Deutscher Caritasverband bewertet den Koalitionsvertrag

Auszüge aus der Stellungnahme des DCV zum Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ für die 18. Legislaturperiode:
“ … Armutsbekämpfung
Das Thema Armut kommt im Koalitionsvertrag nur ungenügend vor. Die große Koalition versäumt es, eine wirksame Bekämpfung der Kinderarmut zu vereinbaren. Die hierfür notwendigen Reformen des Kinderzuschlages und der Regelleistungen sind für diese Legislaturperiode nicht vorgesehen. Gegenstand des Vertrages ist dagegen die Bekämpfung von Altersarmut. Die hierfür geplante Lebensleistungsrente hat aber hohe Hürden. Hier ist eine gesellschaftliche Debatte zur Ausgestaltung dieses neuen Elements der Alterssicherung dringend zu führen. Vermieden werden muss eine Alles-oder-Nichts-Situation, in der diejenigen völlig leer ausgehen, welche die Voraussetzungen nicht in Gänze erfüllen können. …

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
Die große Koalition verpasst die Chance, verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Die dringend notwendige Reform der Arbeitsmarktinstrumente bleibt aus. Soziale Teilhabe von arbeitsmarktfernen Menschen durch eine sinnstiftende öffentlich geförderte Beschäftigung wird nicht vereinbart. Die angekündigte Erhöhung des „Mitteleinsatzes“ für die Eingliederung Arbeitsloser entpuppt sich als Verschiebung von Haushaltsmitteln von einem Haushaltsjahr ins andere. Der DCV begrüßt zwar die Möglichkeit der Übertragung von Haushaltsmitteln über die Grenze des Haushaltsjahres, hält aber die Anhebung des Eingliederungstitels für dringend erforderlich.

Positiv zu bewerten sind die Vorschläge zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Jugendberufsagenturen, das Projekt 2. Chance, die Ausweitung der Berufseinstiegsbegleitung und die Einführung der assistierten Ausbildung sind richtige Schritte, junge Menschen aus der Armutsfalle zu führen.

Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns kann die Durchsetzung fairer Löhne unterstützen, muss aber so gestaltet werden, dass die Beschäftigung von Menschen mit geringen beruflichen Qualifikationen nicht Schaden nimmt. Wichtig ist, dass die geplante Mindestlohnkommission die Wirkung auf die Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen prüft und bei der Evaluierung berücksichtigt. Eine stärkere Rolle unabhängiger Wissenschaftler in der Kommission wäre wünschenswert gewesen.

Bildungspolitik
Nachdrücklich ist das Anliegen der Koalitionäre zu unterstützen, wonach Bildungs- und Zukunftschancen junger Menschen nicht mehr von der sozialen Herkunft abhängen dürfen. Gerade in diesem Zusammenhang ist aber auffallend, dass der Koalitionsvertrag keine Aussagen zur Weiterfinanzierung der über das Bildungs- und Teilhabepaket neu eingerichteten Stellen für Schulsozialarbeit macht (in einem Entwurf des Vertrages war dies noch enthalten). Hinzutreten müsste auch ein deutliches Bekenntnis zur inklusiven Ausrichtung des Ausbaus von Kindertageseinrichtungen und des Schulsystems.

Kinder-und Jugendpolitik
Die Kinder- und Jugendhilfe soll nach dem Willen der Koalitionäre zu einem inklusiven, effizienten und dauerhaft tragfähigen und belastbaren Hilfesystem weiter entwickelt werden. Ausdrücklich solle die Rolle der Jugendämter gestärkt und die Möglichkeiten der Jugendhilfeausschüsse für eine moderne Jugendpolitik genutzt werden. Der Deutsche Caritasverband (DCV) begrüßt diese Ansätze und verstärkt sie durch seinen Einsatz für die Zweigliedrigkeit des Jugendamtes, eine stärkere jugendpolitische Ausrichtung des Jugendhilfeausschusses und die Qualifizierung der Jugendhilfeplanung. … Zu begrüßen ist die Absicht, den Vorrang des Jugendhilferechts für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge festzuschreiben. …
Positiv ist, dass der Koalitionsvertrag das Anliegen einer eigenständigen Jugendpolitik erneut aufgreift. …

Behindertenpolitik
Der Koalitionsvertrag sieht die Schaffung eines Bundesleistungs- bzw. Bundesteilhabegesetzes vor, dessen wesentliches Ziel die Entlastung der Kommunen sein soll. Der DCV teilt dieses Ziel und fordert eine umgehende Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe. Eine rein auf Finanzentlastung zielende Reform wäre jedoch bei weitem zu kurz gegriffen. Der DCV unterstützt das Anliegen der Großen Koalition, die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem herauszulösen. Er hat hierfür für alle Bereiche der Teilhabe Eckpunkte mit konkreten Anforderungen an ein neues Bundesleistungsgesetz formuliert und erwartet, dass die schon lange anstehende Reform in dieser Legislaturperiode umgehend umgesetzt wird. …

Migration/Integration

Bei den Themen Migration, Flucht und Integration stellt die künftige Koalition den „Zusammenhalt in der Gesellschaft“ in den Vordergrund, Sicherheitsaspekte treten eher zurück. Der DCV begrüßt diese Akzentverschiebung, weil die Verbesserung des Miteinanders und die Stärkung der Zusammengehörigkeit wesentliche Herausforderungen in der Zukunft darstellen.

Die künftige Regierung will die Migrationsthematik einer breiten Gesellschaft nahebringen: Wir begrüßen, dass die interkulturelle Öffnung deutlich vorangebracht werden soll, ausdrücklich auch bei Polizei und Justiz. Verbesserungen zeichnen sich ab etwa bei der Lockerung der Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete sowie für eine neue alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung im Aufenthaltsgesetz.

Kaum gesehen wird das Problem der Menschen in Deutschland ohne Aufenthaltsstatus. Die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern gehören in den Fokus der Politik. Auch muss das Asylbewerberleistungsgesetz als ein nicht zu rechtfertigendes Sondergesetz abgeschafft werden, wie der DCV schon seit langem fordert. …

Bekämpfung von Extremismus
Wir begrüßen die Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Förderung von Demokratie und Toleranz, gegen Gewalt, Hass, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Die neue Regierung will hierzu die bestehenden Programme langfristig finanziell absichern. Sie ermöglicht damit den zivilgesellschaftlichen Akteuren eine verlässlichere Planung. … „

Die Stellungnahme in vollem Umfang entnehmen Sie bitte dem Anhang. Für die weitere fachpolitische Arbeit hat der DCV die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages ausgewertet. In einem Kompendium wurden die Bewertungen aus sozial- und fachpolitischer Sicht sowie aus Sicht der verbandlichen Caritas zusammen gestellt. Das Kompendium steht im Anhang zum Download bereit.

Quelle: DCV

Dokumente: Koalitionsvertrag_Stellungnahme_DCV.pdf

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