Jugendsozialarbeit und Bildung – Grundlagen für ein Bildungsmonitoring

… Obwohl es nicht Aufgabe der vorliegenden Expertise sein kann, für einzelne bildungspolitische Weichenstellungen und für jedes einzelne Förderprogramm entsprechende Vorschläge zu entwickeln, … , lassen sich einige verallgemeinerbare Kriterien als Anforderungen an die Bildungspolitik und an Förderprogramme zur Unterstützung Jugendlicher beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Erwerbstätigkeit formulieren:
Auszüge aus den „Folgerungen für bildungspolitische Entscheidungen und künftige Förderprogramme“:
Förderung von Bildungsgerechtigkeit
In jeder Lebensphase kann es bei Entscheidungen über den weiteren Bildungsverlauf zu selektiven Chancenzuweisungen kommen, die nicht durch die Leistung gerechtfertigt sind. Dies erfordert vor allem eine Stärkung der institutionellen Durchlässigkeiten, die Ermöglichung unterschiedlicher Wege des Wiedereinstiegs und die Gestaltung von Bildungsgängen nach dem Prinzip „kein Abschluss ohne Anschluss“.

Bildungsgerechtigkeit für die Kinder und Jugendlichen der Risikogruppe kann nur in Verbindung mit einer hohen Leistungsorientierung erreicht werden. Leistung und nicht Herkunft soll über soziale Chancen entscheiden. …

Gestaltung durchlässiger Bildungswege mit flexiblen Übergängen

Notwendig sind zudem mehr motivierend gestaltete Lern- und Bildungszeiten verbunden mit besserer und flexibler Nutzung der schulisch vorhandenen Zeit. Für die Kinder und Jugendlichen der Risikogruppe muss durch Ausweitung des Ganztagsangebots, durch Angebote an Wochenenden oder in den Ferien zusätzlich mehr Lebenszeit für das formelle Lernen genutzt werden.

Flexiblere Handhabung der Schulformfragen vor Ort, die sich in Richtung einer größeren Integration der bestehenden Schulformen bewegen sollten. Hauptschulen sollten auslaufen und durch inklusivere Schulformen ersetzt werden. Dazu sind pragmatische Lösungen und die Akzeptanz im regionalen und lokalen Umfeld erforderlich. Die zur Verringerung der Risikogruppe erforderlichen qualitativen Veränderungen der Lern- und Lehrkulturen lassen sich in Verbindung mit derartigen flächendeckenden Schulstrukturreformen deutlich beschleunigen.

Förderprogramm zur Entwicklung lokaler Verantwortungsgemeinschaften
Um der Förderung von Schülerinnen und Schülern in riskanten Lebenslagen den nötigen Rückhalt zu verleihen, könnte ein zusätzliches Förderprogramm des Bundes und der Länder für die Entwicklung lokaler und regionaler Verantwortungsgemeinschaften für Kindheit und Jugend sinnvoll sein. Die bisherigen Förderprogramme, auch wenn sie zum Teil bereits in diese Richtung gehen, reichen hierzu nicht aus.

Keine Sonderwege für benachteiligte Jugendliche
Bei allen Förderprogrammen ist immer auch die Frage zu stellen, ob sie in ihrer Wirkung dazu angelegt sind, die Selektionsprinzipien und Segmentationsmuster des deutschen Bildungssystems zu erhalten bzw. zu verschärfen oder ob sie zum Abbau von Segmentierung und Ausgrenzung beitragen können. Dies ist gewissermaßen die Folie, auf der die bildungspolitischen Entscheidungen und die Förderprogramme zu analysieren sind. Zu vermeiden sind die Schaffung von Sonderwegen und Parallelsystemen für Benachteiligte und potenziell Ausgegrenzte, soweit diese Sonderwege die Selektivität und die damit verbundenen Prozesse fortführen.

Einbezug der Jugendlichen in die Gestaltung von Fördermaßnahmen
In der Regel sind die Jugendlichen selbst nicht in die Gestaltung der für sie konzipierten Fördermaßnahmen einbezogen und zumeist haben sie auch keine Wahlmöglichkeiten. … Ausbildungsabbrüche als Folge der Akzeptanz von Ausbildungsplätzen dritter oder vierter Wahl, mit denen man sich nicht identifizieren kann, können ein Indiz dafür sein, „dass sich systemische Integrationsmechanismen durchsetzen, auch wenn sie subjektiv nicht gedeckt sind. Der Abbruch ist das Einklagen sozialer Integration, die subjektiven Sinn einschließt“.

Dieses Gefühl setzt sich bei der Berufsberatung und der Arbeitsvermittlung und weiter dann in den Berufsvorbereitenden Maßnahmen fort. „Das Gefühl, lediglich ein Bearbeitungsfall zu sein, führt vor allem bei jungen Männern dazu, dass die eigene Identität zu schützen subjektiv wichtiger ist als eine strategisch-kooperative Haltung. (…) Die Anforderung, erst mal �fit für Arbeit und Ausbildung’ gemacht werden zu müssen, bevor man subjektiv bedeutsame Entscheidungen treffen kann, wirkt sich dann auch auf die bzw. in den Berufsvorbereitungsmaßnahmen aus“.

Es gibt jedoch keinen vernünftigen Grund, Fördermaßnahmen über die Köpfe der Jugendlichen hinweg zu konzipieren und ihre subjektiven Sichtweisen und Erfahrungen nicht ernst zu nehmen und Jugendliche nicht in den Prozess der Vermittlung zwischen individuellen Bedürfnissen und kollektiven Notwendigkeiten einzubeziehen. … „

Darüber hinaus liefert die Expertise von Prof. Dr. Gerhard Christe im Auftrag des AWO-Bundesverbandes Grundlagen für ein regelmäßiges Bildungsmonitoring.

“ Zielsetzung des Bildungsmonitorings für die Jugendsozialarbeit ist es, aktuelle Entwicklungen und Aktivitäten im Bereich allgemeiner und beruflicher Bildung und ihre Rahmenbedingungen kontinuierlich zu beobachten. In den Blick genommen werden sollen dabei insbesondere die vielfältigen und umfangreichen Aktivitäten der Bundes- und Landesministerien sowie übergreifender Bildungsinstitutionen wie Kultusministerkonferenz (KMK), Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bildungsorganisationen der Tarifpartner und andere mehr.
Außerdem sollen länderspezifische und europäische Entwicklungen in der Bildungspolitik sowie einschlägige Forschungsergebnisse und bildungspolitische Studien berücksichtigt werden. Der Bildungsmonitor soll außerdem über die Ergebnisse laufender und auch bereits abgeschlossener neuerer bildungspolitischer Studien, Untersuchungen, Entwicklungen und Programme informieren. Zudem soll der Bildungsmonitor einen Zahlenspiegel zu interessanten bildungspolitischen Daten beinhalten sowie auf aktuelle Stellungnahmen aus Politik und Verbänden zur Bildungspolitik hinweisen.

Der Bildungsmonitor soll dazu beitragen, den Dialog zum Schlüsselthema Bildung zwischen allen Interessierten aus Politik, Jugendsozialarbeit, Wirtschaft und Wissenschaft, denen an einer Verbesserung der Situation benachteiligter Kinder und Jugendlicher gelegen ist, zu intensivieren. Der Bildungsmonitor sollte sparsam mit eigenen Schlussfolgerungen und Bewertungen sein, diese sollen die Leserinnen und Leser selbst aus den präsentierten Befunden ziehen. … “

www.jugendsozialarbeit.de

Quelle: AW Bundesverband

Dokumente: Expertise_Jugendsozialarbeit_und_Bildung_2012.pdf

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