Unter dem Titel „Teilhabe: ein zentraler Begriff für die Kinder- und Jugendhilfe und für eine offene und freie Gesellschaft“ hat die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ ein neues Positionspapier vorgelegt, das auch für die Jugendsozialarbeit interessant ist. Auch wenn der Teilhabebegriff und sein fachpolitisches Verständnis noch sehr offen ist, wird Teilhabe für die Kinder- und Jugendhilfe zunehmend bedeutsam. Insbesondere in der Debatte um eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe wird dieser Begriff inzwischen mit großer Selbstverständlichkeit gebraucht.
Die UN-Behindertenrechtskonvention sowie die weitreichende Reform des Systems der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz mit der Normierung von Leistungsansprüchen zur Teilhabe leisten wesentliche Beiträge, die Teilhabe als Aspekt der Lebenswelt und als Bedarfsdimension in gesteigerte Aufmerksamkeit zu rücken. Aber auch von anderer Seite wird der Blick auf Teilhabe gelenkt. So hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ausdrücklich hervorgehoben, dass das in der Verfassung verankerte Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sich nicht nur auf die physische Existenz des Menschen richtet, sondern auch auf die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst.
Gleichberechtige Teilhabe für junge Menschen mit und ohne Behinderung
In der aktuellen Fassung des SGB VIII taucht der Begriff Teilhabe nur innerhalb der Benennung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) seelischen Behinderung auf. Im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das der Bundestag in der 18. Legislaturperiode beschlossen hat, das aber aufgrund fehlender Zustimmung des Bundesrates nicht Gesetz geworden ist, sollte Teilhabe stärker aufgegriffen werden. In § 9 SGB VIII war zur Grundausrichtung ergänzend aufgenommen, dass „die gleichberechtigte Teilhabe von jungen Menschen mit und ohne Behinderungen umzusetzen und vorhandene Barrieren abzubauen“ sind. Der Regierungsentwurf sah zudem in § 1 SGB VIII als zusätzliche Zielbestimmungen vor, „die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für alle jungen Menschen“ zu ermöglichen und zu erleichtern.
Die Verständigung über die begriffliche und fachpolitische Bedeutung des Teilhabebegriffs für die Kinder- und Jugendhilfe steht aber noch in den Anfängen. Das Positionspapier stellt nun einige Aspekte zur Diskussion. Deutlich ist aber bereits: parallel zu einem individuellen Rechtsanspruch auf Teilhabeleistungen ist es besonders wichtig, auch (bundes-, landes- und kommunalpolitisch) Förderstrukturen in der Jugendhilfe zu etablieren, die ohne die Betonung von Defiziten in der Teilhabe sowie Merkmalen der Exklusion auskommen, sondern Vielfalt im Alltag selbstverständlich erlebbar machen. Mit ihren Angeboten der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kindertagesbetreuung, Familienberatung und Familienerholung, aber auch im Kinderschutz adressiert die Kinder- und Jugendhilfe bereits heute die Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und ihre Familien in der ganzen Heterogenität der Gesellschaft.
Quelle: AGJ