Öffentlich geförderte Beschäftigung: eine Chance für Langzeitarbeitslose oder das Abstellgleis?

„Finanzielle Mittel werden nicht effizient eingesetzt, wenn sie sich nur auf die Auszahlung von Leistungen beschränken. Gefördert werden muss auch die aktive Teilhabe am Arbeitsmarkt.“ Der Auffasung ist der Caritas-Generalsekretär Georg Cremer.

Doch was wurde denn in welchem Umfang gefördert bzw. wieviele Menschen könnten von öffentlich gefördeter Bechäftigung im bisherigen Sinne profitieren?

Öffentlich geförderte Beschäftigung (SGB II)
Im März 2013 wurden nach vorläufigen Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) noch insgesamt 139.874 Frauen und Männer in Beschäftigung schaffenden Maßnahmen (BSM) im Rechtskreis SGB II gefördert, einschließlich BEZ (Beschäftigungszuschuss: § 16e alt) und der nicht im SGB II geregelten Beschäftigungsphase „Bürgerarbeit“. Dies waren 33 Prozent (68.935) weniger als zwei Jahre zuvor bzw. 12 Prozent (19.885) weniger als im März 2012, dem letzten Monat vor Inkrafttreten der sogenannten Instrumentenreform am 1. April 2012.

Die insgesamt 139.874 geförderten Beschäftigten im März 2013 verteilen sich, nach vorläufigen, zum Teil von der Statistik der BA hochgerechneten Daten, auf die folgenden SGB II-Instrumente bzw. das nicht im SGB II (Hartz IV) geregelte Bundesprogramm „Bürgerarbeit“: ## Arbeitsgelegenheiten (AGH; beide Varianten zusammen) 101.020
## Beschäftigungszuschuss (BEZ: § 16e SGB II alt; Restabwicklung) 5.741
## Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV: § 16e SGB II neu) 4.717
## Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ (Beschäftigung) 28.396
Die Veränderungen seit Inkrafttreten der „Instrumentenreform“, von März 2012 bis März 2013 stellen sich wie folgt dar: ## BSM insgesamt (SGB II einschließlich „Bürgerarbeit“) -19.885 -12%
## Arbeitsgelegenheiten (AGH; beide Varianten zusammen) -26.177 -21%
## Beschäftigungszuschuss (BEZ: § 16e SGB II alt, Restabw.) -2.791 -33%
## Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV: § 16e SGB II neu) +4.717 neu
## Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ (Beschäftigung) +4.369 +18%
Im März 2013 waren von den insgesamt 139.874 geförderten „Beschäftigungsverhältnissen“ (einschließlich „Bürgerarbeit“) lediglich 40.061 (28,6 Prozent) sozialversicherungspflichtig (ohne „Arbeitslosenversicherung“). 71,4 Prozent (99.813) waren „Ein-Euro-Jobs“. (Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der „Leistungen zum Lebensunterhalt“, keine Rentenversicherung)
Und betrachtet man nur die insgesamt 111.478 im Rahmen des SGB II geförderten Beschäftigten ohne das befristete Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ mit einem i.d.R. maximalen Bruttolohn von lediglich 900 Euro pro Monat, waren im März 2013 sogar lediglich 10,5 Prozent (11.665) der im Rahmen der Eingliederungstitel der Jobcenter geförderten Beschäftigten (einschließlich BEZ) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zwei Jahre zuvor, im März 2011, waren dies noch 20,7 Prozent. (42.836 von 207.281)

Die „drastischen Kürzungen der Bundesmittel für „Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II“ und die „Instrumentenreform“ haben diesen „Trend zum Ein-Euro-Job“ bei insgesamt wesentlich weniger „geförderten Beschäftigten“, unabhängig von jeglicher inhaltlicher Begründung, befördert:
Eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante (AGH E) oder ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungszuschuss (BEZ) belastete die Eingliederungsbudgets der Jobcenter 2011 im Bundesdurchschnitt mit 1.276 Euro bzw. 1.265 Euro pro Kopf und Monat. Dies gilt auch für die zum 1. April 2012 in das SGB II aufgenommene „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ Nach vorläufigen Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wurden im März 2013 im gesamten Bundesgebiet lediglich 4.717 Arbeitsverhältnisse gefördert, darunter 1.123 (23,8%) in Berlin.

Ein „Ein-Euro-Job“ dagegen belastete die Eingliederungsbudgets der Jobcenter 2011 im Bundesdurchschnitt mit lediglich 383,20 Euro pro Kopf und Monat, davon 122,60 Euro Mehraufwandsentschädigung und 260,60 Euro Maßnahmekosten. Das bei einem „Ein-Euro-Job“ weiter gezahlte Arbeitslosengeld II (einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung und der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) wird nicht aus dem Eingliederungsbudget finanziert. Rentenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigung in einem „Ein-Euro-Job“ weder aus dem Eingliederungsbudget noch aus dem Budget für „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ oder einem anderen Budget gezahlt.

Anhörung im Bundestagsausschuss

Die Situation der Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen wollen SPD, Linke sowie Grüne verbessern. Zu ihrem jeweils eigenen in den Bundestag eingebrachten Antrag/Gesetzentwurf fand jetzt eine Anhörung statt. Es zeigte sich eine Kontroverse beim Thema zwischen Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften einerseits sowie Arbeitgeberverbänden andererseits.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bewertet öffentlich geförderte Beschäftigung sehr kritisch. „Wir sehen erhebliche Gefahren für den regulären Arbeitsmarkt“, machte ein BDA-Vertreter deutlich. Gerade für die Gering-Qualifizierten könne die öffentliche Beschäftigung attraktiver sein als der erste Arbeitsmarkt, so dass es keine Anreize gebe. Mit dem Entstehen neuer Arbeitsplätze rechne er nicht, sagte der Arbeitgeber-Vertreter. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass „der Arbeitsmarkt für einfache Arbeiten in einen Arbeitsmarkt für öffentlich geförderte Arbeit umgewandelt wird“. Auch aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK) sind dauerhafte Strukturen abzulehnen. „Wir brauchen neben dem Ein-Euro-Job keinen zweiten Arbeitsmarkt“, sagte der DIHK-Vertreter. Wenn man überhaupt öffentlich fördere, müsse dies auf eine bestimmte Zielgruppe beschränkt sein und kurzfristig erfolgen. Eine langfristig geförderte öffentliche Beschäftigung könne das Entstehen normaler Arbeitsplätze verhindern, sagte auch der Vertreter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Es müsse also immer wieder geprüft werden, ob es einer weiteren Förderung bedarf.

Große Hoffnungen in eine dauerhaft öffentlich geförderte Beschäftigung setzt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Es könne gelingen, Menschen aus langjähriger Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt zurückzuholen, wenn man die Instrumentarien dazu erhalte, sagte deren Vertreter. In der aktuellen Sozialgesetzgebung gebe es diese jedoch nicht. Eine Neuregelung könne einhundert- bis zweihunderttausend Menschen zugutekommen, fügte er hinzu.

BAG FW teil Kritik an gegenwärtigen Rahmenbedingungen
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW) positioniert sich in einer Stellungnahme für eien dauerhaft öffentlich geförderte Beschäftigung.
Auszüge aus der Stellungnahme der BAG FW:
“ … Zielgruppe genau definieren
… In einem sozialen Arbeitsmarkt sind nur Personen zu fördern, die mindestens zwei Jahre lang ohne Unterbrechung durch einen regulären Job arbeitslos waren und mindestens zwei weitere persönliche Vermittlungshemmnisse aufweisen. Personengebundene Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Herkunft sollten nicht als Vermittlungshemmnisse definiert werden. Neben einem nicht vorhandenen Schul- oder Berufsabschluss sollten sie aber auch gesundheitliche und/oder soziale Einschränkungen umfassen. Die BAGFW regt an, die Vermittlungshemmnisse bereits im Gesetzestext konkret zu fassen, damit die arbeitsmarktfernsten Arbeitsuchenden partizipieren und so genannte Creaming-Effekte vermieden werden. Langzeitarbeitslosen soll es nach Überzeugung der BAGFW freistehen, das Teilhabeangebot des Sozialen Arbeitsmarktes für sich zu nutzen oder nicht (Freiwilligkeit). Junge Menschen unter 25 Jahren sollten in Ausbildung und Qualifizierung überwiesen werden, sie stellen nicht die Zielgruppe des Sozialen Arbeitsmarktes dar. …

Arbeitsbedingungen anpassen (Arbeitszeit, Arbeitgeber, Förderkriterien)
Die BAGFW vertritt die Auffassung, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sozialen Arbeitsmarkt idealerweise eine flexible Arbeitszeit zwischen 15-35 Stunden ermöglicht wird. So werden auch Langzeitarbeitslose, die nur eine Teilzeitstelle ausfüllen können, in das Arbeitsleben integriert.

Die BAGFW spricht sich insbesondere dafür aus, dass sich alle Arbeitgeber (der privatgewerblichen Wirtschaft, der öffentlichen Hand oder gemeinnützige Träger) um die Förderung bemühen können und dass Tätigkeitsfelder nicht einschränkt werden. Dadurch werden Beschäftigungsmöglichkeiten ermöglicht, die sinnvolle Tätigkeiten und gesellschaftliche Teilhabe eröffnen. So kann Inklusion direkt im Arbeitsleben stattfinden. Die Förderung unterliegt dann auch nicht den Kriterien der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses und der Wettbewerbsneutralität. …

Höhe der Förderung
Im Sinne einer Orientierung an örtlichen und individuellen Gegebenheiten ist es sinnvoll, die Höhe der gewährten Förderung als Höchstbetrag zu definieren. Allerdings sollte der Nachteilsausgleich an die konkrete Situation der beschäftigten Person angepasst werden. Die Erfahrungen des Beschäftigungszuschusses zeigen, dass arbeitsmarktfernste Personen oft keine 25 Prozent ihrer Lohnkosten erwirtschaften können. Im Einzelfall muss daher auch eine Förderung von bis zu 100 Prozent möglich sein. …

Finanzierung

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Initiative für einen Ausbau der öffentlich geförderten Beschäftigung auch durch die Aktivierung der passiven Finanzmittel in der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Ziel des Sozialen Arbeitsmarktes ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Eine maßgebliche Finanzierungsgrundlage für den sozialen Arbeitsmarkt ist der sog. Passiv-Aktiv-Transfer. Dabei werden Finanzmittel, die derzeit in der Grundsicherung ohnehin für den Lebensunterhalt von Langzeitarbeitslosen bereitgestellt werden, eingesetzt, um Beschäftigung zu finanzieren (Passiv-Aktiv-Transfer). Der Passiv-Aktiv-Transfer macht es erforderlich, neue Finanzierungsregelungen im Bundeshaushalt zu etablieren. “

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages; DCV; BAG FW; Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe

Dokumente: 1711076_Gesetzentwurf_Gruenen___Einrichtung_Sozialer_Arbeitsmarkt.pdf

Ähnliche Artikel

Skip to content