Kinder und Jugendliche, die an den Folgen der Coronapandemie leiden, sollen nach dem Willen der Bundesregierung besser unterstützt werden. Das erklärten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Zuvor hatte die Bundesregierung den Abschlussbericht einer Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) zu den gesundheitlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona vorgelegt. Insgesamt hat die IMA fünf Handlungsfelder identifiziert und dafür jeweils Empfehlungen erarbeitet. Ein zentrales Ergebnis des Berichts: Die Folgen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche halten bis heute an. Derzeit sind immer noch 73 % psychisch belastet. Konkrete Hilfen sollen nach Angaben von Paus unter anderem sogenannte Mental Health Coaches bieten, die ab dem Schuljahr 2023/24 an Schulen eingesetzt werden sollen. Paus forderte weiter die gesamte Gesellschaft auf, Belastungen für junge Menschen abzumildern. Zu den psychischen Belastungen der Coronapandemie kämen aktuelle Belastungen durch Krieg, Inflation und Klimakrise. Dies treffe vor allem Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien besonders hart.
Psychosozialen Folgen der Pandemie für junge Menschen
Die Interministerielle Arbeitsgruppe hatte im vergangenen November gemeinsam mit Vertreter*innen der Länder sowie mit Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft über Maßnahmen zur Unterstützung eines gesunden Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen beraten. Im Mittelpunkt standen dabei die psychosozialen Folgen der Pandemie mit besonderem Fokus auf benachteiligte junge Menschen.
Bund will bessere medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen
Im Gesundheitswesen will sich der Bund laut Bundesgesundheitsminister für Verbesserungen einsetzen. Engpässe bei Kinderarzneimitteln sollen beseitigt werden. Auf eine therapeutische Versorgung sollen Kinder und Jugendliche weniger warten müssen. Auf den Weg gebracht hat das Gesundheitsministerium für die Jahre 2023 und 2024 eine Erlösgarantie für die pädiatrische Versorgung in Krankenhäusern und zusätzliche finanzielle Mittel für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Höhe von jeweils 300 Millionen Euro.
Darauf, dass Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien häufiger von schweren COVID-19-Krankheitsverläufen betroffen waren, gingen Paus und Lauterbach nicht ein. Das Institut für Medizinische Soziologie der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg Versichertendaten aus der Zeit von Januar 2020 bis Mitte Juli 2021 ausgewertet. Ziel war es, herauszufinden, ob junge Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten ein höheres Risiko haben, mit einer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus zu kommen. Das Ergebnis: Kinder von Langzeitarbeitslosen weisen ein 1,36-mal höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (Klinikeinweisung) auf im Verhältnis zu Kindern von arbeitnehmenden Versicherten. Die AOK stellte außerdem fest, dass Kinder von kurzzeitarbeitslosen oder geringverdienenden Eltern ebenfalls ein höheres Risiko trugen, an COVID-19 zu erkranken. Diejenigen, die in ärmeren oder beengten Wohnvierteln leben, hatten demnach ein dreimal höheres Risiko als Kinder und Jugendliche, die in besser gestellten Wohnvierteln zu Hause sind.
Lauterbach räumte erneut ein, dass die langen Schulschließungen ein Fehler gewesen seien. Er appellierte an Eltern, für ihre Kinder die routinemäßigen Untersuchungen (sogenannte U- und J-Untersuchungen) bei Kinderärzten wahrzunehmen. So könnten Auffälligkeiten frühzeitig behandelt werden. Doch lässt er außer Acht, dass die Vorsorgeuntersuchungen für Jugendliche nicht von allen Krankenkassen übernommen werden und von Armut betroffenen Familien die Mittel für Selbstzahlerleistung fehlen.
Mental Health Coaches an Schulen noch in der Planungsphase
Das Modellvorhaben zum Einsatz von sogenannten Mental Health Coaches im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ (in der Nachfolge des Corona-Aufholpaketes für Kinder und Jugendliche) befindet sich noch in der Phase der Konzeptionierung. Die Jugendsozialarbeit bringt sich aktiv in die Planungen zu den Mental Health Coaches ein. Die Coaches sollen Kindern und Jugendlichen bei Sorgen und Problemen zur Seite stehen und sich in Gruppenangeboten präventiv um die Stärkung der Resilienz und weiterer Gesundheitsaspekte kümmern. Bei den Mental Health Coaches soll es sich um Fachkräfte (Sozialpädagog*innen oder vergleichbare pädagogische oder psychologische Ausbildung) handeln, die entsprechend fortgebildet werden. Laut Paus stellt ihr Ministerium dafür zehn Millionen Euro zur Verfügung, zunächst sollen damit 100 Schulen erreicht werden.
Psychosoziale Beratung beim Jugendamt
Zugleich sollten Kinder, Jugendliche und Familien mit dem Jugendstärkungsgesetz weitergehende Rechte auf Beratung und Unterstützung erhalten, so Paus und Lauterbach. Kinder können demnach beim Jugendamt psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen, ohne dass ihre Eltern darüber informiert werden. Psychisch kranke Eltern erhielten niedrigschwellig Hilfe von den Erziehungsberatungsstellen.
Quelle: BMFSFJ; BMG; Pressedienst des Deutschen Bundestages; KNA; AOK Rheinland/Hamburg