Bildungschancen für Jugendliche erhöhen – was wirklich zählt

Auszüge aus den Folgerungen und Handlungsansätzen der Studie zu Bildungschancen:
Die Stellschrauben lassen sich durchaus verändern
DER BERICHT ZU den Bildungschancen vor Ort nimmt die Situation von benachteiligten Jugendlichen und hier speziell derjenigen Jugendlichen, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, in den Blick. Es wurde untersucht, welche Faktoren in Städten und Kreisen in Deutschland mit der Quote der Jugendlichen, die keinen Hauptschulabschluss erreichen, zusammenhängen. Denn wo diese Quote hoch ist, haben Jugendliche weniger Chancen als in Städten und Kreisen, in denen nur wenige Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. Es konnte wissenschaftlich erwiesen werden, dass folgende Faktoren mit einer hohen Quote von Abgängern ohne Abschluss zusammenhängen: eine hohe Anzahl von Förderschülern vor Ort, eine hohe Arbeitslosenquote, anteilsmäßig viele Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung, ein hoher Anteil von ausländischen Schülern und ein geringes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der jeweiligen Bevölkerung. Außerdem hat das Bundesland, in dem eine Stadt oder ein Kreis liegt, großen Einfluss auf die Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss. Keinen Einfluss zeigen die Verschuldungssituation des Kreises oder der kreisfreien Stadt und das Stadt-Land-Gefälle. Auch der Anteil der Hauptschüler hat keinen Einfluss.

In einem zweiten Schritt wurde gefragt, wie es Kommunen gelingen kann, Jugendlichen den Schritt in die Zukunft durch einen Hauptschulabschluss zu erleichtern. … Es wurden Fachleute der Caritas in Städten und Kreisen, die eine bessere Quote an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss aufweisen konnten, als nach der statistischen Analyse zu erwarten wäre, nach den Bemühungen vor Ort befragt, die einen Einfluss auf das positive Ergebnis haben könnten. Im Folgenden werden Schlussfolgerungen des Deutschen Caritasverbandes aus den beiden Untersuchungen gezogen.

Schlussfolgerungen aus der empirischen Studie
* Schulsysteme überprüfen – die Länder sind gefordert
Die Studie zeigt: Die Bundesländer haben unterschiedlichen Erfolg bei der Aufgabe, Jugendliche zu einem Hauptschulabschluss zu führen. Bundesländer, die signifikant höhere Quoten an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss aufweisen, tun gut daran, zu überprüfen, welche Ursachen dafür in ihrer Schulpolitik liegen können. Hier sollte die Ideologiedebatte um die Zukunft der Hauptschule nicht im Mittelpunkt stehen. Denn in der Studie konnte kein Einfluss des Anteils der Hauptschüler auf die Quote der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss gefunden werden.

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* Die Ursachen: Viele Faktoren wirken zusammen
Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich ableiten, dass auf der örtlichen Ebene ein ganzes Bündel von sozioökonomischen Faktoren die Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss beeinflusst. In der Untersuchung wird nachgewiesen, dass folgende sozioökonomischen Faktoren vor Ort die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass weniger Schüler ihren Hauptschulabschluss erreichen: Ein hoher Anteil an Förderschülern, eine hohe Arbeitslosenquote, ein niedriges BIP, viele Beschäftigte ohne ohne abgeschlossene Berufsausbildung und auch ein hoher Anteil von ausländischen Schülern sind in ihrer Gesamtheit von relevantem Einfluss. …

Das bedeutet zum einen: Es kann nicht eine örtliche Besonderheit alleine für den hohen Anteil an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss verantwortlich gemacht werden. So ist etwa der pauschale Verweis auf einen hohen Ausländeranteil alleine zur Erklärung nicht zulässig. Zum anderen heißt das aber auch: Es gibt nicht nur eine, sondern viele Stellschrauben, an denen die Kommunen drehen können, um durch eine bessere sozioökonomische Struktur auch mehr erfolgreiche Hauptschulabsolventen zu erreichen.

* Die Arbeitslosigkeit zu senken ist erfolgversprechend
Die Studie weist nach, dass gerade in Städten und Kreisen, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist, viele Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. Dass dieser Zusammenhang tatsächlich besteht, ist nicht nur eine Vermutung, sondern lässt sich statistisch belegen: Je höher die örtliche Arbeitslosenquote, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Schüler ihren Hauptschulabschluss nicht schaffen. Die Effektivität örtlicher Arbeitsmarktprogramme ist daher nicht nur für die Arbeitslosen von Bedeutung, sondern hat zumindest langfristig auch einen nicht unerheblichen Einfluss darauf, wie viele Jugendliche vor Ort ihren Hauptschulabschluss schaffen.

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* Die Anzahl der Förderschüler ist ein Grund zum Nachdenken
Die Studie weist nach, dass in den Kommunen, in denen der Anteil der Förderschüler hoch ist, auch viele Jugendliche ohne Hauptschulabschluss bleiben. Dieses Ergebnis kann logische Folge der Tatsache sein, dass viele Förderschulen nicht zum Hauptschulabschluss führen. Umso wichtiger ist deshalb, dass die Zuweisung eines Schülers an die Förderschule korrekt erfolgt. Auch Prävention durch frühe Förderung kann ein guter Ansatz sein. Förderschulen, in denen viele Jugendliche einen Hauptschulabschluss erreichen, können ein Vorbild sein.

*Zu arm zum Fördern?
… Nicht alle lokalen sozioökonomischen Besonderheiten beeinflussen die Quote von Jugendlichen ohne Schulabschluss. Denn die Verschuldung der Städte und Kreise hat keinen Einfluss auf die Abgängerquote. Es ist also unerheblich, ob eine Stadt oder ein Kreis verschuldet ist oder nicht. … Der Verweis auf fehlende finanzielle Mittel ist somit keine Entschuldigung für hohe Anteile von Schülern ohne Hauptschulabschluss. Ohne Belang ist auch, ob die Jugendlichen in städtischem oder ländlichem Raum leben.

Jugendlichen in städtischem oder ländlichem Raum leben.
Eine schwierige sozioökonomische Situation vor Ort bedeutet nicht, dass gegen eine hohe Quote von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss nichts getan werden kann. In einigen Städten und Kreisen ist diese Quote deutlich niedriger als sie nach ihren strukturellen Rahmenbedingungen zu er warten wäre. Vor Ort gibt es daher auch jenseits der Beeinflussung durch sozioökonomische Faktoren einen Gestaltungsspielraum. …

* Der politische Wille ist das A & O
In der Befragung von Caritas-Praktikern zeigte sich, dass der politische Wille zur Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien entscheidend ist. …

* Verlässliche Schulsozialarbeit
Schulsozialarbeit insbesondere an den Hauptschulen vor Ort wurde in der Befragung ebenfalls von fast allen Teilnehmern als Erfolgsfaktor genannt. Praktisch in jedem befragten Kreis beziehungsweise jeder kreisfreien Stadt ist in allen Hauptschulen zumindest ein Schulsozialarbeiter mit einer halben Stelle verlässlich angestellt. Um Schulsozialarbeit flächendeckend und dauerhaft an diesen Schulen zu installieren, sind Kommunen und Länder gefordert, nachhaltige Finanzierungsstrukturen dafür zu schaffen. …

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* Dem Scheitern zuvorkommen – präventiv arbeiten
Die Befragung hat ergeben, dass es in den befragten Städten und Kreisen mannigfaltige Angebote zur frühen Unterstützung der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien gab. Dies begann mit Frühen Hilfen und setzte sich fort durch sprach- und heilpädagogische Förderung in den Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Beratung bei den Übergängen in die Schule und zwischen den Schularten sowie Beratungsangebote für Eltern oder ihre stärkere Einbeziehung in den Schulbetrieb können dazu beitragen, die Jugendlichen auf ihrem Weg zu einem Hauptschulabschluss zu unterstützen. Im Bereich Lernen und auch bei der persönlichen längerfristigen Begleitung von Kindern und Jugendlichen können ehrenamtliche und/oder freiwillige Arbeit ihren Beitrag leisten. Berufsorientierung schon während der Schulzeit kann, auch zusammen mit einer Kompetenzanalyse, ein sehr wichtiger Baustein sein, um die Jugendlichen auf ihrem Weg zu einem Hauptschulabschluss zu begleiten.

* Schulmüde Jugendliche begleiten
Schulmüde Jugendliche brauchen oftmals eine spezifische Förderung. Dies wurde ebenfalls als Erfolgsfaktor in der Befragung ermittelt. Besondere Programme können zum Beispiel an einer externen Beschulung ansetzen. In den Programmen setzt man sich auch mit den hinter der Schulmüdigkeit liegenden, individuellen komplexen Problemlagen gezielt auseinander. „

Die Studie „Bildungschancen vor Ort“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Die Werte auf Landkreisebene sind auf einer interaktiven Landkarte abrufbar unter www.caritas.de/bildungschancen

www.caritas.de/bildungschancen
www.caritas.de/cms/contents/caritasde/medien/dokumente/neuecaritas/ncsonderausgabebildu/nc_spezial_bildungschancen_web.pdf
www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/bildungschancen/
www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/bildungschancen/karte_bildungschancen

Quelle: Deutscher Caritasverband

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