Für die seit Februar 2016 laufende Studie wurden rund 60 Flüchtlinge interviewt, die erst kurze Zeit in Deutschland sind. Das Besondere an diesen qualitativen Interviews ist, dass sie bewusst offen gehalten sind: Zu Beginn haben die Befragten Gelegenheit, frei von ihren Erfahrungen und ihrer aktuellen Lebenssituation in Deutschland zu erzählen. Erste Ergebnisse aus diesem offenen Teil der Interviews liegen vor. Die Gesamtergebenisse sollen im November 2017 veröffentlicht werden.
    Auszüge aus den Studienergebnissen Einblicke in die Lebenssituation von Flüchtlingen:
    “ (…) 
    das direkte Lebensumfeld in der zugewiesenen
    Kommune an. Auffallend viele berichten mit Freude
    und Dankbarkeit von den Menschen, die sie in Deutschland
    kennengelernt haben, die sich für sie interessieren und ihnen helfen. Neben materieller und alltagspraktischer
    Unterstützung durch die Bevölkerung sind es
    dabei vor allem individuelle Begegnungen mit den
    Menschen vor Ort, die emotional berühren und Dankbarkeit
    auslösen; (…)
    ## (…) Einige berichten aber
    auch von – zum Teil schwerer – Ablehnung und Diskriminierung,
    die sie von der ortsansässigen Bevölkerung
    erfahren haben und die sie emotional belastet.
    ## Professionelle Betreuung durch Sozialarbeiter und
    Beratungsstellen nehmen die Teilnehmer überwiegend
    positiv und mit Dankbarkeit wahr. (…)
    ## Problematisch ist v. a. die fehlende Information über
    Bearbeitungsstände: Wurde ein Anliegen (z. B. Umzug)
    schon bearbeitet oder wie ist der aktuelle Stand, und
    wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? (…) Es liegt
    zum Teil an der Sprachbarriere: Entsprechende Erklärungen
    werden oft nicht richtig verstanden.
    ##Die mangelnde Transparenz von Bearbeitungsprozessen
    gilt auch für Erfahrungen mit Behörden und
    Ämtern, die zudem vorwiegend negativ besetzt sind.
    Wenn die Flüchtlinge nicht wissen, was für ihr Anliegen
    getan wird, kann ihnen dies das Gefühl geben, sie würden
    nicht ernst genommen. (…)
    ##In Bezug auf Versorgung ist das drängendste Thema
    die Wohnsituation. Das gilt besonders für diejenigen,
    die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Genannt werden
    hier zum einen Belastungen durch Lärm, schlechte
    Isolation gegen Wetterbedingungen und schlechte Essensversorgung.
    Vordringlicher sind aber die fehlende Privatsphäre, soziale Konflikte und Sorge um die Sicherheit; (…)
    Ungewissheit, wie ihr Asylverfahren abläuft und wie
    es ausgehen wird. Dieser Punkt wird ausführlich erörtert:
    Wenn unklar ist, ob man eine Aufenthaltserlaubnis
    bekommt, fällt es schwer, auch innerlich anzukommen
    und sein Leben in der neuen Gesellschaft aktiv in die
    Hand zu nehmen. Sehr lange Verfahren und damit verbundene
    Untätigkeit sind zermürbend, sie können zu
    Resignation und Verbitterung führen. (…)
    ##Teilnehmer mit höherer Bildung, die vor ihrer Flucht
    beruflich erfolgreich waren, möchten möglichst schnell
    wieder an ihren früheren Beruf anknüpfen. Dabei sind
    sie durchaus bereit, ggf. auch unter ihrem Qualifikationsniveau
    einzusteigen. Diejenigen, die auf ein eher
    prekäres bisheriges Berufsleben zurückblicken und eine
    geringere Bildung haben, verbinden mit Deutschland
    große Hoffnungen, für sich oder ihre Kinder überhaupt
    (erstmals) ein finanziell eigenständiges Leben führen
    zu können. (…)
    ##Flucht kann Familien auseinanderreißen; sie kann
    aber auch Hoffnung auf ein besseres Leben für die eigenen
    Kinder geben. Beides findet sich in den Erzählungen
    der Teilnehmer. Mehrere berichten, sie hätten sich nicht
    für sich selbst zur Flucht entschlossen, sondern zum
    Wohlergehen und Schutz ihrer Kinder. Wer Angehörige
    im Herkunfts- oder Transitland hat, macht sich große
    Sorgen und wünscht sich sehr, mit der Familie wieder
    vereint zu sein. (…)
    ##Familien werden aber auch infolge eines negativen
    Asylbescheids getrennt: Da über Asylanträge im Einzelfall
    entschieden wird, müssen einzelne Familienangehörige
    mitunter bereits ausreisen, während die Verfahren
    ihrer Angehörigen noch laufen. Dies erleben die verbleibenden
    Familienmitglieder ebenfalls als sehr belastend.
    ## Sprachprobleme gelten als eines der größten Hindernisse,
    um am gesellschaftlichen Leben in Deutschland
    teilzunehmen. Der Wunsch, Deutsch zu lernen, ist uneingeschränkt
    hoch und durchzieht alle anderen Themen.
    ##Gerade in der Anfangszeit haben die Flüchtlinge einen
    enormen Bedarf an Informationen. Das zeigt, wie
    wichtig Dolmetscher oder haupt- und ehrenamtlichen
    Sprachmittler sind. Hier gibt es anscheinend in vielen
    Kommunen noch zu wenige. (…)“
Link: https://www.svr-migration.de/publikationen/lebenslage_fluechtlinge/
Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration
								


