Ausgabeanstieg in der Kinder- und Jugendhilfe hält an

Auszüge aus der Ausgaben-Analyse der Kinder- und Jugendhilfe:
Gesamtentwicklung zwischen 2014 und 2015
Zwischen den Haushaltsjahren 2014 und 2015 sind die öffentlich nachgewiesenen Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe auf ein neues Allzeithoch von insgesamt 40,7 Mrd. EUR angestiegen. Der Jahreszuwachs beläuft sich auf 2,9 Mrd. EUR bzw. 7,7%. Somit erhöhten sich die Ausgaben zuletzt etwas mehr als im Jahr zuvor – die Steigerung belief sich damals auf 2,3 Mrd. EUR bzw. 6,4%.

Diese Mehraufwendungen zwischen 2014 und 2015 liegen deutlich über der Preissteigerungsrate: Der sogenannte „BIP-Deflator“, der in der Bildungsfinanzberichterstattung verwendet wird, weist zwischen 2014 und 2015 eine Gesamtsteigerung von 1,8% (West 1,8%; Ost 2,0%) aus. In ähnlichem Umfang bewegten sich auch die Tariferhöhungen in diesem Zeitraum. Preisbereinigt muss man in Anbetracht dessen von einer Steigerung der Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe von 5,9% ausgehen.

Mit 2,51 Mrd. EUR wurde der größte Teil der zusätzlichen Finanzmittel in Westdeutschland verausgabt (+8,5%), während die Ausgaben in Ostdeutschland einschließlich Berlin um 391 Mio. EUR gestiegen sind (+5,0%).

Ebenfalls erhöht hat sich 2015 die ausgewiesene Summe der Einnahmen: gegenüber dem Vorjahr um 135 Mio. EUR auf insgesamt 3,0 Mrd. EUR. Mehr als die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen (77 Mio. EUR) stammt aus den Gebühren für die Kindertagesbetreuung. Nach Abzug dieser Einnahmen sind den öffentlichen Haushalten des Bundes, der Länder und der Kommunen sogenannte „reine Ausgaben“ für die gesamte Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2015 in Höhe von 37,7 Mrd. EUR entstanden. Für die zusätzlichen Ausgaben sind unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern, aber auch Ländern verantwortlich. (…)

Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Die auffälligsten Ergebnisse in der Ausgabenentwicklung der erzieherischen Hilfen zwischen 2014 und 2015 betreffen 2 Leistungsarten: zum einen den starken Anstieg bei der Heimerziehung und den sonstigen betreuten Wohnformen mit einem Plus von 8,2% bzw. 297 Mio. EUR und zum anderen – noch sehr viel auffälliger – das Plus von sage und schreibe 86% bzw. von 288 Mio. EUR bei den vorläufigen Schutzmaßnahmen, den Inobhutnahmen.

Beide Entwicklungen erklären sich durch die starke Zunahme der unbegleitet eingereisten ausländischen Minderjährigen im Jahr 2015. Diese wurden aufgrund der Einreiserouten zunächst vermehrt in einigen wenigen Bundesländern in Obhut genommen. Daher sind auch die Ausgaben des Jahres 2015 nicht in allen Ländern gleichermaßen gestiegen. (…) Die höchste Steigerung für beide Hilfen gab es in Bayern mit einem Plus von 209,8 Mio. EUR. In den anderen Ländern bewegen sich die Mehrausgaben zwischen 3,9 Mio. EUR in Mecklenburg-Vorpommern und 64,4 Mio. EUR in NRW. (…)

Die ungleiche Verteilung über die Länder macht noch einmal bildlich deutlich, wie notwendig eine möglichst proportionale Verteilung der Minderjährigen auf alle Länder war: In Bayern entstanden viermal so hohe Ausgaben (relativiert auf die U18-Bevölkerung) wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen.

Es ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass die Zunahme der Ausgaben im Bereich der Hilfen zur Erziehung und sonstigen Einzelfallhilfen nicht ausschließlich auf die neuen Herausforderungen durch die unbegleitet eingereisten ausländischen Minderjährigen zurückzuführen ist, da z.B. auch die Ausgaben für die ambulanten und teilstationären Hilfen (…) gestiegen sind.

Überproportional zugenommen haben auch die Aufwendungen für die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen gemäß § 35a SGB VIII. So beliefen sich im Jahr 2015 die Ausgaben der öffentlichen Kassen auf 1,274 Mrd. EUR, was einer Zunahme um fast 11% entspricht. Dieser Anstieg korrespondiert in etwa mit der Fallzahlenentwicklung, die um 9,5% gestiegen ist.

Jugendsozialarbeit
Im Jahr 2015 hat die öffentliche Hand 513 Mio. EUR für Angebote der Jugendsozialarbeit nach SGB VIII ausgegeben. Gemessen an den Aufwendungen für die gesamte Kinder- und Jugendhilfe von 40,7 Mrd. EUR sind dies nur 1,3%. Gleichwohl sind die Ausgaben in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, und zwar zwischen 2009 auf 2015 von gerade einmal 389 Mio. EUR auf zuletzt 513 Mio. EUR, also um 32%. Da bisher keine differenzierte Statistik über die konkreten Maßnahmen und Leistungen der Jugendsozialarbeit existiert, kann nur vermutet werden, dass die wachsende Bedeutung der Schulsozialarbeit zu dieser Ausweitung der Ausgaben geführt haben könnte. Evtl. verbergen sich darin auch konkrete Hilfen der Schulsozialarbeit für geflüchtete Kinder- und Jugendliche in den allgemeinbildenden Schulen. Allerdings werden unter dieser Haushaltsposition auch die Ausgaben für das betreute Jugendwohnen für unbegleitet eingereiste Minderjährige gemäß § 13 SGB VIII gebucht, die sicherlich auch schon Ende 2015 angefallen sind.

Kinder- und Jugendarbeit
Die Ausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit sind wieder leicht gestiegen, nachdem ihr Volumen in den Vorjahren relativ konstant geblieben ist. Der Zuwachs beträgt bundesweit, einschließlich der Bundesmittel, 59 Mio. EUR (+3,5%). Im Jahr 2015 wurden somit 1,768 Mrd. EUR für die Kinder- und Jugendarbeit ausgegeben. Allerdings zeigt der Blick in die Länder (ohne Tab.), dass in 6 Ländern (Berlin, Bremen, Hessen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen) die Ausgaben leicht zurückgegangen sind: Der größte Rückgang mit 4,3% (-7,1 Mio. EUR) ist in Hessen zu verzeichnen. In allen anderen Ländern sind die Ausgaben zwischen 1% und 13% gestiegen.

Fazit
Die Statistiken zu den Angeboten der Kindertagesbetreuung und den Hilfen zur Erziehung sowie den Inobhutnahmen dokumentieren, dass die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe so stark wie noch nie nachgefragt werden. Somit ist es auch nicht überraschend, dass die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2015 einen erneuten Höchststand erreicht haben. Die hohen Ausgaben stellen sicherlich eine Belastung der öffentlichen Haushalte dar, allerdings muss betont werden, dass hinter diesen Ausgaben entsprechende Bedarfe stehen: Ungebrochen vorhanden sind die Bedarfe der Eltern an Angeboten der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung ihrer Kinder, um nicht nur Familie und Beruf zu vereinbaren, sondern auch eine optimale Förderung ihrer Kinder zu erreichen. Für die begleitet und unbegleitet eingereisten ausländischen jungen Menschen tragen die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur zur Erfüllung ihrer Grundrechte auf Versorgung und Erziehung bei, sondern sie sind auch ein wichtiger Integrationsmotor.“

Link: www.akjstat.tu-dortmund.de

Quelle: Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendstatistik (der Technischen Universität Dortmund)

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