WOHLFAHRTSSTAAT DEUTSCHLAND? “ Von wegen Raubbau am Sozialstaat: Deutschlands Budget für öffentliche Unterstützungsleistungen ist trotz Hartz-Reformen und Co. immer noch üppig. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegt die Bundesrepublik nach wie vor gleichauf mit dem klassischen Wohlfahrtsstaat Schweden. Deutschland entwickele sich zunehmend zur Sozialwüste, lautet spätestens seit Hartz IV ein häufiger Vorwurf in Richtung Bundesregierung. Doch die gefühlte soziale Kälte hat wenig mit den Fakten zu tun. Vater Staat hat 2006 rund 700 Milliarden Euro für Arbeitslosenabsicherung, Gesundheit, Rente, Kinder und andere soziale Zwecke ausgegeben – das ist in etwa genauso viel wie im Rekordjahr 2005. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist gleichwohl leicht geschrumpft. Dieser Trend ist schon seit einiger Zeit zu beobachten: Die Sozialleistungsquote in Abgrenzung des Bundessozialministeriums sank von 32,2 Prozent im Jahr 2003 auf 30,3 Prozent im Jahr 2006. Dahinter stecken zwei Entwicklungen. Zum einen haben Reformen den Anstieg der Ausgaben gebremst. Der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel etwa passt die jährliche Rentenerhöhung an den demografischen Wandel an, und mit den Arbeitsmarktgesetzen hat sich unter anderem die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I deutlich verkürzt. Zum anderen hat die Wirtschaftsleistung vor allem 2006 kräftig zugelegt. Grundsätzlich ist der rückläufige Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt begrüßenswert. Denn würden die Sozialleistungen genau wie das BIP wachsen, ließe sich das nur über ständig steigende Abgaben und Steuern finanzieren. Und das wiederum wäre Gift für die Wirtschaft und damit für die Finanzierungsbasis des Sozialstaats – nämlich die Einkommen der Bundesbürger.… Dass Deutschland weit davon entfernt ist, sozial zu versteppen, zeigt auch der internationale Vergleich. In der von der OECD verwendeten Bruttoabgrenzung lag die Sozialleistungsquote für Deutschland im aktuellsten Vergleichsjahr 2003 bei 30,5 Prozent, was einen Platz im Spitzenfeld der Industrieländer bedeutet: Mehr Geld ließen allein Schweden, Frankreich und Dänemark springen auf ähnlichem Niveau bewegten sich Belgien und Österreich. Ein korrektes Bild liefert aber erst die Nettobetrachtung: * Abgaben gegenrechnen. Von den Sozialleistungen muss abgezogen werden, was der Staat via Abgaben wieder einkassiert. In Deutschland ist das selten der Fall, kommt aber vor: Rentner beispielsweise entrichten aus ihren gesetzlichen Altersbezügen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. … * Höhe der Mehrwertsteuer berücksichtigen. Was die staatlichen Transfers wert sind, entscheidet sich auch an der Supermarktkasse. Denn über die Mehrwertsteuer refinanzieren Sozialstaaten einen Teil ihrer Ausgaben, und zwar auch zulasten der Leistungsempfänger.… * … Unterm Strich verschiebt sich auf diese Weise einiges im OECD-Ranking. So hat Dänemark einen weitaus kleiner dimensionierten Sozialstaat, als die Bruttoquote glauben macht. Die USA wiederum leisten sich netto sogar mehr staatliche Unterstützung als das Nordlicht. Deutschland rückt mit einer Nettosozialleistungsquote von 30,8 Prozent auf Platz drei vor – und liegt nahezu gleichauf mit Schweden.… Folglich gibt es hierzulande keinen Grund, Reformen zurückzudrehen – zumindest nicht mit dem vorgeschobenen Argument, dem Sozialen in der Sozialen Marktwirtschaft zu mehr Geltung verhelfen zu wollen. “
http://www.iwkoeln.de/default.aspx?p=pub&i=2191&pn=2&n=n2191&m=pub&f=4&ber=Informationen&a=21108
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Köln