Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit setzt sich dafür ein, dass die Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern II, III und VIII geklärt und die Kooperation verbessert wird. In seinem letzte Woche verabschiedeten Positionspapier weist der Verbund auf notwendige gesetzliche und strukturelle Veränderung hin, um die Förderung benachteiligter Jugendlicher zu optimieren. Auszüge aus dem Positionspapier: “ HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN DES KOOPERATIONSVERBUNDES JUGENDSOZIALARBEIT Die Zuständigkeiten für die berufliche und soziale Förderung von Jugendlichen sind zersplittert. Jugendliche und ihre Eltern, aber auch Fachkräfte in der sozialen Arbeit und MitarbeiterInnen in den Verwaltungen finden sich im komplexen Zuständigkeitsmix zwischen den Sozialgesetzbüchern (SGB) II, III und VIII nur sehr mühsam zurecht. Viele Jugendliche erhalten deshalb kein passendes Angebot. Die komplexen Unterstützungsbedarfe von sozial und individuell benachteiligten Jugendlichen erfordern das Zusammenwirken von unterschiedlichen Hilfesystemen (v. a. des SGB II und VIII), was viel zu selten gelingt. Teilweise verlieren Jugendliche den notwendigen Anschluss an eine Förderung, wenn sich aufgrund veränderter Lebensumstände (z. B. Arbeitsaufnahme der Eltern) die Zuständigkeiten der Kostenträger verändern. Vielerorts stehen sich unabgestimmte Maßnahmen und Angebote der Arbeitsagenturen, Träger der Grundsicherung und Jugendämter gegenüber. UNSER ZENTRALES ANLIEGEN: KEIN(E) JUGENDLICHE(R) DARF VERLOREN GEHEN. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit setzt sich dafür ein, dass die Schnittstellen zwischen SGB II, III und SGB VIII geklärt werden und sich die Kooperation der Akteure verbessert. Gesetzliche und strukturelle Veränderungen sind notwendig, um die Zusammenarbeit vor Ort tatsächlich zu verbessern. Nach unseren Erfahrungen greifen die bisherigen zahlreichen Appelle an die Akteure der Praxis, sich um eine bessere Kooperation zu bemühen, zu kurz. Derartige Aufrufe haben in den letzten Jahren nicht zu flächendeckenden Fortschritten bei der dringend notwendigen Zusammenarbeit geführt. Unsere handlungsanleitende Maxime, keinen Jugendlichen verloren gehen zu lassen, bedeutet für die Ziele dieser Kooperation: – Jede(r) Jugendliche erhält ein passgenaues Angebot. Lücken im Förderverlauf werden vermieden. – Zwischen den Behörden wird ein verbindliches „Übergabeprinzip“ der Jugendlichen statt dem „Abgabeprinzip“ verankert. – Die Rolle der Jugendsozialarbeit gemäß §13 SGB VIII wird bei der Förderung von benachteiligten Jugendlichen gestärkt. – Durch eine gemeinsame Angebots- bzw. Maßnahmenplanung von Arbeitsagenturen, Trägern der Grundsicherung und Jugendhilfe wird eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur unterstützt und die wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung befördert. Um diese Ziele zu erreichen, setzt sich der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit dafür ein, verbindliche Strukturen für die Kooperation aufzubauen und gesetzliche Neuregelungen vorzunehmen. MEHR VERBINDLICHKEIT UND KLARHEIT FÜR DIE KOOPERATION – FORDERUNGEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN DES KOOPERATIONSVERBUNDES JUGENDSOZIALARBEIT – Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert flächendeckend in den Kommunen Anlaufstellen für Jugendliche einzurichten, in denen der Träger der Grundsicherung, die örtliche Arbeitsagentur und das Jugendamt sowie freie Träger der Jugendhilfe ihre Beratungs-, Betreuungs- und Vermittlungsangebote für die berufliche Integration von Jugendlichen bündeln und gemeinsam anbieten. Die beteiligten Institutionen im Hilfesystem würden an einem Ort der Kooperation zusammengeführt. Die Jugendlichen erhalten dann – unabhängig von der formalen Zugehörigkeit zu Hilfesystemen – alle Hilfen über eine Anlaufstelle. Ihre Chancen auf bedarfsgerechte Förderung werden dadurch erheblich verbessert. – Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit regt dringend an, dass die Jugendämter, die Arbeitsagenturen und die Träger der Grundsicherung ihre Angebote und Maßnahmen für die berufliche Integration junger Menschen besser aufeinander abstimmen. Der Bundesgesetzgeber wird aufgefordert, hierfür die gesetzlichen Kooperationsbestimmungen zu schärfen. Eine lokal abgestimmte Angebots- und Maßnahmenplanung ist unerlässlich, um eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur für die berufliche Förderung junger Menschen zu schaffen und Versorgungslücken zu schließen. … In der Praxis gibt es massive Umsetzungslücken. Vielerorts findet nur eine punktuelle Zusammen-arbeit der Akteure … statt. Anders als im SGB VIII sind nämlich die Bestimmungen des SGB III und des SGB II nicht ausreichend verbindlich und präzise genug, … Im SGB III ist daher neu festzulegen, dass die Agenturen für Arbeit ihre Maßnahmen der Arbeitsförderung mit den Trägern der Grundsicherung zur Umsetzung von Eingliederungsleistungen des SGB II, wie auch mit den Jugendämtern, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Jugendsozialarbeit (§13 SGB VIII) abstimmen sollen. Dementsprechend sind Regelungen zur Zusammenarbeit der Agenturen für Arbeit als Träger der Eingliederungsleistungen gemäß SGB II festzulegen. Analog zum SGB III (§9 Abs. 3 SGB III) sollten die Arbeitsagenturen außerdem verpflichtet werden, ihre Planungen zur Umsetzung von Eingliederungsleistungen gemäß SGB II rechtzeitig mit den Trägern zu erörtern, die diese Eingliederungsleistungen umsetzen. – Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert, dass bedarfsgerechte Angebote der Jugendhilfe (SGB VIII) und hier insbesondere der Jugendsozialarbeit (§13) zur besseren sozialen Integration junger Menschen in allen Kommunen ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Wir halten es zudem für unabdingbar, dass Leistungen der Jugendsozialarbeit gemäß §13 SGB VIII dann vorrangig zur Anwendung kommen, wenn bei sozial und individuell benachteiligten Jugendlichen nicht die Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung, sondern die Überwindung sozialer bzw. individueller Beeinträchtigungen im Vordergrund steht. Weil dies in der Praxis oft missachtet wird, empfehlen wir eine rechtliche Klarstellung in §13 SGB VIII. Außerdem soll mit einer gesetzlichen Neuregelung ein nachfolgender bzw. nachsorgender Aufgabenbereich der Jugendsozialarbeit gemäß §13 SGB VIII definiert werden: Für Jugendliche, die aufgrund von Sanktionen im SGB II ihre Leistungen verloren haben, muss es eine Auffangmöglichkeit in der Jugendhilfe geben. Das in §10 Abs. 3 SGB VIII definierte Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und den Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben nach dem SGB II hat in der Praxis zu zahlreichen rechtlichen Unklarheiten geführt und den Rückzug der Jugendhilfe aus der Förderung von Angeboten der Jugendsozialarbeit gemäß §13 SGB VIII begünstigt. Dabei ist ein Ausbau von Angeboten der Jugendsozialarbeit neben und anstelle der Eingliederungsleistungen des SGB II für sozial und individuell benachteiligte Jugendliche dringend geboten. Diese Erkenntnis findet zwar zusehends auch in der Rechtsprechung Bestätigung, setzt sich aber in der bundesweiten Praxis der Jugendhilfe nur so zögerlich durch, dass eine gesetzliche Klarstellung geboten erscheint. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit sieht darüber hinaus die Letztverantwortung der Jugendhilfe auch dann gegeben, wenn das vorrangige Leistungssystem des SGB II im Falle von Sanktionen seine Unterstützung versagt. – Einige Schnittstellen zwischen den Trägern der Grundsicherung und den Arbeitsagenturen sollten im Sinne einer verbesserten Förderung von Jugendlichen bereinigt werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit schlägt dazu vor, Leistungen des Ausbildungsbonus (§421r SGB III) und der Berufsvorbereitung (§61 SGB III) in den Katalog der Eingliederungsleistungen gemäß §16 SGB II aufzunehmen. Dadurch könnten eine zielgenauere Förderung, gerade von leistungsschwächeren Jugendlichen, und ein optimiertes Verwaltungshandeln erreicht werden. Für die Umsetzung des Ausbildungsbonus und der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) ist allein die Arbeitsagentur gemäß SGB III zuständig, selbst wenn es um die Förderung von Jugendlichen aus dem Rechtskreis SGB II geht. Gerade besonders förderbedürftigte Jugendliche aus dem Rechtskreis SGB II werden durch diese zusätzlichen Schnittstellen benachteiligt. Die von der Arbeitsagentur bereitgestellten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind für die schwächsten dieser Jugendlichen nicht bedarfsgerecht. Dies zeigen z. B. häufige Maßnahmenabbrüche. Aus der Praxis der Umsetzung von BvB sind außerdem zahlreiche Schnittstellenprobleme im Zusammenwirken von Fallmanagement der ARGEn und den Fachkräften der Arbeitsagenturen bekannt, die z. B. daraus resultieren, dass die zuständige Berufsberatung ihr Angebot als freiwilliges Angebot versteht. Auch der Ausbildungsbonus kann nur als Leistung nach dem Dritten Sozialgesetzbuch bereitgestellt werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit sieht Jugendliche im Rechtskreis SGB II benachteiligt, die ungleich schlechtere Chancen erhalten, mittels des Ausbildungsbonus in eine betriebliche Ausbildung zu gelangen, da der Bonus nur von einem anderen Träger – hier der Bundesagentur für Arbeit – gewährt werden kann. Die Schnittstellenproblematik stellt sich verschärft gerade bei denjenigen Trägern der Grundsicherung, die für die Ausbildungsstellenvermittlung selber zuständig sind und diese Aufgabe nicht an die Arbeitsagentur übertragen haben. … – Die personelle Kontinuität der FallmanagerInnen und persönlichen AnsprechpartnerInnen bei den Trägern der Grundsicherung muss gesteigert werden, denn Dreh- und Angelpunkt einer guten Förderung und Betreuung der Jugendlichen sowie der nachhaltigen Kooperation sind qualifizierte Fachkräfte in den öffentlichen Verwaltungen und bei freien Trägern. Die Arbeitsagenturen, Jugendämter, Träger der Grundsicherung und die Träger der Jugendsozialarbeit sollen Institutionen übergreifende Qualifizierungen ihrer MitarbeiterInnen, z. B. durch gemeinsame Fortbildungsangebote auch bei freien Trägern, unterstützen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert dazu auf, die unterschiedlichen Bundesprogramme der einzelnen Bundesressorts (v. a. BMAS, BMBF, BMFSFJ) untereinander sowie die Programme von Bund und Ländern in der beruflichen und sozialen Förderung von Jugendlichen besser aufeinander abzustimmen. Mit einer Weiterentwicklung der Fördervorhaben von Bund und Ländern verbindet der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit auch die Erwartung, dass längerfristige Planungsmöglichkeiten für die Träger der Jugendsozialarbeit entstehen und es eine verlässliche, finanzielle und personelle Ausstattung für die Jugendsozialarbeit geben wird. Die zukünftige Bildungsberichterstattung soll die Wissenslücken über die Effektivität der Angebote im Übergangssystem schließen, auf die im Nationalen Bildungsbericht hingewiesen wurde. Die örtlichen Akteure dürfen in ihren Bemühungen um eine lokale Vernetzung der Angebote am Übergang von der Schule in den Beruf nicht länger allein gelassen werden. Vielmehr liegt in den vielfältigen und häufig unabgestimmten Programmen von Bund und Ländern ein wesentlicher Grund für die Schwierigkeiten, vor Ort zu abgestimmten Maßnahmen und Angeboten zu kommen. Auch vor diesem Hintergrund hat der 2. Nationale Bildungsbericht eine mangelnde Effektivität des Übergangssystems kritisiert. Es fehlen wichtige Forschungsergebnisse zu der Frage, wie effektiv einzelne Maßnahmen sind und wie sie im Vergleich miteinander wirken. AUSBLICK Perspektivisch müssen in den unterschiedlichen Gesetzen zur sozialen und beruflichen Integration von Jugendlichen jugendpolitische Ziele gestärkt werden. Die drei Rechtssysteme SGB II, III und VIII folgen verschiedenen Logiken, die nicht nur im Konflikt zueinander stehen, sondern sich teilweise sogar ausschließen (v. a. Förderung der Integration in Ausbildung und Arbeit versus Förderung der Persönlichkeitsentwicklung). Dass bislang für das Heranwachsen junger Menschen unterschiedliche Wertmaßstäbe zugrunde gelegt werden, die willkürlich je nach Rechtskreiszugehörigkeit für diese jungen Menschen gelten, ist kaum zu begründen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit setzt sich darum dafür ein, jugendpolitische Ziele – wie sie das SGB VIII vorsieht – auch stärker im SGB II und III zu verankern: – die Entwicklung junger Menschen zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, – der Ausgleich sozialer und individueller Benachteiligungen von jungen Menschen, – die Stärkung von Rechtsansprüchen junger Menschen für ihre soziale und berufliche Integration, – der Vorrang von Ausbildung bzw. ausbildungsfördernder Qualifizierung gegenüber einer Beschäftigung, – die Verkürzung von Arbeitslosigkeit und Ausbildungsstellensuche. “ Das Papier in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit
Dokumente: Positionspapier_KV_JSA_Foerderung_optimieren_Schnittstellen_klaeren.pdf