Trotz der vielfältigen Aktivitäten auf Bundesebene zur Migrations- und Integrationspolitik in den vergangenen Jahren fehlt nach wie vor ein schlüssiges Gesamtkonzept.
Es gibt immer weniger Politiker, die leugnen, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden ist. Die Integrationsgipfel und die Islamkonferenzen haben stattgefunden, es gibt ein nationales Integrationsprogramm und die rechtlichen Möglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten, nach Deutschland einzureisen, wurden erleichtert. Und trotzdem greifen diese Reformen zu kurz.
Für eine Weiterentwicklung in der Migrations- und Integrationspolitik sei daher notwendig:
## die Bundespolitik, Bundesministerien und nachgeordneten Behörden interkulturell zu öffnen.
## Migrationspolitik kohärent zu gestalten.
## Flüchtlingsschutz und humanitäres Aufenthaltsrecht auf frühzeitige Teilhabe auszurichten.
## Zuständigkeiten in der Migrations- und Integrationspoltik neu zu ordnen.
“ … Wer Integrationspolitik als Querschnittsaufgabe politisch ernst nehmen will, muss sie strukturell wirkungsvoll verankern. Bei der Frage, wer für die Integrationspolitik zuständig sein soll, muss die Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen Institution im Mittelpunkt stehen. …
Auf der Bundesebene ist die Position der Integrationsbeauftragten im Bundeskanzleramt angesiedelt. Tatsächliche Zuständigkeiten besitzt sie aber nicht. Im Kern beschränkt sich die Tätigkeit der Integrationsstaatsministerin auf die Funktion als „Ombudsmann“ bzw. „Ombudsfrau“ für die Eingewanderten. Die Einbindung in die Hierarchie im Bundeskanzleramt schränkt die Möglichkeit, diese Rolle auch tatsächlich wahrzunehmen, deutlich ein. Zudem fehlt dem Amt eine operative Zuständigkeit: Weder ist es in die Abstimmung von Gesetzesvorhaben institutionell eingebunden, noch verfügt es über eigene Mittel zur Umsetzung von Programmen und Initiativen – … Außerdem ist der Integrationsstaatsministerin durch die Einbindung in die Hierarchie des Bundeskanzleramtes die Möglichkeit zum offenen Konflikt mit anderen Ministerien weitgehend verstellt. …
Faktisch wird die Integrationspolitik auf Bundesebene im Bundesinnenministerium (BMI) bestimmt. Neben der Zuständigkeit für das Ausländer- und Aufenthaltsrecht sowie für das Staatsangehörigkeitsrecht verfügt das BMI mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über eine große nachgeordnete Behörde. Das BAMF ist u. a. für die Umsetzung von Förderprogrammen und die Organisation der Integrationskurse zuständig und betreibt auch wissenschaftliche Forschung. …
Ein Ministerium, das entsprechend der in den Perspektivwechseln formulierten Kriterien Politik betreiben könnte, ist also auf Bundesebene nicht vorhanden. …
Vorschlag des Gesprächkreises Migration und Integration der Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Integrationspolitik sollte als eigenständige Abteilung in einem Bundesministerium verankert werden. Dies würde zum einen das Thema endlich ernsthaft „an den Kabinettstisch“ bringen, und zum anderen auch das Ministerium für die Umsetzung der Politik zuständig machen, das sie auch formuliert hat.
Federführung im BMAS
Als erste Option bietet sich eine Eingliederung in das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an. Gesellschaftliche Teilhabe erfolgt in Deutschland nach wie vor in erster Linie über Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt. Gerade hier sind Benachteiligungen aktuell zudem besonders hoch. Durch diese neue Zuständigkeitsregelung ist auch eine Verbindung von Migrations- und Integrationspolitik leichter möglich. …
BMI weiter zuständig für Aufenthaltsrecht
Nötig wäre zudem ein Umbau der ausländerrechtlichen Zuständigkeiten im BMI. Die Auslegung und Weiterentwicklung des Aufenthaltsrechts sollte in Zukunft von der Prämisse „Wie können die Leute mit dem für sie besten Aufenthaltsstatus hier bleiben“ geleitet werden. Ein solcher Kulturwandel erscheint möglich, wenn er von der Haus spitze gewollt und eingefordert wird. Eine vollständige Herauslösung des Ausländer- und Aufenthaltsrechts aus dem Innenministerium erscheint aktuell nicht möglich.
Zuständigkeiten des BAMF neu regeln
Geändert werden müsste die Struktur und die Zuordnung des BAMF. Die auf Flüchtlingsaufnahme und Flüchtlingsschutz orientierten Arbeitseinheiten sollten im Zuständigkeitsbereich des BMI verbleiben, aber die für die Integrationspolitik relevanten Arbeitseinheiten sollten in ein neues beim Arbeits- und Sozialministerium angesiedeltes „Bundesamt für Integration“ überführt werden. Auch die Zuständigkeit für die Ausgestaltung und Umsetzung der Integrationskurse sollten dahin verlagert werden.
Amt der Integrationsbeauftragten auflösen
Das Amt der Integrationsbeauftragten wird aufgelöst. Wichtig ist jedoch, einen Teil der Ombudsfunktion der Integrationsbeauftragten zu erhalten: Hier bietet sich eine Aufwertung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes an. Erhalten bliebe neben der Zuständigkeit für Diskriminierungen von Menschen mit Migrationshintergrund die Zuständigkeit für die weiteren Tatbestände des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). … „
Das Positionspapier in vollem Textumfang entnehmen Sie dem WISO Diskurs – Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik – der Fridrich-Ebert-Stiftung im Anhang.
Quelle: WISO Diskurs Oktober 2013
Dokumente: WISO_Diskurs_Perspektivwechsel__10250.pdf