Die Katholische Jugendsozialarbeit Nord führte im Rahmen des Kinder- und Jugendplanes des Bundes ein Modellprojekt mit dem Titel „Entwicklung und Umsetzung interkultureller Kompetenz/Öffnung durch junge Mensche als Peertrainer/in“ durch. In der Praxis hat sich dieses Projekt unter dem Namen „Interkulturelle Peertrainer/innen in der katholischen Jugendsozialarbeit“ etabliert.
Das Projekt brachte junge Menschen und auch die mit ihnen arbeitenden Fachkräfte und Einrichtungen deutlich im Blick auf interkulturelle Öffnung voran und trug zur Demokratieentwicklung bei. Junge Menschen aus Einrichtungen der katholischen Jugendsozialarbeit mit und ohne Migrationsbiographie würden zu sog. Peertrainer/innen für interkulturelle Kompetenz qualifiziert. Gleichzeitig wurde in den Einrichtungen durch das Einsetzen der Peertrainer/innen in Bezug auf interkulturelle Themen sensibilisert und für eine interkulturelle Öffnung geworben.
An dem Projekt nehmen insgesamt drei Träger aus Osnabrück, Hamburg und Berlin teil. 15 junge Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren ließen sich zum/r Peertrainer/in ausbilden. Von ihnen besitzen acht eine Migrationsbiographie.
Das Projekt endete im ersten Quartal 2012 mit einer Abschlussveranstaltung.
Jugendliche erfahren Toleranz und Demokratie durch Peertrainer/-innen
“ Rund 20 Prozent der jungen Bevölkerung in Deutschland weist eine Migrationsbiographie auf. Die Öffentlichkeit sieht diese jungen Menschen eher als „Problemgruppe“, anstatt sie als gesellschaftliches Potenzial wertzuschätzen. Dieses jedoch nicht zu nutzen wäre, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich gesehen, ein hoher Verlust.
Um dem entgegenzuwirken, hat die KJS Region Nord … ein zweijähriges Modellprojekt durchgeführt. In diesem Projekt wurden junge Menschen mit und ohne Migrationsbiographie zu „Peertrainer/innen für interkulturelle Kompetenz“ ausgebildet.
Grundlegend dient das Projekt der Demokratieentwicklung, indem diese jungen Menschen, zunächst begleitet durch Fachkräfte, in Peergruppen vor Ort den Blickwinkel für andere Kulturen öffnen und die unterschiedlichen Perspektiven weiten. Mit der Teilnahme am Projekt haben sich fünfzehn Jugendliche an drei Standorten gerüstet, um als zukünftige Peertrainer/innen zur interkulturellen Öffnung für junge Menschen in der Jugendsozialarbeit beizutragen.
Schlussfolgerungen und Perspektiven für die Jugendsozialarbeit:
Da es sich bei der interkulturellen Öffnung der Einrichtungen um einen fortdauernden (Lern-)Prozess handelt, kann nicht pauschal behauptet werden, dass der Einsatz von interkulturellen Peertrainer/n/innen in einer Einrichtung dabei hilft, sich interkulturell zu öffnen. Denn solche punktuellen Angebote haben einen geringen Einfluss auf die Planung und Steuerung innerhalb einer Einrichtung. Allerdings können interkulturelle Peertrainings innerhalb und außerhalb einer Institution zu einem „Umdenken“ der Fachkräfte oder zur positiven Außendarstellung beitragen. Möglich ist, dass vermehrte Trainings und ihre Wirkung z.B. auf die Besucher/innen eines Jugendzentrums ein Auslöser für eine interne Auseinandersetzung mit Fragen der interkulturellen Kompetenz oder für die Planung in Richtung interkultureller Öffnung der jeweiligen Einrichtung sein können.
In Einrichtungen, die sich bereits im Prozess der interkulturellen Öffnung befinden, zeigt sich, dass der Einsatz von interkulturellen Peertrainer/innen in bereits bestehenden Gruppen oder bei den Besucher/n/innen der Institution eine unterstützende Funktion hat. Diese „Öffnungsform“ betrifft in erster Linie die Zielgruppe der jeweiligen Einrichtung und wird durch vorhandene Strukturen und Erfahrungswerte der Fachkräfte unterstützt. Es lässt sich eindeutig feststellen, dass die Trainings nach dem „Eine Welt der Vielfalt“-Ansatz den Erwerb von interkultureller Kompetenz der jungen Teilnehmenden fördert.
Um valide Aussagen über den Beitrag dieses Modellprojektes zur interkulturellen Öffnung der Einrichtungen zu treffen, fehlen in dieser kurzen Zeit zwischen der Qualifizierungs- und der Praxisphase des Projektes wesentliche Erkenntnisse zu Einsätzen in Eigenverantwortung der Peertrainer/innen.
Bezüglich der grundsätzlichen Wirksamkeit der Peer-Ansätze in der Jugendsozialarbeit gibt es in der Wissenschaft noch keine repräsentativen empirischen Erkenntnisse. Daher lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, dass Peer-Projekte tatsächlich ihrer „reflektiven“ und präventiven Ausrichtung nachgehen und dass der Beteiligungscharakter nicht eher ein Eingreifen in die jugendliche Subkultur darstellt. Denn im Wissen darüber, dass Peergroups hinsichtlich ihrer Kultur, Herkunft, ihres Alters und Geschlechts äußerst heterogen sein können, stellt sich dennoch die Frage: Wer bestimmt, was Jugendliche für Beteiligungsformate brauchen? Und wer legt fest, welcher Unterstützung sie von außen bedürfen? Erkenntnisse jenseits von trainierten Gruppen sowie Langzeiteffekte können bis jetzt noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt werden.
Der Peer-Ansatz ist trotz fehlender verlässlicher wissenschaftlicher Daten ein nutzbringender Versuch, methodisch in die Welt der Jugendlichen „einzutauchen“ und einen Lern- sowie Selbstreflexionsprozess einzuleiten.
Dabei geht es nicht darum, Jugendliche als Zielgruppe eigener sozialpädagogischer Arbeit zu sehen, sondern als gleichwertige Partner zu achten.
Am Beispiel des Modellprojektes „interkulturelle Peertrainer/innen in der katholischen Jugendsozialarbeit“ lassen sich folgende Aussagen formulieren:
## Als Multiplikatoren erfahren gleichaltrige Peertrainer/innen von der Gruppe eine hohe Akzeptanz.
## Teilnehmende mit einem Migrationshintergrund erfahren eine adäquate Wertschätzung und Anerkennung ihrer Migrationsbiographie und „des Mitgebrachten“.
## Konträre Meinungen werden in reflektierter Form besprochen und nicht von vornherein abgelehnt.
## Es wird dazu beigetragen, dass der Wissensstand über das Thema Demokratie, Umgang mit Rassismus, Stigmatisierung und Diskriminierung erweitert wird. Dabei spielt der Fokus auf diese Thematik aus
der Sicht der Gleichaltrigen eine wesentliche Rolle.
## Das Einüben von Selbstpräsentation und Verhaltensrollen wird ermöglicht.
## Ein Peer-Ansatz versteht sich immer als Unterstützung auf der operativen Ebene. Daher dürfen die Peertrainer/innen von den Fachkräften nicht für eigene Zwecke funktionalisiert werden. Auch die Verantwortung zur Klärung prekärer Themen sollte nicht in alleiniger Verantwortung der Peertrainer/innen stehen.
## Peertrainer/innen brauchen eine Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch – auch in Form von Supervision.
Was brauchen PeerProjekte um erfolgreich zu sein?
Peer-Projekte bauen vor Ort auf bereits bestehende Grundstrukturen auf. Diese Strukturen ermöglichen die Realisierung eines Peer-Projektes und fördern seine Wirkung und Nachhaltigkeit. Das setzt wiederum eine gute Organisation innerhalb der Einrichtungen voraus, die für die Entwicklung solcher Projekte von enormer Bedeutung ist. Für die Initiierung und Durchführung eines Peer- Projektes lassen sich auf der Ebene der Träger und Einrichtungen sowie auf Ebene der Projektteilnehmer/innen einige zu standardisierende Schritte
definieren.
Schritt 1: Planung des Projektes
## Analyse der aktuellen Ressourcen unter den Projektverantwortlichen – Stehen der Institution für die Realisierung des Projektes ausreichende personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen zur Verfügung?
## Analyse des Wissensstandes der Projektverantwortlichen über Projektthema und -inhalte – Benötigen die Projektverantwortlichen und am Projekt beteiligten Fachkräfte eine Fortbildung zu den Inhalten ihres Vorhabens?
## Bestimmung der Zielgruppe – An wen soll sich das Projekt richten? Sollten durch dieses Projekt auch „Risikogruppen“ erreicht werden? Wenn ja, wie gestaltet sich der Zugang zu solchen Gruppen?
## Festlegung von Zielen, Modulen, Zeitangaben etc. – Mit welcher Zielsetzung, mit welchen Inhalten und wie lange soll das Projekt durchgeführt werden?
## Sicherstellung der personellen Ressourcen für die Durchführung des Projektes – Ist den Projektverantwortlichen der Mehraufwand bewusst? Besteht die Möglichkeit der Kompensation bzw. einer Stundenaufstockung? Sind die Fachkräfte bereit, an Wochenenden zu arbeiten?
## Mobilisierung anderer Einrichtungen zum gemeinsamen Vorhaben – Sind andere Einrichtungen z.B. im Sozialraum daran interessiert, gemeinsame Peer-Trainings durchzuführen?
um das Projekt erfolgreich durchführen zu können?
## Netzwerkarbeit – Welche Netzwerke müssen aktiviert werden, um das Projekt vor Ort zu etablieren? Wo können die ausgebildeten Peertrainer zukünftig „eingesetzt“ werden?
aus den Reihen der Beschäftigten eine Projektleitung bestimmen?
## Festlegung der Aufgaben – Welche einzelnen Aufgaben gehören zur Projektleitung und -koordination?
## Erarbeitung eines verbindlichen Projektplanes – Wie sehen die Bausteine, die zeitlichen Vorgaben und der Ablauf aus?
## Trainersuche – Welche Trainer eignen sich für das Vorhaben? Ist zu den Trainern bereits
ein Kontakt aufgenommen worden? Sind die Trainer-Honorare bekannt?
## Erstellung eines Kostenplans – Sind alle Kostenstellen – Personal-, Sach- und Reisekosten
– im Kostenplan vermerkt?
## Festlegung der Gruppengröße – Ist die Gruppengröße mit den Trainern abgestimmt? Sind dabei Besonderheiten der einzelnen Teilnehmer/innen berücksichtigt?
## Infoblätter und Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten
## Planung einzelner Bausteine – Sind die Zahl, Dauer und Häufigkeit der Qualifizierungsbausteine
sorgfältig geprüft? Ist dabei die Konstellation der Gruppe berücksichtigt worden?
## Einsatz der Trainer – Sind die Trainer sorgfältig ausgewählt worden? Sind Auftrag und ihre Rolle klar definiert?
## Abstimmung des Lehr- bzw. Trainingsplans – Ist der Lehrplan für die Qualifizierungsbausteine
klar strukturiert und für alle nachvollziehbar?
## Evaluierung – Sind Fragen und Themen für eine Evaluierung dieser Bausteine vorbereitet? Wer führt die Evaluierung durch?
## Anerkennung durch Zertifikatübergabe – Ist eine „Zertifizierung“ der Teilnahme an der Qualifizierung und des erworbenen Wissens geplant? Findet sie in einem entsprechend feierlichen Rahmen statt?
## Interkulturelle Sensibilisierung der Fachkräfte – Haben die zuständigen Fachkräfte Interesse an einer solchen Teilnahme?
eine kontinuierliche fachliche Begleitung der ausgebildeten Peertrainer?
## Supervision – Besteht für die Peertrainer die Möglichkeit, Supervision in Anspruch zu nehmen?
## Professionalisierung – Hält die Einrichtung es für möglich, die Peertrainer/innen bei Bedarf zu sich neu ergebenen Fragen fortzubilden?
## Erhalt der Kontinuität – Wie können die Projektbausteine und das Peer-Training über die Projektdauer hinaus fortgesetzt werden? Wie wird der Trainer-Nachwuchs gesichert?
Um vor allem die Nachhaltigkeit und die Wirksamkeit eines Peer-Projektes zu gewährleisten, bedarf es der Erfüllung einiger Voraussetzungen der Teilnehmenden. Dazu zählen:
## Bereitschaft für den Austausch in Qualifizierungs- und Trainingseinheiten
## Motivation zur Qualifizierung als Peertrainer/in und zur Durchführung eigener Angebote
## Klärung der Rolle zwischen den Trainern und Teilnehmenden während des Trainings
## Festlegung von klaren und verlässlichen Rahmenstrukturen während der Trainings und im gesamten Projekt, die von allen getragen werden
## Aufbau von Kooperationen zu Schulen, Freizeitzentren und anderen Einrichtungen offener Kinder- und Jugendarbeit
## Initiierung von Peer-Netzwerken zur Weitergabe des Peer-Ansatzes an Gleichaltrige.“
Aus dem Projekt resultierte ein
www.nord.jugendsozialarbeit.de
www.nord.jugendsozialarbeit.de/index.php?id=116
Quelle: Katholische Jugendsozialarbeit Nord
Dokumente: Artikel_Sozialcourage.pdf