierend hohe Quoten. Dennoch ist die Jugendarbeitslosigkeit kein junges Phänomen, das sich allein auf den letzten starken Wirtschaftseinbruch zurückführen lässt. Die meisten europäischen Länder haben seit vielen Jahren Schwierigkeiten, Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen ist in der Regel markant höher als unter Erwachsenen.

Besonders alarmierend ist die hohe Zahl an jungen Menschen, die abgehängt sind, da sie weder zur Schule gehen noch eine Arbeits- oder Lehrstelle haben. In Italien liegt der Anteil dieser Jugendlichen seit 2000 zwischen 15 und 20 %, Spanien und Griechenland haben dieses Niveau in den letzten Jahren ebenfalls erreicht. Alarmierend ist auch, dass sich in einigen Ländern ein beträchtlicher Anteil der beschäftigten Jugendlichen lediglich in Zeitarbeitsverhältnissen befindet, die nicht mit einer Berufsausbildung verbunden sind und nur selten in einer Festanstellung münden. Das Risiko konjunkturbedingter Schwankungen am Arbeitsmarkt tragen hierdurch zu einem wesentlichen Anteil diejenigen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. (…)

EU-Politik zur Förderung der Jugendbeschäftigung

(…) Kernziele der „Europa 2020“-Strategie sind der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und die Senkung des Anteils an Schulabbrechern. Zu diesem Zweck wird der Schwerpunkt auf die Verbesserung der Bildungssysteme und die Förderung der Mobilität von Jugendlichen innerhalb der EU gelegt. (…)

Als Antwort auf die jüngste Krise hat die EU eine Jugendgarantie ins Leben gerufen, die alle Mitgliedstaaten dazu auffordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit jeder Jugendliche innerhalb von vier Monaten nach Abschluss der Schule oder Beginn einer Arbeitslosigkeit einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz angeboten bekommt. Die Jugendgarantie ist jedoch ein anspruchsvoller und potenziell kostspieliger Ansatz: Falsche oder mangelhaft konzipierte aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einzusetzen, kann für die Arbeitsmarktintegration der Jugendlichen auf Dauer schlechter sein, als nichts zu tun. Länder mit begrenztem finanziellen Spielraum, weniger gut entwickelten Arbeitsverwaltungen und geringer Erfahrung in der Gestaltung effizienter aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen sollten sich eher auf zielgerichtete Instrumente konzentrieren, die speziell auf die bedürftigsten Gruppen ausgerichtet sind.

Strukturelle Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit

(…) Eine erste wichtige Ursache für Jugendarbeitslosigkeit sind Defizite im Bildungs- und Ausbildungssystem. Das Risiko der Arbeitslosigkeit bleibt auch in der aktuellen Lage für Jugendliche mit höherer Bildung geringer. Schulabbrecher1 und gering qualifizierte Jugendliche tragen dagegen ein besonders hohes Risiko der Arbeitslosigkeit. Für die nachhaltige Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist es deshalb fundamental, dafür zu sorgen, dass das Bildungssystem Jugendlichen vor dem Berufseinstieg ein Mindestmaß an Qualifikation und Kompetenzen vermittelt. Darüber hinaus muss jedoch sichergestellt werden, dass die vermittelten Kompetenzen auch der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entsprechen, um qualifikatorische Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt zu vermeiden. (…)

Auch ineffektive aktive arbeitsmarktpolitische Instrumente können zur Jugendarbeitslosigkeit beitragen. Die empirische Evidenz spricht dafür, dass intensive Betreuung und Vermittlung eine besonders effektive Form der Unterstützung von Jugendlichen ist. Trainingsmaßnahmen werden zwar häufig eingesetzt, verbessern aber nur bei guter Qualität – und insbesondere in Kombination mit betrieblichen Praxisphasen – die Beschäftigungsraten der geförderten Jugendlichen nachhaltig. Die ebenfalls häufig eingesetzten Lohnsubventionen sind nach den vorhandenen Erfahrungen vielfach nicht über die Dauer der Förderung hinaus wirksam. (…)

Ein allgemeiner Handlungsplan für Europa

Strategien zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit müssen auf nationaler Ebene ausgearbeitet und umgesetzt werden. Es lassen sich jedoch wesentliche Elemente festhalten, die für alle europäischen Länder relevant sind, wenn sie das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in den Griff bekommen möchten.

Erstens leiden junge Erwachsene ganz besonders unter dem derzeitigen Versagen ihrer Länder, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Aus diesem Grund sind Strukturreformen unerlässlich, um die globale Wettbewerbsfähigkeit und die Dynamik der Entstehung zusätzlicher Jobs zu steigern. In den Ländern, in denen Berufseinsteiger nicht automatisch von mehr offenen Stellen in der Wirtschaft profitieren, müssen zusätzlich Strukturreformen angegangen werden, um die Kluft am Arbeitsmarkt zwischen Jüngeren und Älteren zu überwinden.

Zweitens sind die Schwierigkeiten, die sowohl ungelernte als auch qualifizierte Jugendliche bei der Arbeitsmarktintegration haben, ein Ausdruck von qualifikatorischem Mismatch: Für einen Teil des angebotenen Humankapitals innerhalb der jungen Generation haben die Arbeitgeber keinen Bedarf. Die Bekämpfung solcher Ungleichgewichte erfordert eine Modernisierung der Bildungs- und Ausbildungssysteme. Ein wesentliches Element hierbei ist, die Unternehmen stärker an Bildungs- und Qualifizierungsprozessen zu beteiligen.

Drittens können einzelne aktive arbeitsmarktpolitische Instrumente zwar wirksam dazu beitragen, junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die empirische Evidenz zur Wirksamkeit der vorhandenen Instrumente ist jedoch nicht ausreichend, um eine generelle Jugendgarantie zu rechtfertigen. Stattdessen sollte aktive Arbeitsmarktpolitik selektiv eingesetzt werden. Individualisierung und die Konzentration auf qualitativ hochwertige Instrumente, die innerhalb lokaler Strukturen umgesetzt werden, sind entscheidende Erfolgsfaktoren, die allzu leicht verloren gehen können, wenn aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu schnell und zu umfassend ausgedehnt werden.

Viertens entfalten auf die Veränderung von Strukturen zielende wirtschafts-, arbeitsmarkt- und bildungspolitische Strategien zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit ihre Wirkung nur langsam, so dass als Ergänzung kurzfristige Entlastungsmaßnahmen erforderlich sind. Dabei wäre die Verbesserung der räumlichen Mobilität von Arbeitskräften ein besonders effektiver Ansatz. Da die Wanderungen innerhalb der EU trotz des gemeinsamen europäischen Arbeitsmarktes weiterhin auf geringem Niveau verharren, erfordert diese Möglichkeit jedoch zusätzliche Anstrengungen auf allen Ebenen.

Fünftens setzen erfolgreiche Strategien zur Jugendbeschäftigung die Beteiligung aller relevanten Stakeholder voraus – einschließlich der jungen Menschen selbst. Teil der Herausforderung ist die Strukturierung und Koordination der Aktivitäten von Arbeitgebern, Tarifpartnern, Fallmanagern, Bildungseinrichtungen usw. Regierungen müssen bei der Koordinierung und Finanzierung von partnerschaftlichen Handlungsmodellen die Führungsrolle übernehmen. Dennoch müssen sich auch die Stakeholder aktiv einbringen, damit ihre Interessen und Erfahrungen bei der Ausgestaltung einer umfassenden Agenda zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Dieser Prozess könnte durch Nichtregierungsorganisationen unterstützt werden, die als Vermittler und Moderatoren agieren. (…)“

Quelle: Robert Bosch Stiftung

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