Welchen Stellenwert im Deutschen Qualifikationsrahmen erhalten Abitur und Berufsbildung?

Bei der Gestaltung des geplanten Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) sprach sich die Kultusministerkonferenz einstimmig dafür aus, die Zuordnung der Allgemeinen Hochschulreife, der Fachgebundenen Hochschulreife, der Fachhochschulreife und der Abschlüsse der gesamten beruflichen Erstausbildung unter der Maßgabe der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung vorzunehmen.

Die Länderminister befürworten, sowohl die Allgemeine Hochschulreife und die Fachgebundene Hochschulreife als auch entsprechende Berufsabschlüsse auf Stufe 5 der europäischen Skala von Bildungsabschlüssen zu verorten.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Dr. Bernd Althusmann, erklärte: „Uns geht es um angemessene Zuordnungen im Qualifikationsrahmen, die die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung umsetzen, die aber zugleich die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen. Dazu gehören selbstverständlich die beruflichen Bildungsabschlüsse, die wir ebenso angemessen bewertet sehen wollen.“

Um die Transparenz von Lernleistungen und erworbenen Qualifikationen in der EU zu erhöhen, grenzüberschreitende Mobilität und lebenslanges Lernen zu fördern, wurde auf Empfehlung des Europäischen Parlaments 2008 der „Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen“ – EQR (European Qualifications Framework for Lifelong Learning – EQF) vorgelegt, der die Qualifikationen der allgemeinen, beruflichen und hochschulischen Bildung in einem einheitlichen System von acht Niveaustufen abbildet.

Daraufhin haben sich die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) darauf verständigt, gemeinsam einen „Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen“ (DQR) zu entwickeln. Im Frühjahr 2011 hat der mit der Erarbeitung beauftragte Arbeitskreis „Deutscher Qualifikationsrahmen“, in dem neben Bund und Ländern weitere relevante Akteure aus der Allgemeinbildung, der Hochschulbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung, der Sozialpartner und anderer Experten aus Wissenschaft und Praxis beteiligt sind, einen ersten DQR-Vorschlag vorgelegt.

Zur Diskussion über den Deutschen Qualifikationsrahmen erklären der bildungspolitische Sprecher Ernst Dieter Rossmann und der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Garrelt Duin:
Deutschland tut sich weiter schwer mit der Umsetzung der europäischen Initiative zu einem gemeinsamen Qualifikationsrahmen in Europa. Auf der Zielgeraden sind noch wichtige Fragen offen, wie deutsche Ausbildungen Schulen, in Betrieben und an Hochschulen in das vorgegebene 8-stufige Schema eingeordnet werden sollen.

Bei allen dazu notwendigen Abwägungen zwischen den Bildungsbereichen darf ein Grundsatz nicht unter die Räder geraten: Die berufliche Bildung ist gleichwertig mit dem höchsten allgemeinbildenden Abschluss, dem Abitur, und entsprechend im Qualifikationsrahmen aufzunehmen. Vorschläge, in denen der Grossteil der 3 oder 3½-jährigen dualen Ausbildungen tiefer als das Abitur eingeordnet wird, werden den in den Ausbildungsgängen vermittelten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen nicht gerecht. Die SPD-Bundestagsfraktion steht hier an der Seite der Sozialpartner.

Sachlich naheliegend für die SPD-Abgeordneten wäre die Einordnung der Berufsbildung auf den Stufen drei (zweijährige Ausbildungen) und vier sowie des Abiturs gleichwertig auf Stufe vier. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz, das Abitur auf Stufe fünf zu setzen, ist daher in Frage zu stellen. Sollte keine Einigung möglich sein wäre es sinnvoll, die allgemeinbildenden Abschlüsse gar nicht im Qualifikationsrahmen aufzunehmen. Das wäre auch sachlich begründbar, da der Rahmen primär durch mehr Transparenz auf dem europäischen Arbeitsmarkt mehr Mobilität schaffen will und insofern auf beruflich relevante Qualifikationen abstellt.

Das Kolpingwerk NRW kritisiert das Vorhaben der KMK, das Abitur auf Stufe 5 einzuordnen, ebenfalls.
„Berufsausbildung ist alles andere als eine ,Bildung zweiter Klasse‘. Ganz im Gegenteil. Deshalb darf es keine Abwertung für die qualifizierte Berufsausbildung geben.“ Mit dieser deutlichen Forderung kritisierte das Kolpingwerk NRW die Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK), die berufliche Ausbildung gegenüber dem Abitur abzuwerten.

„Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar“, betont Karl Schiewerling MdB, Landesvorsitzender des über 108.000 Mitglieder starken Kolpingwerkes in NRW. Beruflicher Ausbildung und allgemeiner Bildung müsse der gleiche Stellenwert eingeräumt werden, so Schiewerling weiter. Der Kolping-Landesvorsitzende verdeutliche die Fehlentscheidung der Kultusminister in der Lebenspraxis: „Es kann doch nicht sein, dass jemand nach dem Abitur auf Stufe 5 liegt, und durch eine anschließende Berufsausbildung nicht als Weiterentwicklung sondern als Rückschritt auf Stufe 4 wahrgenommen wird.“

Nach Meinung des Kolpingwerkes NRW muss ein Ansehensverlust der international anerkannten dualen Ausbildung Deutschlands unbedingt verhindert werden. Daher fordert das nordrhein-westfälische Kolpingwerk die NRW-Ministerpräsidentin auf, dem Vorschlag der KMK nicht zuzustimmen.“

Quelle: KMK; bildungspolitische Sprecher SPD; Kolping NRW

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