Finanznot der Kommunen darf sich nicht auf Jugendhilfe auswirken Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes am 13.4.2005 “ Die Finanznot der Kommunen stand am Mittwochnachmittag im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Gegenstand der Beratung waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (15/3676, 15/3986, 15/4045) und ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich (15/4532). Auch wenn niemand die finanziellen Engpässe in Städten und Gemeinden bestritt, plädierten die meisten Sachverständigen dafür, aus der Bahn geratenen oder behinderten Jugendlichen die Hilfen zukommen zu lassen, die für sie notwendig und erforderlich sind. Wenn das mit der Finanzkraft der Gemeinden nicht möglich sei, müsse notfalls der Bund einspringen, etwa über ein Bundesteilhabegeld oder vergleichbare Leistungen. So warnten Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht und Beate Holstein von der Kreisverwaltung Offenbach nachdrücklich davor, Geld bei Jugendlichen, die als ‚leichtere Fälle‘ gelten, einsparen zu wollen. ‚Sie werden uns als Erwachsene wieder auf die Füße fallen, und dann wird es erheblich teurer‘, sagte Meysen. Holstein setzte sich dafür ein, die intensiv-pädagogische Betreuung im Ausland beizubehalten. Die Jugendämter gingen mit dieser Möglichkeit sehr sorgfältig und vorsichtig um. Sie nannte als Beispiel einen Zwölfjährigen aus Offenbach, bei dem alle Hilfen im Inland versagt hätten. Er sei schließlich in einer psychiatrischen Anstalt ‚gelandet‘ und habe dem Kreis hohe Kosten (301 Euro am Tag) verursacht. Inzwischen habe man ihn in Griechenland bei zwei Sozialpädagogen auf einem Reiterhof untergebracht, jetzt koste er nur noch gut die Hälfte am Tag und sei auf dem besten Weg, in das normale Leben zurückzufinden. Regine Offer vom Deutschen Städtetag merkte dazu an, es sei zu fragen, warum im Inland alle Hilfen versagt hätten und ob solche Auslandsaufenthalte in der Öffentlichkeit nicht als Belohnung für auffälliges Verhalten verstanden werden könnten. Zudem verlaufe nicht jeder Auslandsaufenthalt so positiv wie der Offenbacher Fall. Auf harte Ablehnung bei den Verbänden stieß vor allem die Formulierung aus dem Gesetzentwurf des Bundesrats, Leistungen der Jugendhilfe an der Finanzkraft der Städte und Gemeinden auszurichten. Das werde die notwendige Versorgung davon abhängig machen, wo sie wohnten, sagte Klaus Lachwitz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Ihm pflichteten die anderen Verbände im Grundsatz bei. Robert Sauter vom Bayrischen Landesjugendamt bedauerte die strikte Ablehnung: Jugendhilfe von der Finanzkraft der Kommunen abhängig zu machen, bedeute doch nicht, sie ganz aufzugeben. Die Jugendhilfe dürfe nicht zur Auffanggesellschaft werden. Am Gesetzentwurf der Bundesregierung bemängelte Ursula Friedrich vom Deutschen Landkreistag zu viel Bürokratie. Das vom Bund vorhergesagte Einsparungspotential stehe in den Sternen. Zudem seien einige Kosten gar nicht mitberechnet. “ Kinder- und Jugendhilfe muss handlungsfähig bleiben – Präventive Maßnahmen stärker in den Vordergrund. Pressemeldung der CDU / CSU-Fraktion vom 14. April 2005 “ Anlässlich der Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz sowie zum Kommunalen Entlastungsgesetz erklärt die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn MdB: Die Anhörung im Deutschen Bundstag hat gezeigt, dass die Vorschläge der Bundesregierung nicht ausreichen um die erheblichen Kostensteigerungen in der Kinder- und Jugendhilfe in den Griff zu bekommen. Der Kostenanstieg hat dazu geführt, dass für die Kernaufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe, nämlich Prävention und Hilfen zur Erziehung immer weniger Geld zur Verfügung steht. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist ein erzieherisches Gesetz. Präventive Maßnahmen für Kinder und Jugendliche müssen daher wieder stärker im Vordergrund stehen. Dazu gehören: die Befähigung der Eltern, Kinder zu eigenverantwortlichen Menschen zu erziehen, die Unterstützung von Eltern in schwierigen Erziehungssituationen sowie die nachhaltige Förderung der Erziehung in Familien. Damit diese Aufgaben in Zukunft wieder besser erfüllt werden können, werden wir weitere Änderungsvorschläge zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz einbringen. „Kommunales Entlastungsgesetz (KEG) der CDU/CSU- Gesetz zur Entsorgung alles Sozialen?.“ Kommentar von Jutta Dümpe-Krüger, Mitglied des Deutschen Bundestages, Jugendpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen „Es ist nahezu skandalös, wenn die CDU/CSU mit dem „Gesetz zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich“ (KEG) plant, in Zukunft die Gewährung von Hilfen für Kinder und Jugendliche im sozialen Bereich von der Finanzkraft der einzelnen Kommunen abhängig zu machen. Das würde bedeuten: Sind die Kassen einer Stadt leer, gibt es für Bedürftige keine Leistungen mehr. Für Familien hieße das beispielsweise, dass Eltern, die mit den Problemlagen ihrer Kinder überfordert sind, die nötige sozialpädagogische Hilfe mit dem Wink aufs leere Stadtsäckel verweigert wird und sie auf das nächste Haushaltsjahr vertröstet werden könnten. Den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft würden damit Hilfen verweigert, die sich weder „durch Aussitzen“ von selbst erledigen, noch auf die lange Wartebank geschoben werden dürfen. … Es darf keine Kinder- und Jugendhilfe nur noch nach Kassenlage geben. Aber genau diesen Vorstoß, wie wir ihr ihn von der CDU/CSU in der Föderalismuskommission schon einmal erlebt haben, setzt der Bundesratsentwurf nahtlos fort. Auf Kosten und zu Lasten unserer Kinder sollen die kommunalen Haushalte saniert werden. Das ist unverantwortlich. Dass der KEG- Vorstoß ist nicht nur „keck“, sondern dreist ist und folgerichtig eigentlich „Gesetz zur Entsorgung alles Soziales“ heißen müsste, haben immerhin drei Ausschüsse des Bundesrates kapiert: Nämlich der Ausschuss für Familie und Senioren, der für Arbeit und Soziales und der Finanzausschuss, die diesen Unsinn abgelehnt haben. Begründet haben sie ihre Ablehnung damit, dass, Zitat die „finanzielle Leistungsfähigkeit ein dem Sozialstaatsgedanken grundsätzlich fremder Abwägungsgesichtspunkt ist.“ Kurz: Wer in Sonntagsreden erzählt, dass Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind, darf ihnen nicht unter der Woche ihre Zukunft dadurch verbauen, dass er ihnen das Geld für notwendige Hilfen zu ihrer Entwicklung vorenthält. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) hat da einen ganz anderen Ansatz. Das „KICK“ wird die Kompetenz der Jugendhilfe weiter verbessern und damit das Wohl von Kindern und Jugendlichen stärken. Die Wirtschaftlichkeit und Steuerungsverantwortung des Jugendamtes wird durch eine stärkere Realisierung des Nachrangs verbessert. Außerdem wird durch das KICK der bürokratische Aufwand bei der Kostenheranziehung in den Jugendämtern verringert. Von fachlicher Seite wird dieser Gesetzentwurf allgemein begrüßt. Und zwar deshalb, weil damit eine Vielzahl von Anliegen aufgegriffen wird, die aus der Praxis der Jugendhilfe, aber auch von betroffenen Familien an uns herangetragen wurden. Das zeigt, auch in der Kinder- und Jugendhilfe ist sparen ohne Qualitätseinbuße möglich. Das setzt aber voraus, dass man ausschließlich unter fachlichen Gesichtspunkten Gesetze weiterentwickelt. “ Sinnvolle Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe statt ‚verantwortungslose Unsozialpolitik‘ Pressemitteilung der SPD zur Anhörung am 13. April 2005 “ Anlässlich der heutigen Anhörung des Ausschusses fuer Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) und zum Entwurf eines Gesetzes zur kommunalen Entlastung (KEG) erklären die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Christel Humme, und die zustaendige Berichterstatterin, Marlene Rupprecht: Die Kommunen finanziell zu entlasten, ist ein richtiges und wichtiges Ziel, das Bundesregierung und SPD-Bundestagsfraktion konsequent verfolgen. Die Union aber will mit ihrem KEG ausgerechnet durch massive Leistungseinschränkungen der Kinder- und Jugendhilfe finanzschwachen Städten und Gemeinden helfen. So sollen die Schwächsten unserer Gesellschaft, hilfebedürftige Kinder und Jugendliche und deren Familien, die Zeche für die prekaere Finanzlage vieler Kommunen zahlen. Nach Ansicht der meisten Sachverstaendigen und der SPD-Bundestagsfraktion ist dies der völlig falsche Weg. ‚Verantwortungslose Unsozialpolitik‘ nannte deshalb Dr. Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht das KEG treffend. Wenn einem Kind oder Jugendlichen die nötige Hilfe verwehrt wird, hat dies negative und sehr teure Konsequenzen. Denn die Kinder und Jugendlichen und deren Familien, die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe beziehen, können sich meist nicht selbst helfen. Wenn wir ihnen also heute Hilfe verweigern, kommen die Kinder- und Jugendlichen morgen mit ihren Problemen zurueck, die dann häufig eskaliert sind. Das KEG will beispielsweise Hilfen fuer junge Volljährige massiv einschränken. Leisten wir aber beispielsweise einem 18-jährigen keine Hilfe bei seiner Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt, ist nicht selten ein Abrutschen in Drogensucht, Straffälligkeit oder Obdachlosigkeit die Folge – Probleme, deren Überwindung sehr viel teurer ist als frühzeitige Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe. Mit dem KEG ließen sich also allenfalls kurzfristige Spareffekte erzielen, mittelfristig würde es enorme Folgekosten produzieren. ‚Die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten, die ein solcher Kahlschlag nach sich ziehen würde, sind überhaupt nicht berücksichtigt‘, fasst Andrea Hoffmeier vom Deutschen Bundesjugendring die massive Kritik vieler Sachverständiger am KEG zusammen. Ganz anders fällt die Beurteilung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe aus: Die meisten Sachverständigen waren sich einig, dass mit dem KICK die Kinder- und Jugendhilfe sinnvoll und zeitgemäß weiterentwickelt wird. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen wird gestärkt. Dabei setzt sich auch das KICK das Ziel, Kommunen finanziell zu entlasten. Diese Entlastung wird aber nicht durch Leistungseinschränkungen für hilfebedürftige junge Menschen erkauft. Das KICK setzt stattdessen auf eine bessere Steuerungskompetenz der Jugendämter, die Senkung des Verwaltungsaufwands und eine stärkere Beteiligung gut verdienender Eltern an den Kosten der Hilfen. Der Hilfebedarf von jungen Menschen und ihren Eltern ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Trennung und Scheidung, Erziehungsunsicherheiten bei den Eltern, ökonomische Probleme und Arbeitslosigkeit sind Probleme, die viele Familien überfordern. Die Jugendhilfe ist hier mehr denn je gefordert, weil sie die wichtigste und nachhaltigste Unterstützung in diesen Notlagen bietet. Deshalb brauchen wir eine starke Kinder- und Jugendhilfe, im Interesse der betroffenen jungen Menschen, der Gesellschaft und der Kommunen, die auf gut integrierte Kinder und Jugendliche angewiesen sind und sich schlecht integrierte Kinder und Jugendliche gar nicht leisten koennen.“ – Stellungnahme_Struck.pdf – Stellungnahme_Dr__Meysen.pdf
Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/gremien15/a12/Oeffentliche_Sitzungen/ http://www.cducsu.de/section__2/subsection__1/id__10759/Meldungen.aspx http://www.jutta-duempe-krueger.de http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?aktion=jour_pm&c
Dokumente: Stellungnahme_Dr__Meysen.pdf