Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist seit Jahren rückläufig. Dennoch verließen 2012 immerhin 5,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus den allgemeinbildenden Schulen das Schulsystem ohne einen Abschluss. Besonders betroffen sind Jugendliche in den neuen Ländern. Den Negativrekord hält Mecklenburg-Vorpommern.
Einen Überblick der regionalen Unterschiede und der Veränderungen seit 1997 bieten Deutschlandkarten, die das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) auf seiner Internetseite „Nationalatlas aktuell“ präsentiert. Caroline Kramer, Professorin am Institut für Geographie und Geoökologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), erläutert die Hintergründe und mögliche Ursachen der ungleichen Entwicklung.
“ Aktuelle Deutschlandkarten belegen die erheblichen regionalen Disparitäten bezüglich der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Besonders betroffen sind Jugendliche in den neuen Ländern. Ihre Aussichten auf einen anschließenden Ausbildungsplatz sind sehr gering. (…)
Markante Unterschiede in den Ländern
Eine allgemeinbildende Schule ohne einen Abschluss zu verlassen, kann verschiedene Gründe haben, da diese Jugendlichen zuvor auch sehr unterschiedliche Schularten besucht haben. Im bundesdeutschen Durchschnitt gingen 52 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss zuvor auf eine Förderschule, viele von ihnen mit den Förderschwerpunkten Lernen oder Geistige Entwicklung. Diese werden auf einem niedrigeren schulischen Anforderungsniveau unterrichtet und erreichen häufig keinen Hauptschulabschluss. In einigen Ländern ist der Erwerb eines Hauptschulabschlusses an der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen nicht möglich. Besonders hohe Anteile aus Förderschulen wiesen 2012 alle neuen Länder auf (zwischen 77 Prozent in Mecklenburg‐Vorpommern und 56 Prozent in Thüringen, aber auch in Baden‐Württemberg kamen 57 Prozent dieser Abgänger aus einer Förderschule; (…)). Der andere Teil der Jugendlichen ohne Schulabschluss besuchte zuvor überwiegend eine Hauptschule.
Eine wichtige Entscheidung wird somit bei der Zuteilung der Schülerinnen und Schüler in die jeweilige Schulart getroffen: Für Kinder in Förderschulen ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, höchstens einen Hauptschulabschluss zu erreichen oder ohne Schulabschluss entlassen zu werden. Diese Zuteilungen sind nicht frei von landesspezifischen und institutionellen Randbedingungen und schwanken 2012/13 zwischen Förderquoten von elf Prozent in Mecklenburg‐Vorpommern und fünf Prozent in Rheinland‐Pfalz (…). Zudem unterliegen sie zum Teil dem bildungspolitischen oder bildungsplanerischen Ziel, eine bestimmte Schulart auch bei sinkenden Schülerzahlen an einem bestimmten Standort zu erhalten. Dass dadurch in einigen Ländern oder Regionen bei mehr Schülerinnen und Schülern ein Förderbedarf diagnostiziert wird als in anderen Regionen, muss äußerst kritisch beurteilt werden. (…)
Wer sind diese jungen Menschen, die ohne einen Schulabschluss ins Erwerbsleben starten?
… Sie sind weitaus häufiger männlich als weiblich. … Der Abstand zwischen Jungen und Mädchen ohne Hauptschulabschluss entspricht derzeit einem Verhältnis von etwa 3:2. … Noch weitaus größer als die Geschlechterunterschiede sind die Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Kindern. Sowohl für Jungen als auch für Mädchen liegt das Verhältnis derzeit bei 1:2, d.h. der Anteil der ausländischen Kinder, die ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, ist doppelt so hoch wie bei den deutschen Kindern. … Ausländische Jungen verlassen deutschlandweit zu 13,3 Prozent die Schule ohne Abschluss, wohingegen dies nur auf 3,9 Prozent der deutschen Mädchen zutrifft. (…) Bedenklich sind die hohen Anteile von Jugendlichen ohne Schulabschluss in den neuen Ländern, in denen jedoch nur sehr wenige ausländische Kinder leben, und die niedrigen Anteile beispielsweise in Hessen und Baden‐Württemberg, wo deutlich mehr ausländische Kinder die Schule besuchen. (…)
Aktueller Handlungsbedarf
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass derzeit in einzelnen Regionen Deutschlands noch mehr als zehn Prozent der Jugendlichen ohne Schulabschluss aus dem allgemeinbildenden Schulsystem entlassen werden. Dabei sind die regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands beträchtlich. (…) Nicht wenigen dieser Jugendlichen gelingt es, an beruflichen Schulen einen Hauptschulabschluss nachzuholen. Daher stellt sich die Frage, inwieweit es mit einer früheren praxisnahen Ausbildung möglich wäre, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu verringern. Die Integration dieser jungen Menschen in den Ausbildungs‐ und Arbeitsmarkt ist von großer Wichtigkeit – (…) – und stellt damit auch aus gesellschaftlicher Perspektive eine besondere Herausforderung für die Bildungssysteme der Länder dar. „
Quelle: Leibnitz-Institut für Länderkunde; bildungsklick.de