Umfrageergebniss: Jugend orientiert sich stark an ethischen Prinzien

WAS IST SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN DER BERUFSSCHULE WIRKLICH WICHTIG IN IHREM LEBEN? Antworten auf diese Frage sind den Lehrenden der Fächer Religion, Ethik und Politik nur begrenzt zugänglich. Die durchgeführte Befragung identifiziert durch einen neunen methodisch-theoretischen Ansatz umfangreich und differenziert kommunikative Anschlussstellen für einen religiösen Dialog. Befragt wurden mehr als 8.000 konfessionsgebunde, konfessionslose und muslimische Schülerinnen und Schüler aller Gliederungen des Berufsschulsysems in Deutschland. Schlagzeilen der Ergebnisse der Befragung zu Alltagethik, Moral, Religion und Kirche: “ MAXIMEN IN DER PARTNERSCHAFTSBEZIEHUNG „Offenheit‘ und „Vertrauen‘ und zugleich „Freiraum‘ und „Kompromisse‘ bilden ein beziehungsstiftendes Viereck. Innerhalb dessen sollen die Interaktionen zwischen handlungssouveränen Subjekten auf der Grundlage einer grundsätzlich monogam orientierten Zuwendungsbereitschaft und – Verpflichtung geregelt – verlässlich ablaufen können. FUNKTIONSZUWEISUNG FÜR ‚GEWISSEN‘ ‚Gewissen‘ ist allererst eine Steuerungsressource für das „Ich im (privaten) ‚Wir“. Damit wird eine „bedingte Transzendenz‘ indiziert, die durch ihre Lebensalltagsimmanenz definiert und erlebbar wird. Nur minderheitlich wird ‚Gewissen‘ mit der Kategorie „Gott‘ als dem Ausdruck der „unbedingten Transzendenz‘ verknüpft. WAS ALS ‚SÜNDE‘ GILT Sünde wird allererst als eine ‚Beziehungstat‘ im sozialen Nahbereich begriffen: eine Störung der „Mensch-Mensch-Beziehung‘ vor allem durch „Vertrauensmissbrauch‘. Ein Verständnis von ‚Sünde‘ als Störung der „Mensch- Gott-Beziehung‘ ist eher nicht im Blick. DIE BEDEUTUNG VON „GEMEINSCHAFT‘ „Gemeinschaft‘ löst überwiegend sehr positive Empfindungen aus und signalisiert eher Beheimatung als dass es soziale Kontrolle bedeutet. Die Grundlage von Gemeinschaft ist allererst ein Tatbestand des Allgemein-Sozialen und weniger des Religiös-Institutionellen. AUSLÖSER FÜR ÄNGSTE „Einsamkeit/allein sein‘: Fast zwei Drittel (61 %) setzen dieses Item auf die Skalen-Position „4′ bzw. „5′. Faktorenanalytisch gesehen ist Angst dreidimensional strukturiert: „Identitätsverlust‘ – „soziale Isolation‘ – „Endlichkeitserfahrung‘. GEFÜHL BEI „GOTTES SEGEN‘ „Gottes Segen‘: Für die Mehrheit der Jugendlichen ist das kein Wortsymbol, um semantisch ein Kernelement ihres Welt-Verstehens zu erfassen. Allerdings: „Schutz‘ und „Sicherheit‘ sind die Gefühle, die noch am ehesten durch das Hören der Sentenz von „Gottes Segen‘ ausgelöst werden. ASSOZIATIONEN ZUM ADJEKTIV „RELIGIÖS‘ Allererst: „Ernsthaftigkeit‘, am wenigsten: „’schuldig‘ sein‘. ASSOZIATIONEN MIT „KIRCHE‘ „Moder, Muffigkeit‘ und „Beklemmung‘ gehören mehrheitlich nicht zu den Gefühls-‚Echos‘: Das Image von ‚unmodern‘ für „Kirche“/„das Kirchliche‘ scheint sich stillschweigend erledigt zu haben. Bei Bedarf wird akzeptiert, was man sich im Bereich unmittelbarer Sozialkontakte selber nur schwer schaffen könnte: „Heiliger Ort‘, „Würde‘, „Geheimnis‘ und – vor allem – „Ruhe, Stille‘. DETERMINANTEN DES LEBENSVERLAUFS Die wirklich wichtigen Kategorien des Weltverstehens werden mit Rückgriff auf den personal repräsentierten sozialen Nahbereich gebildet – auf etwas, was ein ‚Gesicht‘ hat. „Gott‘ als Ausdruck der „unbedingten Transzendenz‘ scheint kein solches ‚Gesicht‘ zu besitzen und wird ähnlich abstrakt aufgefasst wie „Machtverhältnisse‘. SINN DES LEBENS In der Frage der Trägerschaften für den „Sinn des Lebens‘ findet sich nicht die übliche kulturelle Pluralität von nebeneinander bestehenden Auffassungen. … Der „Sinn‘ des Lebens ist fraglos, wenngleich er auch ‚bewirkt‘ und eingebettet ist – unter anderem durch und in Kontakt mit „Leuten, die ich mag/die mich mögen‘. NACH-TOD-VORSTELLUNGEN 70 % können sich nicht vorstellen, dass da „einfach nichts‘ ist: Im Blick auf den (eigenen) „Tod‘ ist die (Un-)Vorstellung des ‚Nichts‘ keine bevorzugte Option. Zugleich haben sie mit allen anderen Vorstellungsformulierungen noch größere Schwierigkeiten. “ Auszüge aus den Abschlussbetrachtungen: Religion, Religiosität und religiöse Semantik – oder die Frage: “Wann und wie ist man �religiös’“?: “ Die Gesichtspunkte, die hier als Ausgang für weiterführende Überlegungen im wissenschaftlichen und unterrichtspraktischen Diskurs dienen können, lassen sich nur fünf Stichworten formulieren. Zwischen ihnen besteht inhaltlich natürlich ein Zusammenhang, aber sie werden nicht in Gestalt von aufeinander aufbauenden Argumenten zu einem Ganzen oder gar zu einem ‚Theoriekonzept‘ verknüpft bzw. präsentiert. Sie erfassen etwas, was sich nur unter massivem Informationsverlust auf eine einzige Schlagzeile bringen ließe. Dennoch wäre es nicht verkürzend, wenn man … feststellte, dass die den Theologen durchaus geläufige Einsicht empirisch als bestätigt angesehen werden kann: Auch bei den Jugendlichen und Jungen Erwachsenen der Gegenwart findet sich – wenn auch in codierter Gestalt – zumindest eine Ahnung von der prinzipiellen „Vorausgesetztheit‘ der eigenen Existenz. In religionssoziologischen ebenso wie in theologischen Kategorien ist das als Bewusstsein von Transzendenz zu begreifen – eines Bewussteins freilich, das sich den religionskulturell-theologisch konventionellen Semantiken eher nicht bzw. nur mit Hilfe wirklichkeitserschließender – mithin: religions-pädagogischer – Explikationen öffnet. (1) ZUM GESPÜR DER JUGEND FÜR DIE VORAUSGESETZTHEIT IHRES DASEINS Man mag die These vertreten, die heutigen Jugendlichen meinten, ihr Leben in der eigenen Hand zu haben und ihr Dasein nichts und niemandem zu verdanken. Diese Auffassung könnte durch den Befund im Mittelwerte-Vergleich zur Kategorie „Sinn‘ als belegt erscheinen. Der zeigt, dass Sinn nicht als etwas nur passiv Empfangenes erlebt wird. Vielmehr wird die Eigenverantwortlichkeit stark betont: Sinn existiert, wenn ich etwas selbst gestalte, selbst schaffe. Aber: Damit ist keineswegs ein mangelndes Bewusstsein für die Vorausgesetztheit des eigenen Daseins verbunden. … So lässt sich zum Beispiel der hohe Grad an Sinnbejahung … durch die Konsistenz von Nahraum-Erfahrungen erklären: Die soziale Einbettung in die eigene Familie und den Kreis der Freunde und Peers findet über die Themenkreise hinweg hohe Wertschätzung. Das macht sich besonders deutlich an der mehrheitlich positiven Zustimmung zu dem Item, Sinn „erfahre‘ man durch „Leute, die ich mag und die mich mögen‘. Auch ohne den Gottesbegriff zeigt sich, wie auch an etlichen anderen Teilergebnissen zum Topos der sozialen Beziehungen, hier zumindest eine Ahnung von dem, was man als die „Vorausgesetztheit‘ des eigenen Daseins bzw. seine Transzendentalität bezeichnen kann. Die Wertefeld-Analyse zeigt …, dass diejenigen, die mehr als andere Sinn in der eigenen Gestaltungsleistung wahrnehmen – … -, zugleich stärker als andere auch Angst vor Krankheit ausdrücken. An einem solchen Zusammenhang wird klar, dass die Jugendlichen/Jungen Erwachsenen zwar Sinn zu konstituieren gelernt haben, aber dass dieser ’selbstbewirkte‘ Sinn zugleich als durchaus gefährdet und von Voraussetzungen abhängig gesehen wird, die eben evident über die eigenen Gestaltungsleistungen hinausgehen. Das ist theologisch im Blick auf den Unterricht von Bedeutung, denn Theologie bietet ja eine Basis, auch und gerade die ’selbstbewirkten‘ Sinn-Konstruktionen kritisch zu reflektieren und die Dimension der Vorausgesetztheit des eigenen Daseins konstruktiv-zukunftseröffnend zu symbolisieren. … Unsere Befunde zu den bei den Jugendlichen/Jungen Erwachsenen vorfindlichen Wahrnehmungs-Korrelationen laden dazu ein, für Unterrichtsgestaltungen die … – Sinnfrage zu öffnen: hin zur Frage nach der Möglichkeit ‚letzter‘ Sicherheit. Freilich: Es muss damit gerechnet werden, dass die Jugendlichen/Jungen Erwachsenen gerade solche ‚letzten Fragen‘ ausklammern, weil sie sie, insbesondere in ihrer Altersphase, i. d. R. lebenspraktisch gar nicht umsetzen könnten. Dazu wäre dann aber – … zu argumentieren, dass die belegte Sensibilität der Jugendlichen/Jungen Erwachsenen gegenüber den eigenen Ängsten notwendig einhergeht mit einem Bewusstsein für transzendente Daseinsvorsetzungen, die über die durch „religiöse/kulturelle Programmatiken‘ bereitgestellten Symbole „heilsam‘ schematisiert werden können und somit nicht als diffus wirkende Ängste verdrängt werden müssten. … (2) ZUR MARGINALITÄT BERUFSMYTHISCHER UND FUNDAMENTALISTISCHER IDENTIFIKATIONEN Die Befunde haben auch deutlich gemacht, dass „Beruf“ nicht als Ressource für Sinnkonstitution fungiert. Dazu steht nicht im Widerspruch die mehrheitlich vertretene Auffassung, dass „meine Arbeit‘ den Lebensverlauf ganz wesentlich mitbestimme. Aber sie generiert eben nicht jenen Sinn, der ‚mein Leben trägt‘. Die Jugendlichen/Jungen Erwachsenen sind insoweit pragmatisch, postmodern, ja, lebensklüger, weil sie die Selbstverständlichkeit eines lebenslang identisch bleibenden Berufs nicht mehr voraussetzen. Sie wissen, dass es künftig keine sog. Normalerwerbsbiografien mehr geben wird. Der Berufs-Begriff mit den bisherigen Wert-Aufladungen, mit seinem hohen Anteil von Berufsethos, dem Sich-Einstellen-Müssen auf �Lebenslänglichkeit’, die er bis in die 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein hatt, ist heute nicht mehr bewusstseinspräsent. Religionspädagogisch erscheint es daher nicht sinnvoll, den Topos „Beruf“ theologisch oder ethisch aufzuladen. … Unsere Ergebnisse zeigen zugleich, dass ‚Sinn-Suche‘ der hier untersuchten gegenwärtigen Generation der 15-bis 25-Jährigen in ihrer großen Mehrheit keinesfalls in fundamentalistischen Bahnen verläuft. Die starke Betonung eigenverantwortlich-autonomer Sinnkonstruktion in Verbindung mit der zentralen Stellung der partnerschaftlich-reflexiven Beziehungsorientierung („Ich und Du im Wir‘) lässt dafür keinen Raum. Auch die Zurückhaltung gegenüber weltanschaulich-theologischen Deutungssemantiken … zeigt, dass die Mehrheit der Jugendlichen kaum ein Bedürfnis nach ideologischer Bindung zeigt. Vielmehr erscheint den Jugendlichen/Jungen Erwachsenen ihr ‚Selbst‘ hinreichend stabil als ‚Teamprojekt‘ konstruierbar zu sein, das, über permanente Aushandlungsprozesse in Beziehungen, als Ergebnis der je eigenen Gestaltungsleistung wahrgenommen wird. Im Kontext einer solchen Sinnorientierung können fundamentalistische Deutungsmuster kaum auf Resonanz stoßen und lassen sich allenfalls als marginale Phänomene erklären. (3) ZUR SUCHE ‚RELIGIÖSER FLANEURE‘ NACH ‚GEMEINSCHAFT‘ Unsere Untersuchung spiegelt in der Weltauffassung und in der Weltgestaltungsprogrammatik der Jugendlichen/Jungen Erwachsenen gleichermaßen Bindungstreue und Bindungsabstinenz in verschiedenen Aspekten wider. So indizieren die Reaktionen der befragten Jugendlichen und Jungen Erwachsenen auf das Wort „Gemeinschaft‘ das Bedürfnis und die Suche nach solchen lebensweltlichen Gesellungsmustern, die nicht durch ökonomische und auf Leistungsprinzipien beruhende Codes determiniert sind, sondern Raum geben für gegenseitige Anteilnahme und Solidarität. Wo immer solche Muster gelingen, da ereignet sich �Gemeinschaft’. … Mithin: ‚Gemeinschaft‘ als Ort der Erfahrung von akzeptierter Individualität lässt alte Ideologisierungen des Gemeinschaftsbegriffs radikal hinter sich. Diese Entideologisierung zeigt sich in unserer Studie auch darin, dass ‚Gemeinschaft‘ wesentlich frei von „Heuchelei‘ und „Bevormundung‘ verstanden wird. Der Gemeinschaftsbegriff wird bei den Jugendlichen/Jungen Erwachsenen damit weitgehend als vereinbar mit einer Anerkennung des eigenen Autonomiestrebens verstanden. Das bedingt zwangsläufig, dass die Frage, wie ‚Gemeinschaft‘ gebildet wird, heute flüssiger und verhandelbarer geworden ist. Es stellt sich dann aber auch die Frage, wie sich ‚Gemeinschaft‘ konstituieren kann. Insofern Jugendliche bei der Wahl ihrer Peers auf Milieu-, Habitus- bzw. Eigenschaftsähnlichkeit achten, weil dadurch gewährleistet ist, dass der eigene Stil auf Akzeptanz stößt, können hier sogar kommerziell vorgefertigte Formate relevant werden, wenn sie die Darstellung des eigenen Stils unterstützen und zur gezielten Unterscheidung von anderen, fremden Peer-Gruppen beitragen. … Unter kirchensoziologischem Gesichtspunkten ist dabei jedoch zu bedenken, dass sich die festgestellte Dualität bzw. Dialektik von Gemeinschaftsbedürfnis und Autonomiestreben institutionell kaum einfangen lässt. Sie füttert sich vielmehr gleichsam selbst mit der Suche nach Gemeinschaft, weil das ‚Verbot‘, sich substantiell festzulegen, die Gemeinschaftssehnsucht offen hält. Das wiederum begünstigt die Existenzform des ‚Flaneurs‘ eines Menschen also, der sich überhaupt nicht abkapselt, sondern sich geradezu, wie in einer Shopping-Mall, ‚öffentlich‘ präsentiert, der sich dabei aber nur in punktuellen Zugriffen und ‚auf Zeit‘ an dem einen oder anderen Ort – bei Jugendlichen/Jungen Erwachsenen: in einer (‚angesagten‘) coolen ‚Coffee Lounge‘ oder in einem Billigpreis-Textilkettengeschäft – aufhält, partizipiert und interagiert – und sich dann wieder löst, ohne sich aber auf Dauer ausklinken und in die soziale Isolation begeben zu wollen, denn morgen schon sucht er die ‚Scene‘ wieder auf. Darin manifestiert sich im Übrigen ein Lebensmuster, das exakt die Logik kapitalistisch-marktökonomischer Flexibilität und Transformationsgeschwindigkeit beim Austausch von Gütern, Arbeitskräften und Kapital realisiert. Deshalb ist einsichtig, dass es dazu eines Gegengewichts bedarf. Und so bezieht sich dieses Verhaltensmuster des Flaneurs auf der Ebene des programmatischen Selbstentwurfs genau nicht auf die Gemeinschaft in Paarbeziehungen, für die im Mittelwerte-Vergleich vielmehr „Treue‘ den höchsten Rang einnimmt. … Sollte nun die Kirche – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der programmatischen Forderung, eine ‚unsichtbare Kirchengemeinschaft’sein zu sollen und nicht (nur) eine dienstleistende Institution – allein über die eingebrachten materiellen und immateriellen Ressourcen die „religiöse Programmatik‘ lebendig halten wollen, dann muss allerdings der ‚religiöse Flaneur‘ als der ‚Größte Anzunehmende religiöse Flaneur erscheinen und nicht der Atheist, denn bei dem steht seine ‚religionsexterne‘ Positionierung ja bereits fest. Der Flaneur hingegen ist eben nicht einfach atheistisch, nicht einmal antikirchlich oder irreversibel desinteressiert, sondern lässt sich (nur) nicht auf verbindliche Dauer einbinden. Allein unter dem sozialen Bindungsgesichtspunkt also erscheint er als ‚irreligiös‘, ohne feste ‚religiöse Eigenschaften‘. … Die religiösen Flaneure erhöhen vielmehr den Druck, Deutungen auf der Basis religiöser Programmatiken zu generieren, die die konventionellen Interpretationen theologischer Topoi überschreiten und die sich auch auf den Zusammenhang von ‚Glauben‘ und ‚Sozialgestalt‘, mithin auf die Begriffe ‚Gemeinschaft‘ und ‚Gemeinde‘ beziehen müssen. (3) HINREICHENDES ‚HEIL‘ DURCH DIE ‚RICHTIGEN‘ SPIELREGELN? Besonders erhellend für die immanent religiösen Aufladungen bei der Fragestellung … („Was soll gelten?‘) sind die Reaktionen auf den Gewissens- und indirekt auf den benachbarten Schuldbegriff. Die Daten machen an verschiedenen Stellen deutlich, dass es in dem von den Jugendlichen/Jungen Erwachsenen außerordentlich hoch geschätzten sozialen Nahbereich um Sinnressourcen geht, die durch klare Normen abgesichert werden. Es geht um Anerkennungsmomente, die man in den großen Systemen nicht haben kann. Deshalb ist z. B. „Gewissen‘ allererst eine Steuerungs- und Korrekturressource für das „Ich im privaten ‚Wir“. Einerseits wird damit eine „bedingte Transzendenz‘ indiziert, die durch ihre Lebensalltagsimmanenz bestimmt und erlebbar wird. Andererseits wird nur minderheitlich „Gewissen‘ explizit mit der Kategorie „Gott‘ (als dem Ausdruck der „unbedingten Transzendenz‘) verknüpft. … Im Zusammenhang mit dem anthropozentrisch ‚bedingt transzendent‘ geladenen Gewissensbegriff wird wichtig, dass die Befunde zeigen …, dass die benachbarte Kategorie der „Schuld‘ im Wahrnehmungsraum der hier Befragten weit überwiegend keine Kategorie einer herkömmlich als ‚religiös‘ geltenden Semantik ist. Dies lässt folgende Deutung möglich erscheinen: Wenn die hier beobachtbare fehlende Zustimmung zur Kategorie der Schuld als ein Indikator für ihre Bedeutungslosigkeit in der subjektiven Theologie der Jugendlichen/Jungen Erwachsenen verstanden werden müsste, dann hätten zugleich auch Kategorien wie „Gnade‘, „Vergebung‘ und „Erlösung‘ ihre tragende Bedeutung verloren. Eine solche Bewusstseinsdistanz von „Schuld‘ zu „Vergebung‘ lässt sich bis hinein in unser alltägliches Sprachverhalten verfolgen: Auch nach schweren, schuldhaften Verletzungen wird … die Formulierung benutzt: „Ich entschuldige mich (doch) dafür.‘, statt zur Formulierung zu greifen: „Ich bitte um Verzeihung“. Der Begriff der Schuld wird allein auf der Ebene sozialer Beziehungen als ein Element gegenseitiger, vor allem: für regelbar, für justifizierbar gehaltener Ansprüche angesehen bzw. bleibt auf diesen Aspekt beschränkt. … Bei allem religiösen Potential des Begriffs des „Gewissens‘ als Steuerungsressource in der face-to-face-Beziehungsgestaltung: Mit der Verdrängung bzw. der Relevanzreduktion des „Schuld‘-Phänomens im sozialen Feld wird der Status der christlichen Religion als Erlösungsreligion prekär, in der zwar ‚Beziehung‘ und ‚Anerkennung‘ relevant sind – aber nicht mehr mit den alten soteriologi-schen Auflagen. In diesem Zusammenhang ist … interessant …, dass der Islam keine Erlösungsreligion ist und die Schuldthematik weitgehend abblendet zugunsten einer Heilsverheißung, die auf einem System religiös begründeter Verhaltensregeln basiert. So könnte es sein, dass ein modernisierter europäischer oder deutscher Islam attraktiv wird in der Bedienung religiöser Orientierungen und Bedürfnisse, … . Die christliche Religion müsste sich … anstrengen und zwar weniger kognitiv in der epistemischen und intellektuellen Dimension als vielmehr in der Dimension der Erreichbarkeit psychischer Tiefenstrukturen. Die Ergebnisse der Studie …, dass in der Vorstellungswelt der Jugendlichen/Jungen Erwachsenen eine hinreichend heile Welt als erreichbar gilt, wenn die richtigen Spielregeln und Werte verfolgt werden. “ Der Titel der Erhebung lautet ‚Lebensorientierung Jugendlicher. Alltagethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von Berufsschülerinnen und -schülern in Deutschland‘. Autoren: Andreas Feige, Carsten Gennerich. 2008, 218 Seiten, € 24,90, ISBN 978-3-8309-1941-4

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Quelle: Katholische Nachrichtenagentur

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