Jugendliche als Täter und Opfer von Gewalt

ENTGEGEN DER ÖFFENTLICHEN WAHRNEHMUNG: JUGENDGEWALT HAT NICHT ZUGENOMMEN Vor dem Hintergrund steigender Zahlen der registrierten Jugendkriminalität und auf der Suche nach möglichen Ursachen sowie denkbaren Präventionsansätzen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) gestartet. Erste Ergebnisse des Projekts wurden am Mittwoch, 17.03.2009, in Berlin in Form einer Studie präsentiert. Für die repräsentative Untersuchung wurden Schülerinnen und Schüler aus der vierten Jahrgangstufe (ca. 8.000) und der neunten Jahrgangsstufe (rund 45.000) befragt. Dabei wurden auch die aus einzelnen Gebieten vorliegenden Ergebnisse von Dunkelbefragungen und Längsschnittstudien aus anderen Städten einbezogen. So konnte für acht Gebiete die seit 1998 eingetretene Entwicklung von Jugendgewalt und –deliquienz analysiert werden. (Stuttgart, München, Hannover, Schwäbisch Gmünd, Kiel, Hamburg, Leipzig und Rostock) Ziel der Studie (als erster Forchungsbericht) ist es, die notwendige Diskussion und fachliche Auseinandersetzung in Bund und Ländern ressortübergreifend anzustoßen. Der abschließende Forschungsbericht wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Auszüge aus der Studie des KFN von Dirk Baier, Christian Pfeiffer, Julia Simonson und Susann Rabold „Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt“: “ … * Für mehr als drei Viertel aller Jugendlichen gehörte Gewalt in den zwölf Monaten vor der Befragung nicht zu ihrem persönlichen Erfahrungsbereich. Von den befragten Schülerinnen und Schülern sind 16,8 % in dieser Zeit mindestens einmal Opfer einer Gewalttat geworden, bei 3,9 % sind es fünf und mehr derartige Opfererfahrungen. Am häufigsten werden einfache Körperverletzungen berichtet (11,1 %) 4,8 % der Jugendlichen gaben an, mindestens einen Raub oder Erpressung erlebt zu haben, 3,2 % eine schwere Körperverletzung. Im Vergleich dazu fallen die innerfamiliären Opfererfahrungen relativ hoch aus. Leichte Gewalt (z.B. Ohrfeige) hat im Jahr vor der Befragung jeder fünfte Jugendliche erlebt (20,9 %), von schwerer Gewalt (z.B. von Fausthieben) berichten 5,7 %. An den Schulen ereignen sich Raub und Erpressung nur selten (1,6 %). Davon, geschlagen oder getreten worden zu sein, berichten dagegen 20,9 % der Jugendlichen. Zugleich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Mobbing an Schulen in seinen unterschiedlichen Ausprägungen ein ernstzunehmendes Problem darstellt und dass solche Verhaltensweisen gelegentlich auch von den Lehrkräften ausgehen. Von den im Fragebogen erfassten Delikten haben die Jugendlichen in den zwölf Monaten vor der Befragung am häufigsten Sachbeschädigungen (14,6 %) und Ladendiebstähle (13,3 %) begangen. An dritter Stelle folgen die einfachen Körperverletzungen (11,7 %). Schwere Körperverletzungen oder Raubtaten wurden von 2,9 bzw. 2,5 % aller Jugendlichen verübt. Mindestens eine Gewalttat gaben 13,5 % der Jugendlichen an. Mindestens fünf Gewalttaten haben danach 4,3 % der Jugendlichen während der letzten zwölf Monate begangen. Sowohl zu den Opferrisiken als auch zur Häufigkeit der Jugenddelinquenz ergeben sich im Vergleich von ländlichen und städtischen Gebieten oder den verschiedenen Teilen Deutschlands relativ geringe regionale Unterschiede. In Süd- und Ostdeutschland gibt es etwas weniger Gewalttäter als in Nord- und Westdeutschland, in Großstädten greifen Jugendliche etwas häufiger zu Gewalt als in Mittelstädten oder ländlichen Gebieten. Diese regionalen Besonderheiten beruhen dabei primär auf Unterschieden in der sozialen Zusammensetzung der Jugendlichen. * Zur Entwicklung der Jugendgewalt zeigen die Befunde der Dunkelfeldforschung seit 1998 insgesamt betrachtet eine gleichbleibende bis rückläufige Tendenz. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse von repräsentativen Schülerbefragungen, die in acht Städten aus sieben Bundesländern in den Jahren 1998/99 bzw. 2005 bis 2008 durchgeführt wurden, ergibt einen für die breite Öffentlichkeit eher überraschenden Befund. Die Quote der Jugendlichen, die nach eigenen Angaben in den zwölf Monaten vor der Befragung mindestens eine Gewalttat begangen haben, ist in keiner der acht Städte angestiegen und überwiegend sogar beträchtlich gesunken. Sie lag 1998/99 zwischen 17,3 und 24,9 %, in den Jahren 2005 bis 2008 zwischen 11,5 und 18,1 %. Auch zu den Mehrfachtätern (fünf und mehr Gewaltdelikte während der letzten zwölf Monate) fällt der Trend insgesamt gesehen entsprechend aus (1998/99: Quoten zwischen 3,3 und 8,2 % 2005 – 2008: Quoten zwischen 3,0 und 5,0 %). Nur in zwei der acht Vergleichsstädte ist seit 1998 ein leichter Anstieg der Quoten der Mehrfachtäter festzustellen. Für die einzelnen Gewaltdeliktbereiche (Raub, Erpressung, Körperverletzung) zeigen sich ebenfalls in den meisten Gebieten rückläufige Trends teilweise gibt es aber auch über die Zeit konstante oder leicht ansteigende Raten. Insbesondere zur Körperverletzung sind die Befunde uneinheitlich. … Die Befunde der Schülerbefragung stimmen damit weitgehend mit dem überein, was sich auf der Basis von Versicherungsdaten zur Häufigkeit der Gewalt an Schulen ergibt. Diese sogenannten meldepflichtigen „Raufunfälle‘, bei denen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde, haben zwischen 1997 und 2007 pro 1.000 Schüler um 31,3 % abgenommen. Legt man nur solche Vorfälle zugrunde, bei denen es zu Frakturen gekommen ist (z. B. Nasenbeinbruch, Rippenbruch), beträgt der Rückgang sogar 44 %. * Die überwiegend positiven Trends zur Entwicklung der selbstberichteten Jugendgewalt in und außerhalb von Schulen finden ihre Entsprechung im Anstieg präventiv wirkender Faktoren und im Sinken gewaltfördernder Lebensbedingungen der Jugendlichen. So hat bei den befragten Jugendlichen die eigene Akzeptanz von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Interessen seit 1998 deutlich abgenommen. Parallel dazu unterstellen die Jugendlichen in den acht Städten 2005 bis 2008 weit häufiger als noch 1998/99, dass ihre Eltern, ihre Lehrer und ihre gleichaltrigen Freunde es missbilligen würden, wenn sie in einem Streit einen Mitschüler massiv schlagen würden. Ferner ist in sieben der acht Städte die Bereitschaft der Jugendlichen angestiegen, selbst erlebte Gewaltdelikte zur Anzeige zu bringen. Aus der Sicht der potenziellen Täter betrachtet, hat sich damit zum einen die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, in ihrem sozialen Umfeld wegen eigener Gewalttaten Kritik und massive Ablehnung zu erfahren. Zum anderen sehen sie sich mit einem steigenden Risiko konfrontiert, deswegen offiziell zur Verantwortung gezogen zu werden. Zu beachten ist ferner, dass der Anteil der Jugendlichen, die in den letzten zwölf Monaten keine elterliche Gewalt erlebt haben, in allen acht Städten durchweg deutlich angestiegen ist. Ferner hat auch die Quote derer, die in der Kindheit völlig gewaltfrei erzogen wurden, insbesondere in den Städten stark zugenommen, die vor zehn Jahren noch durch relativ hohe Quoten von innerfamiliär geschlagenen Kindern aufgefallen waren. Alle vier genannten Veränderungen haben offenbar zu den positiven Trends der Jugendgewalt wesentlich beigetragen. … * Sowohl aus Opfer- wie aus Tätersicht zeigen die Daten zur selbstberichteten Jugendgewalt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Gewalttaten begehen als deutsche Jugendliche. Bei den Mehrfachtätern erreichen Jugendliche aus dem ehemaligen Jugoslawien mit 9,4 % den höchsten Wert gefolgt von jungen Türken mit 8,3 %. Am anderen Ende der Skala stehen Jugendliche aus Asien mit 2,6 % und deutsche Jugendliche mit 3,3 %. Diese Unterschiede gleichen sich aber vollständig aus, wenn man differenzierter vergleicht, d.h. Jugendliche unterschiedlicher Herkunft mit denselben familiären, schulischen und sozialen Rahmenbedingungen sowie übereinstimmenden Werteorientierungen einander gegenüber stellt. Die insgesamt deutlich höhere Gewalttäterquote von jungen Migranten beruht danach auf mehreren Belastungsfaktoren, die bei ihnen weit stärker ausgeprägt sind als bei deutschen Jugendlichen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass junge Migranten weit häufiger als deutsche Jugendliche Opfer innerfamiliärer Gewalt werden. Besonders hoch belastet sind hier Jugendliche, deren Eltern aus der Türkei, aus dem früheren Jugoslawien sowie aus arabischen oder afrikanischen Ländern stammen. Die Erfahrung innerfamiliärer Gewalt erhöht zum einen unmittelbar die Gewaltbereitschaft der Betroffenen deutlich. Zum anderen treten bei diesen Jugendlichen die vier Belastungsfaktoren, die ihrerseits die Gewaltbereitschaft fordern, wesentlich häufiger auf. Dies gilt für den Alkohol- und Drogenkonsum, die Akzeptanz gewaltorientierter Männlichkeitsnormen (sogenannte „Machokultur‘), für das Schulschwänzen und für die Nutzung gewalthaltiger Medieninhalte. Der Alkohol- und Drogenkonsum fällt bei jungen Muslimen zwar schwächer aus als bei den anderen Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder den deutschen Jugendlichen, dafür sind sie aber von den anderen Belastungsfaktoren besonders stark betroffen. … * Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus prägen das Weltbild einer Minderheit von Jugendlichen in einigen Gebieten fällt deren Anteil allerdings alarmierend hoch aus. Eine erste Einschätzung über die Verbreitung von Stereotypen gegenüber Ausländern unter den deutschen Jugendlichen lässt sich anhand der Aussage „In Deutschland gibt es zu viele Ausländer‘ vornehmen. Dieser Aussage stimmen 11,8 % der Befragten überhaupt nicht zu, 23,6 % stimmen eher nicht zu, 34,8 % stimmen eher und schließlich 29,7 % stimmen voll und ganz zu. Damit zeigt sich, dass etwa zwei Drittel der deutschen Jugendlichen skeptisch gegenüber der Zahl der hier lebenden Ausländer eingestellt sind (64,5 %). Die Aussage, dass es in Deutschland zu viele Ausländer gebe, wird von verschiedenen Subgruppen nicht gleichermaßen geteilt. So liegt der Anteil an zustimmenden Mädchen zehn Prozentpunkte unter dem der Jungen. Weiterhin geht eine hohe Bildung mit einer geringeren Befürwortung dieser Aussage einher am seltensten vertreten mit 53,0 % die Gymnasiasten und Waldorfschüler diese Auffassung. Die größte Zustimmung findet diese Aussage unter den Hauptschülern, wobei 43,5 % der Schüler dieser Aussage sogar in hohem Maße zustimmen. Jugendliche aus den norddeutschen Gebieten äußern sich am seltensten zustimmend zu dieser Aussage, die höchsten Raten an zustimmenden Jugendlichen finden sich in den west- und süddeutschen Gebieten. Keine signifikanten Unterschiede sind zwischen den Groß- bzw. Mittelstädten und Landkreisen festzustellen in allen Gebieten befürworten jeweils zwei Drittel der Befragten tendenziell diese Aussage. Ein weiterer Indikator, der Stereotype gegenüber Ausländern misst, ist die Frage danach, wie angenehm oder unangenehm einer Person Angehörige verschiedener Gruppen als Nachbar wären. Zur Auswahl standen dabei: ein Italiener, ein Aussiedler aus Osteuropa, ein Türke, ein Deutscher, ein Jude, ein Dunkelhäutiger aus Afrika und ein Schwede. Die Befragten konnten ihre Antwort zwischen 1 „wäre mir sehr unangenehm‘ und 7 „wäre mir sehr angenehm‘ abstufen. Auffallend ist, dass die deutschen Jugendlichen lieber von deutschen Personen in ihrer Nachbarschaft umgeben sein möchten als von anderen Nationalitäten bzw. ethnischen Gruppen. Beliebte Nachbarn sind zudem schwedische und italienische Personen. Am unangenehmsten werden Aussiedler und Türken als Nachbarn empfunden. Bestimmten Bevölkerungsgruppen scheinen demzufolge größere Ressentiments entgegengebracht zu werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich das Bild in Ostdeutschland kaum von dem in Westdeutschland unterscheidet, obwohl es in den neuen Ländern wenig Ausländer gibt. Dies gilt vor allem für die türkischen und dunkelhäutigen Personen, die den ostdeutschen Jugendlichen eher unangenehm in ihrer Nachbarschaft wären. Insgesamt werden alle Gruppen von den ostdeutschen Befragten als etwas unangenehmer empfunden als von den westdeutschen Befragten. Die tendenzielle Übereinstimmung der Befunde aus Ost- und Westdeutschland spricht dagegen, dass den Aussagen primär eigene Erfahrungen und soziale Kontakte mit den jeweiligen Gruppen zugrunde liegen. Näher liegt die Interpretation, dass die deutschen Jugendlichen bei der Befürwortung oder Ablehnung verschiedener Gruppen als Nachbar in starkem Maß von Gefühlen kultureller Fremdheit oder kultureller Nähe geprägt sind, die über die Familie, die Freundeskreise und sicherlich z.T. auch durch die Medien vermittelt sind. Um zu einer Einschätzung über die Verbreitung von Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus unter den Jugendlichen zu gelangen, wird sich im Folgenden jedoch nicht auf Antworten zu einzelnen Aussagen gestützt. Stattdessen wird eine etablierte, im ALLBUS verwendete Skala herangezogen (Terwey et al. 2008). Die Befragten wurden gebeten, ihre Meinung zu verschiedenen Aussagen anzugeben, wobei sie ihre Antwort auf einer Skala von 1 „stimmt nicht‘ bis 7 „stimmt genau‘ abstufen konnten. Betrachten wir zunächst nur die Aussagen, die ausländerfeindliche Einstellungen erfassen, so wird deutlich, dass diese von einem beträchtlichen Teil der deutschen Jugendlichen befürwortet werden. Große Zustimmung erfährt die Aussage, dass die in Deutschland lebenden Ausländer ihren Lebensstil besser an den der Deutschen anpassen sollten. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen (57,2 %) äußert sich hier zustimmend etwa jeder fünfte Befragte verortet sich sogar in der obersten Zustimmungskar tegorie (28,3 %). Im Unterschied zu den übrigen Items wird mit dieser Aussage eine eher leichte Form ausländerfeindlicher Einstellungen erfasst. In hohem Maße befürworten die Schüler allerdings auch die Aussagen, dass die in Deutschland lebenden Ausländer keine Bereicherung für die Kultur in Deutschland darstellen‘, die meisten Ausländer kriminell sind und die in Deutschland lebenden Ausländer bei Knappheit der Arbeitsplätze wieder in ihre Heimat geschickt werden sollten. Etwa vier von zehn Befragten verorten sich in den oberen drei Kategorien, mindestens jeder siebte in der Extremkategorie „stimmt genau‘. Mit den übrigen beiden ausländerfeindlichen Aussagen identifizieren sich die Jugendlichen in schwächerem Maß, wobei sich aber noch immer etwa jeder fünfte Jugendliche zustimmend äußert (22,0 % bzw. 21,6 %). Mehr als drei Viertel der Schüler lehnen die Aussagen, dass man den Ausländern in Deutschland jegliche politische Betätigung untersagen sollte und diese ihre Ehepartner nur unter sich auswählen sollten, ab (78,0 % bzw. 78,4 %). Etwa jeder achte bis zehnte Befragte liegt in der obersten Zustimmungskategorie (10,6 bzw. 12,1 %). Da die Antworten zu den einzelnen Aussagen hoch miteinander korrelieren, werden sie in einer Skala „Ausländerfeindliche Einstellungen‘ zusammengefasst. Hierzu wird der Mittelwert aus allen Aussagen gebildet. Die Skala … in drei Gruppen unterteilt: 1) Diejenigen, die diese Aussagen im Durchschnitt ablehnen, 2) diejenigen, die ihnen eher zustimmen … diejenigen, die den Aussagen sehr zustimmen. Als sehr ausländerfeindlich … müssen nach dieser Kategorisierung 14,4 % der Befragten gelten, 26,2 % als eher ausländerfeindlich und die übrigen 59,4 % als nicht ausländerfeindlich. Antisemitische Einstellungen werden von den Jugendlichen in deutlich geringerem Maße vertreten als ausländerfeindliche Einstellungen. Weniger als jeder siebte Schüler findet die von Deutschen an Juden begangenen Verbrechen nicht schrecklich oder meint, dass Juden auf der Welt zuviel Einfluss hätten bzw. durch ihr Verhalten an ihrer Verfolgung nicht ganz unschuldig seien. Erneut wurde aus den Aussagen eine Mittelwertskala „Antisemitische Einstellungen‘ gebildet, … . Entsprechend der Klassifikation für ausländerfeindliche Einstellungen werden drei Gruppen unterschieden. Mehrheitlich äußern sich die Befragten ablehnend gegenüber diesen Aussagen (84,3 %), 8,4 % stimmen eher zu, 4,3 % stimmen in hohem Maße zu. Eine Analyse dieser Einstellungen nach Geschlecht ergibt, dass ausländerfeindliche und antisemitische Einstellungen bei männlichen Schülern deutlich weiter verbreitet sind als bei weiblichen Schülern: 19,0 % aller männlichen Befragten, jedoch nur 9,6 % der weiblichen Befragten können als sehr ausländerfeindlich bezeichnet werden. Es bestätigen sich damit die Befunde, die bezüglich einer Geschlechterdifferenz bereits in anderen Studien aufgezeigt wurden. Mehr als jeder vierte männliche Neuntklässler stimmt den Aussagen zumindest eher zu (27,4 %), bei den weiblichen Befragten liegt der Anteil etwas niedriger (24,9 %). Antisemitische Haltungen vertreten die männlichen Neuntklässler ebenfalls häufiger als ihre weiblichen Altersgenossen: 6,4 % sind sehr, 10,4 % eher antisemitisch eingestellt bei Mädchen trifft dies nur auf 2,1 % bzw. 6,3 % der Befragten zu. Die Ausprägung ausländerfeindlicher Einstellungen differiert weiterhin signifikant mit der Schulform. Mit fast zehn Prozentpunkten Unterschied zum Gesamtdurchschnitt der Stichprobe (14,4 %) lässt sich für Hauptschüler mit 23,1 % der höchste Anteil an sehr ausländerfeindlich eingestellten Jugendlichen feststellen Gymnasiasten und Waldorfschüler weisen den geringsten Anteil auf (6,8 %). Der Befund, dass mit höheren Schulformen und damit höherem Bildungsniveau eines Befragten seine Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen sinkt, gilt im Übrigen für beide Geschlechter gleichermaßen. Weniger ausgeprägt sind die Bildungsunterschiede bei den eher zustimmenden Jugendlichen, wobei auch hier mit höherer Bildung der Anteil an Befürwortern dieser Aussagen abnimmt. Im Hinblick auf antisemitische Einstellungen ergibt sich ebenfalls ein klarer Zusammenhang mit der Bildung der Befragten: Im Vergleich zu Gymnasiasten/Waldorfschülern stimmen etwa fünfmal so viele Förder- bzw. Hauptschüler den jeweiligen Aussagen in hohem Maße zu. Die Realschüler und Gesamtschüler liegen dazwischen, wobei sie näher an den Hauptschülern liegen als an den Werten der Gymnasiasten. Signifikante, aber in ihrer Größe weniger bedeutsame Unterschiede ergeben sich bei Betrachtung der ausländerfeindlichen Einstellungen nach Gebietskategorien. So weisen die ostdeutschen Befragten zwar die höchste Rate der Jugendlichen mit hoher Zustimmung zu diesen Aussagen auf, die Werte unterscheiden sich jedoch nur geringfügig von denen der west- und süddeutschen Befragten. …. Deutlichere Unterschiede zwischen den Gebieten ergeben sich dagegen für antisemitische Haltungen, die von mehr als doppelt so vielen ostdeutschen wie norddeutschen Befragten befürwortet werden. Ganz ähnlich zeigt sich dies bei den mittleren Zustimmungsraten: die norddeutschen Neuntklässler finden sich in diesen Aussagen am wenigsten wieder, die ostdeutschen am ehesten. Jugendliche aus Groß- und Mittelstädten vertreten im Übrigen in etwa gleichem Maße antisemitische bzw. ausländerfeindliche Haltungen. Etwas häufiger findet man in Landkreisen eine ausländerfeindliche oder antisemitische Gesinnung, der Abstand zu den Groß- und Mittelstädten ist insgesamt jedoch eher gering. Dieser Befund ergibt sich auch dann, wenn nur die alten Bundesländer in die nach Stadt-Land differenzierte Analyse einbezogen werden. … Das Nutzen bestimmter, Ausländer abwertender Schimpfwörter wie „Kanake‘, „Dönerfresser‘ oder „Nigger‘ und das Aufregen über Ausländer scheinen dagegen unter deutschen Jugendlichen relativ weit verbreitet zu sein. So geben 43,9 % aller befragten Schüler an, mindestens selten eines dieser Wörter im letzten Jahr verwendet zu haben, etwa jeder achte (12,7 %) tut dies sogar oft oder sehr oft. Noch häufiger berichten die Schüler, dass sie sich über Ausländer sehr stark aufgeregt haben. Mehr als ein Drittel hat dies selten bis manchmal in den letzten zwölf Monaten getan (38,5 %), jeder sechste sogar noch häufiger (16,9 %).5′ Beide Aussagen wurden zu einem Index zusammengefasst, in den der höchste Wert aus beiden Items einging. Obwohl die vorgestellten Verhaltensweisen von uns als rechtsextrem bezeichnet werden, sollte im Sinne der Definition nach Heitmeyer (1987) korrekterweise erst dann von rechtsextremen Verhaltensweisen gesprochen werden, wenn die Ausübung mit entsprechenden Einstellungen einhergeht. Rechtsextremismus beinhaltet eine Einstellungs- und eine Verhaltenskomponente, wobei letztere im Wesentlichen auf Gewaltverhalten fokussiert. Es erscheint daher notwendig, die Beziehungen zwischen niedrigschwelligem Verhalten und Ausländerfeindlichkeit zu untersuchen. … Im Rahmen einer weiterführenden Analyse sollen die regionalen Besonderheiten genauer untersucht werden, um darauf gestützt Vorschläge für Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können. Darauf soll im zweiten Forschungsbericht näher eingegangen werden. “ Den vollständigen Text der Studie entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link oder dem Anhang.

http://www.bmi.bund.de
http://www.kfn.de/home/Forschungsbericht_107.htm

Quelle: BMI bildungsklick.de KFN Die Zeit taz

Dokumente: Forschungsbericht_des_BMI__und_KFN___Jugendliche_in_Deutschland____.pdf

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