Modernisierung der Berufsausbildung in Deutschland erforderlich

IM INTERNATIONALEN VERGLEICH SCHNEIDET DEUTSCHLAND SCHLECHT AB Das duale Ausbildungssystem in Deutschland muss dringend reformiert werden. Das ist das Ergebnis einer an der Universität Bremen durchgeführten Studie über die dualen Ausbildungssysteme in der Bundesrepublik, Dänemark, Österreich und der Schweiz. Die vergleichende Studie wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Ziel war es, die Qualität der Steuerung der Systeme zu untersuchen und wie die vier Länder auf dem Weg zu einer europäischen Berufsbildungsarchitektur die Stärken ihrer Systeme besser zur Geltung bringen können. Auch wurden 20 Handlungsempfehlungen für die deutsche Berufsbildungspolitik ausgesprochen. Auszüge aus der Studie „STEUERUNG DER BERUFLICHEN BILDUNG IM INTERNATIONALEN VERGLEICH: “ … Zur Bedeutung von Steuerungsfragen in der beruflichen Bildung Das deutsche System der dualen Berufsausbildung gerät zunehmend unter Druck. Auf dem Weg zu einem sich immer weiter öffnenden gesamteuropäischen Bildungsraum stellt sich die Frage, wie innovativ, attraktiv, flexibel, integrationsstark und strukturell zukunftsfähig die duale Berufsausbildung in Deutschland ist. Vor dem Hintergrund dieser Dynamik sowie steigender Ansprüche im Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist es jedoch nicht damit getan, Defizite in wahlpolitischer Manier symptomatisch zu beheben. Ein durch Prämienzahlung kurzfristig erhöhtes Lehrstellenangebot sowie in einzelnen Branchen selektiv ansetzende und zeitlich nur befristete Ausbildungsplatzprogramme führen vielleicht zu einer kurzzeitigen Verbesserung der Statistiken. Sie ändern aber weder etwas an den strukturellen Schwächen des deutschen Berufsausbildungssystems noch führen sie zu dessen nachhaltiger Entwicklung. Das duale Ausbildungssystem muss vielmehr Anpassungsleistungen erbringen, die – fernab tagespolitischer Betrachtungen oder detailorientierter Einzelfalllösungen – durch eine grundlegend verbesserte Steuerung über alle Ebenen jede Lehr- und Ausbildungsinstitution erreichen und damit in der Fläche für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung sorgen. … Handlungsempfehlungen für Deutschland: Lernen von der Schweiz Integrierte bundesstaatliche Regelung der beruflichen Bildung Die Fragmentierung der Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen des deutschen Berufsbildungssystems lässt sich nur überwinden, wenn es gelingt, nach dem Vorbild der anderen Länder – besonders der Schweiz – die berufliche Bildung in ihrer Gänze bundesstaatlich zu regeln und die institutionellen Voraussetzungen für ihre „Steuerung aus einer Hand“ in der Form eines Bundesamtes für berufliche Bildung so zu realisieren, dass zugleich die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten aller Akteure nach dem Prinzip der Subsidiarität bei der Ausgestaltung und Durchführung der beruflichen Bildung gestärkt werden. Vorbildlich ist der von der Schweiz 1999 beschrittene Weg einer Verfassungsänderung, der die Grundlage dafür gelegt hat, ein Berufsbildungsgesetz zu schaffen, mit dem der Gesamtzusammenhang beruflicher Bildung in Form eines Rahmengesetzes geregelt werden konnte. Damit wurde es möglich, den Dualismus zwischen „Bildung“ als einem Gegenstand unterschiedlicher Rechtssphären aufzuheben. Die Schweiz hat durch den Bundesgesetzgeber die berufliche Bildung mit ihren vielfältigen Bezügen zur Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie zur Wirtschafts- und Innovationspolitik im Zusammenhang geregelt, und sie hat damit die Voraussetzung für die Steuerung der beruflichen Bildung ganz entscheidend verbessert. Deutschland hat dagegen durch die Föderalismusreform einen Weg beschritten, der die Steuerung der beruflichen Bildung – vor allem der dualen Berufsausbildung – und ihre Integration in das Bildungssystem zusätzlich erschwert. Dies betrifft in besonderer Weise die Übergänge – von der Schule in die Berufsausbildung (erste Schwelle) – von der beruflichen Bildung zur hochschulischen Bildung – zwischen beruflicher Erstausbildung und beruflicher Weiterbildung sowie – die Lernortkooperation. Die Zuordnung des Lernortes Schule zur Rechtssphäre Bildung (in der Zuständigkeit der Bundesländer) und des Lernortes Betrieb zur Rechtssphäre Wirtschaft sowie die daraus resultierenden Abschottungen der beiden Lernorte gegeneinander konnten auch durch eine Vielzahl von Initiativen zur Verbesserung der Lernortkooperation nicht nachhaltig überwunden werden. Der Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes als eines Gesetzes der Wirtschaftsverfassung ist die berufliche Bildung, soweit sie nicht in die Zuständigkeiten der Bundesländer fällt – und dies sind alle Formen schulischer beruflicher Bildung. Sowohl die Schweiz als auch mit einiger Einschränkung Dänemark steuern ihr Berufsbildungssystem auf der Grundlage eines zusammenhängenden Berufsbildungsgesetzes, Dänemark ordnet alle Steuerungsaufgaben auf nationaler Ebene dem Bildungsministerium zu und definiert die berufliche Bildung als einen Gegenstand der Bildungsgesetzgebung. Die Schweiz behält, trotz der weitreichenden Reformen auf der Grundlage eines einzigen Berufsbildungsgesetzes, die Pluralität der Steuerung des beruflichen Bildungssystems bei, indem sie die berufliche Bildung als eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes, der Kantone sowie der Organisationen der Arbeitswelt (OdA) definiert. Während einerseits im Berufsbildungsgesetz Bildungsziele verankert werden (BBG, Art. 3a–e), ist andererseits das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) regierungsseitig dem Wirtschaftsressort zugeordnet. Um die plurale Steuerung in seiner Balance zwischen Bildung, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik zu gewährleisten, wurde als ein wichtiges Steuerungsorgan die eidgenössische Berufsbildungskommission (EBBK) eingerichtet. Insgesamt ist es sowohl Dänemark als auch der Schweiz gelungen, im Zusammenspiel zwischen den legislativen und exekutiven Steuerungsinstrumenten eine für Deutschland geradezu vorbildlich koordinierte plurale Steuerung ihrer Berufsbildungssysteme zu realisieren. Erste Handlungsempfehlung: Schaffung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Berufsbildungsgesetz oder -rahmengesetz nach dem Vorbild der Schweiz, das die Grundlagen dafür bietet, die berufliche Bildung in ihrer Gesamtheit, soweit sie nicht an Hochschulen durchgeführt wird, in einem schlanken Gesetz zu regeln. Realisierung einer koordinierten pluralen Steuerung beruflicher Bildung Deutschland ist weit entfernt von einem gelingenden Zusammenwirken der Akteure. Die Realisierung einer koordinierten Balance zwischen den bildungs-, wirtschafts-, arbeitsmarkt-, jugend- und sozialpolitischen Dimensionen der Berufsbildungspolitik und -verwaltung erfordert die Einrichtung von Berufsbildungsämtern auf Länder- und Bundesebene, in denen die Steuerungs-, Unterstützungs- und Verwaltungsfunktionen – soweit diese staatlich wahrzunehmen sind – gebündelt werden. Die Ämterstruktur erlaubt es außerdem, die Aufgabenteilung bei der Wahrnehmung von hoheitlichen und nicht hoheitlichen Steuerungs- und Unterstützungsaufgaben zwischen Staat und Wirtschaft komplementär zueinander – und damit transparent – zu gestalten. … Diese Form der koordinierten Steuerung der beruflichen Bildung auf nationaler Ebene „aus einer Hand“ schließt die Rückbindung der Berufsbildungssteuerung durch das Bundesamt für Berufliche Bildung an die Aufgaben der unterschiedlichen Ressorts und der durch diese repräsentierten Politikfelder ebenso ein wie die Moderation des nationalen Berufsbildungsdialoges mit den Organisationen der Arbeitswelt (zum Beispiel den Berufsfachkommissionen), des Bildungswesens, den auf Länderebene (Kantone) etablierten Institutionen der Berufsbildungsverwaltung und –steuerung sowie der Förderung und Koordination der universitären Berufsbildungsforschung auf der Grundlage nationaler Förderprogramme. Zweite Handlungsempfehlung: Bündelung der gesamtstaatlichen Steuerungsfunktionen in einem Bundesamt für Berufsbildung, das mit vergleichbaren Kompetenzen ausgestattet ist wie das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) der Schweiz sowie Errichtung von Landesämtern für Berufsbildung. Die in Deutschland auf das Bildungs- und Wirtschafts- sowie das Arbeits- und das Gesundheitsressort des Bundes aufgeteilten Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen für die berufliche Bildung setzen sich auf der Landesebene fort. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wurden in einigen Bundesländern (z. B. Niedersachsen und Bremen) einige dieser Funktionen im Bildungsressort gebündelt. Beide Varianten sind problematisch. Die verteilte Steuerung hat sich ebenso wenig bewährt wie die Konzentration der Steuerungs- und Unterstützungsaufgaben in einem Ressort. … Durch eine Etablierung der Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen in einem Landesamt für berufliche Bildung, das einerseits dem Bundesamt nachgeordnet ist und zugleich originäre Landesaufgaben wahrnimmt, die der Landesebene bei der Ausgestaltung der intermediären Ebene zugeordnet sind, wird eine koordinierte plurale Steuerung ermöglicht. Als Vorbilder kommen die kantonalen Berufsbildungsämter in der Schweiz in Betracht, in denen die Funktionen der Aufsicht über die Berufsbildung gemäß Art. 24 BBG gebündelt sind. Diese Aufgaben umfassen die Beratung und Begleitung der Lehrvertragsparteien, die Aufsicht im Bereich der Lehrverträge, die Koordination zwischen den an der beruflichen Grundbildung Beteiligten (Betrieb, überbetrieblicher Kurse und Berufsfachschule), die Qualitätssicherung in der betrieblichen und schulischen Bildung und die Durchführung der Qualifikationsverfahren. Der letztgenannte Begriff umfasst sowohl die Abschlussprüfungen im Rahmen der beruflichen Erstausbildung als auch Verfahren der Anerkennung von Lernleistungen, die außerhalb der regulären Berufsausbildung erbracht wurden. Nicht alle Aufgaben, die in der Schweiz Teil der kantonalen Berufsbildungsaufsicht sind, sind jedoch für eine Wahrnehmung durch die für Deutschland vorgeschlagenen Landesämter geeignet, da hier der traditionelle Verantwortungsbereich der Kammern berührt wird. Die Handlungsempfehlung versteht sich daher als Initiative zu einer klaren Abgrenzung zwischen hoheitlichen Aufgaben und Dienstleistungsfunktionen auf der lokalen Ebene. Während hoheitliche Funktionen wie die Zulassung von Ausbildungsbetrieben, die Aufsicht über die Lehrverträge oder die Organisation von Prüfungsverfahren den Landesämtern vorbehalten bleiben sollten, ist für die Kammern eine Stärkung ihrer Dienstleistungsfunktionen, etwa im Bereich der Ausbildungsberatung, der Organisation von Ausbildungspartnerschaften oder der Qualitätssicherung im Bereich der betrieblichen Ausbildung, aber auch bei der Organisation und Gestaltung der beruflichen Bildung an beruflichen Schulen durch die Mitwirkung an Leitungs- oder Beratungsgremien, anzustreben. … Verankerung innovativer Strukturen in den Prozessen der Steuerung und Gestaltung beruflicher Bildung Die berufliche Bildung ist durch ihre unmittelbare Anbindung und Einbindung in/an den Arbeitsmarkt, die Prozesse der betrieblichen Organisationsentwicklung sowie den technischen Wandel und seine Bewältigung durch technologische Innovationen in besonderer Weise auf Innovationen angewiesen. Dies betrifft die Inhalte und Lernformen beruflicher Bildung, die Berufsbilder sowie die Organisation von Innovationen im Zusammenspiel zwischen Berufsbildungspolitik, Berufsbildungspraxis, Berufsbildungsplanung und Berufsbildungsforschung. … Die gesetzlichen Regelungen für Innovationen im Bereich der dualen Berufsbildung beziehen sich vor allem auf die Aufgaben der Berufsbildungsforschung. Erstmalig ist die Berufsbildungsforschung mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (2005) als eine vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) unabhängige Forschung gesetzlich verankert. Diese Regelung birgt erhebliche Innovationspotenziale. Ob und in welcher Form diese Ziele bei der Förderung der Berufsbildungsforschung umgesetzt werden, ist zurzeit jedoch nicht absehbar. Insgesamt bleibt die Innovationspraxis weit hinter den Erfordernissen eines innovativen dualen Berufsbildungssystems zurück. In der Schweiz hingegen wurde mit dem neuen Berufsbildungsgesetz eine vielfältige Innovationsstrategie und -praxis implementiert. Auch Dänemark zeichnet sich durch eine innovative Berufsbildungspolitik aus, die in ihrem Kern darauf zielt, die Innovationspotenziale der lokalen Institutionen und Akteure durch Stärkung ihrer Autonomie hinsichtlich der Ausfüllung der nationalen Rahmencurricula besser auszuschöpfen. Das dänische Bildungsministerium ist Träger und Initiator für Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Bereich der Berufsbildung. Dies gilt vor allem für die gesetzlichen Regelungen zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen im Bereich der Qualitätsentwicklung sowie für die wissenschaftliche Begleitung bei der Einführung neuer Bildungsprogramme und Bildungsgänge. … Vierte Handlungsempfehlung: Aufwertung der auf Bundesebene etablierten Funktionen der Berufsbildungsforschung im BIBB, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und Deutschen Jugendinstitut (DJI) in einer Berufsbildungsforschung in der Form eines oder mehrerer Max-Planck-Institute. Die auf diese Weise etablierte außeruniversitäre Berufsbildungsforschung übernimmt zusätzlich zu ihren Forschungsaufgaben die folgenden Funktionen: Koordination der domänenspezifischen Qualifikations- und Berufsforschung und der Curriculumforschung Projektträgerschaft für Forschungs- und Entwicklungsprogramme zur Förderung der universitären und außeruniversitären Berufsbildungsforschung wegen der wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Bedeutung, die der Berufsbildungsforschung zukommt, ist es erforderlich, neben der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gestützten Grundlagenforschung Forschungs- und Entwicklungsaufgaben zu etablieren, die stärker anwendungsorientiert ausgerichtet sind: Projektträgerschaft für die Förderung von Graduiertenprogrammen zur Entwicklung der beruflichen Wissenschaften, der Berufspädagogik und anderer human- und sozialwissenschaftlicher Schwerpunkte der Berufsbildungsforschung sowie international vergleichende Berufsbildungsforschung unter Einschluss der bildungsökonomischen Forschung Politikberatung in Kooperation mit dem Bundesamt und den Bundesinstituten der Berufsbildungsforschung. Fünfte Handlungsempfehlung: Etablierung einer Innovationsstrategie für die berufliche Bildung. Die Qualifizierung der Beschäftigten für den intermediären Sektor betrifft knapp zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland und gilt zu Recht als Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die Dynamik des internationalen Qualitätswettbewerbs sowie die Notwendigkeit der schlanken und zugleich effizienten Organisation staatlicher und öffentlicher Aufgaben erfordern ein hohes Innovationsniveau. Die Etablierung einer Innovationsstrategie einer beruflichen Bildung muss bereits in einem neuen Berufsbildungsgesetz verankert werden. Das bedeutet, dass alle Regelbereiche nach ihrer innovativen Funktion hin abzuschätzen sind. Innovation kann dann zu einer durchgängig zu berücksichtigenden Dimension der gesetzlichen Grundlagen für die berufliche Bildung werden. Ein so angelegtes Berufsbildungsgesetz würde auf diese Weise zu einem Berufsbildungs-Entwicklungsgesetz. Beispielhaft ist auch hier das Schweizer Berufsbildungsgesetz, das bereits im ersten Kapitel vielfältige, auf Innovationen zielende Regelungen enthält. – Anzustreben sei eine Berufsbildung in „zukunftsfähigen Berufsfeldern“ (Artikel 1). – Artikel 4 regelt die „Entwicklung der Berufsbildung“. Dazu heißt es u. a.: „Zur Entwicklung der Berufsbildung fördert der Bund Studien, Pilotversuche, die Berufsbildungsforschung und die Schaffung tragfähiger Strukturen in neuen Berufsbildungsbereichen. „Die Qualität und die Unabhängigkeit der Berufsbildungsforschung müssen durch qualifizierte Forschungseinrichtungen gewährleistet werden“. – Artikel 8 der Allgemeinen Bestimmungen (1. Kapitel) regelt die Qualitätsentwicklung und Artikel 9 ist die Grundlage für die „Förderung der Durchlässigkeit“ innerhalb der Berufsbildung sowie zwischen Berufsbildung und dem übrigen Bildungsbereich. Die innovative Steuerung und Gestaltung der beruflichen Bildung erfordert das Zusammenwirken von Berufsbildungspraxis, Berufsbildungspolitik und Berufsbildungsforschung. Über innovatives Potenzial verfügt in Deutschland vor allem die Berufsbildungspraxis mit ihren beruflichen Schulen und den Ausbildungsbetrieben. Für das Erreichen und Aufrechterhalten einer hohen Qualität beruflicher Bildung – in der Perspektive des lebenslangen Lernens – muss vor allem die Berufsbildungsforschung mit ihren berufsfeldspezifischen Verzweigungen als unversitäre und außeruniversitäre Forschungsinfrastruktur wettbewerbsfähig etabliert werden. Dies sollte die Reetablierung der Modellversuchstradition als eine zwischen Praxis, Forschung und Politik/Verwaltung vermittelnde Innovationspraxis einschließen. … Finanzierung der beruflichen Bildung Die Finanzierung der beruflichen Bildung betrifft – die beruflichen Schulen – die berufliche Weiterbildung – die Qualifizierungsmaßnahmen beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung. … Die Kosten-Nutzen-Untersuchung des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK 1998) sowie die jüngste Untersuchung der Bremer Landesinitiative Innovative Berufsbildung 2010 (2008) zeigen, dass auch für Deutschland davon ausgegangen werden kann, dass die betriebliche Berufsausbildung so gestaltet werden kann, dass sie sich selbst finanziert und durchschnittlich ebenfalls Nettoerträge erbringt. Ein für diesen Zusammenhang zentrales Untersuchungsergebnis zur Rentabilität und Qualität der Ausbildung besteht darin, dass eine hohe Ausbildungsqualität nicht zu einer Erhöhung der Ausbildungskosten führt (ZDK 1998: 48). In der Bremer Studie wird eine positive Korrelation zwischen Qualität und Rentabilität nachgewiesen. Zur Verbesserung der Kosten-Nutzen-Relation und der Qualität der betrieblichen Berufsausbildung schlagen Cramer und Müller (1994) u. a. vor: – Aktualität der Ausbildung sichern – Betriebsausbildung gezielt vorbereiten – Ausbildung am Arbeitsplatz fördern – Ausbildungszeiten in den Lehrwerkstätten verringern – Ausbildung in Betrieb und Berufschule besser verzahnen (Cramer und Müller 1994: 28 ff.). Daran zeigt sich erneut: Die betriebliche Berufsausbildung ist als ein sich selbst finanzierendes System angelegt. Kosten-Nutzen-Analysen zeigen, dass die Rentabilität der betrieblichen Ausbildung vor allem dann erreicht wird, wenn die Betriebe eine hohe Ausbildungsqualität realisieren und die Tarifpraxis beibehalten wird, die Ausbildungsvergütungen an die entsprechenden Fachkräfteecklöhne anzukoppeln. Für die Finanzierung der ergänzenden überbetrieblichen Ausbildung haben sich die Regelungen der Branchen zur Selbstfinanzierung bewährt. In einem von Bund, Ländern und Schulträgern gemeinsam gesteuerten und verwalteten Berufsbildungssystem liegt es nahe, die beruflichen Schulen auf der Grundlage bundeseinheitlicher Qualitätsstandards für ihre räumliche, sachliche und personelle Ausstattung gemeinsam zu finanzieren. Sowohl Dänemark, Österreich als auch die Schweiz verfügen über entsprechende Finanzierungs modelle. Im Rahmen ihrer Selbstverwaltung sollten die beruflichen Schulen die ihnen aus öffentlichen Mitteln und eigenen Einkünften aus Bildungsangeboten auf dem Weiterbildungsmarkt zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen selbst bewirtschaften. Neunte Handlungsempfehlung: Die Untersuchungsergebnisse zum Zusammenhang von Rentabilität und Qualität beruflicher Bildung legen nahe, Innovationsprogramme zur Anhebung der Ausbildungsqualität zu etablieren. Diese haben einerseits einen niedrigschwelligen Zugang für die Berufsbildungspraxis zu gewährleisten, andererseits hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Begleitung den anerkannten Standards von Forschung und Entwicklung zu genügen. Balance zwischen Input- und Output-Orientierung Zwischen Input- und Output-Orientierung wird eine Balance hergestellt, nach der anhand entwicklungsoffener Berufsbilder und Ausbildungsordnungen nationale Standards definiert werden und zugleich eine differenzierte lokale Implementation der Standards unter Ausschöpfung der Ausbildungspotenziale der Unternehmen möglich ist. Zehnte Handlungsempfehlung: Etablierung lokaler Berufsfachkonferenzen, in denen die Lehrer und Ausbilder, die für einen bestimmten Beruf ausbilden, festlegen, wie für den jeweiligen Beruf – unter Ausschöpfung der Ausbildungspotenziale der beteiligten Betriebe – lokal ausgebildet werden soll. Die konkreten (Aus)bildungspläne werden vor Ort entwickelt. Dabei wird auch geprüft, wie gegebenenfalls durch eine Ausbildungspartnerschaft zwischen zwei oder mehr Betrieben eine umfassende Ausbildung möglich wird. Elfte Handlungsempfehlung: Das Prinzip der Spezialisierung bei der Ausdifferenzierung von Berufsbildern und Ausbildungsordnungen nach Fachrichtungen und Schwerpunkten wird zugunsten des Konzeptes der breitbandigen Berufe (Kernberufe) aufgegeben. Der Dynamik der betrieblichen Organisationsentwicklung in der Folge der technisch-ökonomischen Entwicklung sowie der Herausbildung eines europäischen Arbeitsmarktes liegt die Entwicklung breitbandiger Kernberufe nahe. Kernberufe basieren auf dem Konzept einer offenen, dynamischen Beruflichkeit. Sie sind offen für – den technologischen Wandel – die Herausbildung neuer Geschäftsfelder und Branchen – die differenzielle, lokale Ausgestaltung in den verschiedenen europäischen Regionen und ihren spezifischen Ausprägungen beruflicher Arbeit in denselben Wirtschaftsbranchen. Es bedarf daher auf der obersten Steuerungsebene der Begründung offener Berufsbilder und der Etablierung einer lokalen/regionalen Berufsbildungssteuerung zur Implementation offener Kernberufe unter Ausschöpfung der Qualifizierungserfordernisse und Ausbildungspotenziale „vor Ort“. Kernberufe werden dabei nicht nur als eine abhängige Variable gegebener Wirtschftsstrukturen interpretiert, sondern auch als eine innovative Größe zur Förderung der lokalen/regionalen Innovationsmilieus. Als ein Vorbild für eine solche Lokalisierung kommt das dänische Modell der lokalen Ausfüllung und Anpassung nationaler Rahmencurricula in Betracht. An Beispielen lässt sich der Unterschied zwischen einem zentralen Steuerungsansatz und einem zwischen Input- und Output-Steuerung ausbalancierten Konzept der Kernberuflichkeit zeigen. Europäisierung beruflicher Bildung Die Europäisierung der beruflichen Bildung schreitet voran. … Dem nicht verbindlichen Europäischen Qualifikationsrahmen kommt eine gewisse normierende Funktion zu. Für die inhaltliche Ausgestaltung einer europäischen Berufsbildungsarchitektur bedarf es der Ausweitung der europaweit etablierten Berufe nach dem Konzept europäischer Kernberufe und einer Angleichung der Berufsbildungsstrukturen – vor allem im Bereich der dualen Berufsausbildung –, verbunden mit einer wechselseitigen Anerkennung der Berufsabschlüsse. Zwölfte Handlungsempfehlung: Von deutscher Seite sollte die Europäisierung der beruflichen Bildung engagiert durch die intensive Beteiligung von Berufsbildungsexperten in den europäischen Institutionen und Projekten unterstützt werden. … Dreizehnte Handlungsempfehlung: Neufassung der EU-Anerkennungsrichtlinie: Die Einordnung der dualen beruflichen Bildungsgänge sowohl in der Erstausbildung als auch im Bereich der beruflichen Weiterbildung erfordert eine Überarbeitung der Anerkennungsrichtlinie 2005/36/EG (s. o.), da die Abschlüsse dualer Bildungsgänge systematisch unterbewertet sind. Vierzehnte Handlungsempfehlung: Die Berufsfähigkeit (berufliche Handlungskompetenz) sollte als übergeordnetes Kriterium für die Einordnung beruflicher Bildungsgänge und -abschlüsse sowohl in Deutschland als auch in Europa eingeführt werden. … “ Die Studie in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.

http://www.ibb.uni-bremen.de/fileadmin/user/Vergleichende_Berufsbildungsforschung/Governance_Studie/Kurzfassung_Governance-Studie.PDF

Quelle: Bertelsmann Stiftung bildungsklick.de

Dokumente: Kurzfassung_Governance_Studie.pdf

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