Ausgrenzung junger Menschen verhindern – neue Wege in der Förderung gehen

Auszüge aus dem Positionspapier des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit Ausgrenzung junger Menschen verhindern – neue Wege in der Förderung gehen und Jugendsozialarbeit stärken:

Situationsbeschreibung
… Zwar erfahren junge Menschen – und hier vor allem in Bezug auf den Ausbildungs‐und Arbeitsmarkt unter demografischen Aspekten des „Fachkräftemangels“ – zunehmend neue Aufmerksamkeit, doch steht diese vorrangig unter dem Zeichen der ökonomischen Verwertbarkeit der „Ressource Mensch“. Die Lebenslagen, die Probleme und die eigenen Interessen der jungen Menschen bleiben dabei häufig unbeachtet.

Jugendsozialarbeit hat den Anspruch und den gesetzlichen Auftrag, sozialer Benachteiligung und Desintegration junger Menschen – pädagogisch auf der individuellen und durch Interessenvertretung auf der strukturellen Ebene – entgegenzuwirken. In der Praxis stehen diesem Anspruch allerdings große Defizite in der Bildungs‐, Sozial‐ und Arbeitsmarktpolitik entgegen. Vor allem im mangelhaften Zusammenwirken sozialer Hilfesysteme – an den so genannten Schnittstellen – kommt es dadurch häufig zu entgegen gesetzten, exkludierenden Wirkungen, so dass immer wieder Jugendliche durch die bestehenden Hilfenetze fallen können, ohne wirksame Unterstützung zu erfahren. …

Wichtige Dimensionen der Ausgrenzung ## Lebensphase Jugend: Jugendliche und junge Erwachsene stehen zahlreichen (Heraus‐)Forderungen gegenüber, die durch die Lebensphase „Jugend“ bedingt sind. … Die Jugendforschung belegt, dass sich Entwicklungs‐ und Handlungsspielräume junger Menschen von Anfang an stark unterscheiden und auch immer stärker variieren. Verfügen junge Menschen über das notwendige „Rüstzeug“ (gute Schulbildung, stabile und wertschätzende Familienverhältnisse und
soziale Beziehungen), vermögen sie auch ihren Lebensweg selbstständig zu planen und zu gestalten. Für Jugendliche, die diese Voraussetzungen nicht mitbringen, gestaltet sich die vermeintliche Entscheidungsfreiheit jedoch schwierig. Ihnen bleiben real kaum Optionen – eine optimistische Zukunftsplanung liegt ihnen eher fern, weil sie überwiegend Misserfolge und Scheitern kennen gelernt haben. So führt soziale Benachteiligung zur Reduzierung von Zukunftschancen.
##Armut: Auch wenn die Zahlen je nach Erhebungsgrundlage, aber auch nach Region und Bundesland, durchaus variieren, ist ein Befund eindeutig: Jugendliche sind überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen … Während aber Kinder‐ und Altersarmut in der öffentlichen Debatte präsent sind, wird Jugendarmut gesellschaftlich kaum wahrgenommen. Sie schränkt jedoch nicht nur Bildungschancen,
die Freizeit‐ und Sportgestaltung ein und begrenzt damit soziale Teilhabe und Selbstwirksamkeit in der Jugendphase, sie setzt sich in der Regel auch im Erwachsenenalter fort und führt zu langfristiger Ausgrenzung aus lebenswichtigen gesellschaftlichen Bereichen.
##Bildung: Unverändert hoch ist der Anteil junger Menschen, die im bestehenden Bildungs‐ und Ausbildungssystem auf strukturelle Hemmnisse stoßen und chancenlos bleiben: Manche Jugendliche können schon wegen ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Situation weder die Schule besuchen noch eine Ausbildung beginnen. Aktuell verlassen außerdem zirka 8 % der jungen Menschen in Deutschland die Schule ohne Abschluss. … 17 % der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren bleiben
langfristig ohne Berufsabschluss. … Nach wie vor wechselt mehr als ein Drittel aller Jugendlichen nach der Schule in Maßnahmen des Übergangssystems statt in Ausbildung. Trotz des sich dramatisch entwickelnden Fachkräftemangels werden weder genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt noch kommt es zu ausreichenden Aktivitäten, um Bewerber/‐innen mit Förderbedarf an Ausbildung heranzuführen bzw. in Ausbildung zu integrieren. …

Benötigt wird ein rechtskreisübergreifendes Konzept der Unterstützung
Der Kooperationsverbund und die durch ihn vertretenen Träger der Jugendsozialarbeit setzen sich dafür ein, dass besonders benachteiligte Jugendliche eine individuell passende Förderung erhalten und befähigt werden, eine Ausbildung zu bewältigen. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen: Jugendliche können mit niedrigschwelligen Projekten und Maßnahmen der Jugendsozialarbeit erreicht und nachhaltig gefördert werden – Voraussetzung ist hier eine pädagogische, ressourcenorientierte Grundhaltung, die auf akzeptierenden Beziehungen und Wertschätzung basiert und auf soziale Inklusion zielt. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen für Schritte in Richtung Teilhabe, (Aus‐)Bildung und Arbeit. Hierfür sind auf der kommunalen Ebene verlässliche Unterstützungsund Bildungsformen sowie Anlaufstellen für diejenigen jungen Menschen bereitzustellen, die von den bestehenden Programmen und Maßnahmen (der anderen Rechtskreise wie auch der Jugendhilfe) nicht mehr erreicht oder nicht ausreichend gefördert werden. Die Kommune und die Jugendhilfe müssen dazu ihrer Verantwortung im Bereich der Jugendsozialarbeit gerecht werden und die hieraus resultierenden Aufgaben übernehmen. Konkret sieht der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit für die unterschiedlichen Akteure die folgenden Handlungsbedarfe:

Handlungsbedarfe auf kommunaler Ebene: ## Unabdingbar ist eine offensive Vertretung der Interessen junger Menschen durch eine kommunale Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe im Zusammenwirken mit anderen Bereichen, insbesondere der Bildungspolitik, Städtebauplanung, kommunalen Beschäftigungspolitik und Wirtschaftsförderung. Aus Sicht des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit kommt dabei den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe bzw. der Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) unter Einbeziehung der Freien Träger in der Koordination und als Anwalt der Jugendlichen eine führende Rolle zu. Grundlage sind dafür in jedem Fall ein Monitoring, eine Bedarfserhebung und eine umfassende Jugend(berufs)hilfeplanung am Übergang Schule‐Beruf.
##…
##Im Rahmen des Bildungs‐ und Teilhabepakets stehen den Kommunen nun Bundesmittel zum Ausbau der Schulsozialarbeit zur Verfügung. Diese müssen umgehend genutzt werden, um tatsächlich Angebote der Jugendsozialarbeit an den Schulen auszuweiten und bundesweit 3.000 weitere Fachkräfte für die sozialpädagogische Unterstützung der Schüler/‐innen einzustellen.
##Bestandteil eines notwendigen niedrigschwelligen Angebots ist die flächendeckende Einrichtung gemeinsamer, rechtskreisübergreifender Anlaufstellen für Jugendliche in den Kommunen, die in Form von Jugendberatungshäusern, Jugendagenturen o. ä. Hilfen aus einer Hand bieten. Bestehende Beispiele geben bereits heute wertvolle Hinweise zur Organisations‐ und Finanzierungsstruktur.
##Ansätze eines regionalen und lokalen Übergangsmanagements müssen weiterentwickelt werden, damit wirksame regionale Integrationsstrategien für junge Menschen umgesetzt werden können. Dies muss integrativer Bestandteil einer kommunalen Strategie der Bildungs- und Jugendpolitik werden, die einhergeht mit der Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung aller beteiligten Akteure für die berufliche und soziale Integration der betroffenen Jugendlichen.

Handlungsbedarfe auf Bundesebene: ##Das Verhältnis von Jugendhilfe und Arbeitsförderung für junge Menschen mit komplexen Hilfebedarfen ist neu zu bestimmen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert, dass bedarfsgerechte Angebote der Jugendhilfe (SGB VIII) und hier insbesondere der Jugendsozialarbeit (§ 13) zur besseren sozialen Integration junger Menschen in allen Kommunen ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Wir halten es zudem für unabdingbar, dass Leistungen der Jugendsozialarbeit gemäß § 13 SGB VIII dann vorrangig zur Anwendung kommen, wenn bei sozial und individuell benachteiligten Jugendlichen nicht die Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung, sondern die Überwindung sozialer bzw. individueller Beeinträchtigungen im Vordergrund steht. Weil dies in der Praxis oft missachtet wird, empfehlen wir eine rechtliche Klarstellung in § 13 SGB VIII.
##In diesem Sinne müssen die Angebote der Jugendsozialarbeit vorrangig gegenüber den Eingliederungsleistungen des SGB II bzw. des SGB III greifen. Die Kommunen müssen hierfür finanziell besser ausgestattet werden.
##Die Sanktionsregelungen im SGB II für junge Menschen müssen geändert werden, damit nicht der Fall eintreten kann, dass junge Hilfsbedürftige ohne jede Unterstützung bleiben.
##…

Die angekündigten Kürzungen der Integrationsmittel bei der Bundesagentur sowie die weiteren Einschränkungen, die sich durch die geplante Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ergeben, werden die Möglichkeiten, förderbedürftigen jungen Menschen auf kommunaler Ebene Teilhabe, Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen, zusätzlich erschweren. Der Kooperationsverbund kritisiert diese Pläne und setzt sich dafür ein, dass auf Bundesebene die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden, die erfolgreiche und verlässliche Netzwerke und Kooperationen von der Schule bis in den Beruf in den Rechtskreisen SGB II, III und VIII ermöglichen.

Dafür bedarf es nicht zuletzt eines erweiterten Verständnisses von (Berufs‐)Bildungs‐ und Jugendpolitik, das junge Menschen nicht vorrangig unter kurzfristigen Integrationsanforderungen des Arbeitsmarktes betrachtet, sondern sie als eigenständige Persönlichkeiten wahrnimmt, die Raum und Zeit – und manchmal eben auch Unterstützung – brauchen, eigene Wege zu finden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit bietet an, mit seinen Angeboten, Erfahrungen und Kompetenzen zur Umsetzung einer neuen, kohärenten Förderstrategie sowie zur notwendigen Stärkung der kommunalen Jugendhilfe beizutragen.“

Das Positionspapier des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.

www.jugendsozialarbeit.de
http://www.jugendsozialarbeit.de/163

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Dokumente: KV_zum_DJHT__Ausgrenzung_verhindern__JSA_staerken.pdf

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