Das Übergewicht beim Fordern führt zu Sanktionen

Auszüge aus der Publikation „Sanktionen im Hartz-IV-System: Funktion, Entwicklung und DGB-Positonen“ aus der Reihe arbeitsmarktaktuell:
Zur Funktion von Sanktionen
Sanktionen sind eng mit dem „Fordern“ von Arbeitsuchenden und Hilfeempfänger/innen im Hartz-IV-System verknüpft. Das Fordern ist gleich in § 2 des Hartz IV-Gesetzes (SGB II) geregelt: Die Hilfeempfänger und ihre Familien müssen „alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit einsetzen“. Wer nach Auffassung des Jobcenters gegen die Mitwirkungspflichten verstößt wird sanktioniert. … Die Mitwirkungspflichten sind umfassend. … Das Fördern steht hingegen nur im Ermessen der Jobcenter und ist abhängig von den zur Verfügung stehenden Mitteln sowie der Einschätzung des Vermittlers oder Fallmanagers, ob eine bestimmte Förderung im Einzelfall sinnvoll ist. …

Im Unterschied zur früheren Arbeitslosenhilfe, die eine Sperrzeit nur für die Leistungsberechtigten selbst kannte und wo notfalls die Sozialhilfe in einer unabweisbaren Notlage einsprang, bedrohen Sanktionen im Hartz-IV-System die Hilfeempfänger und ihre Familien (Bedarfsgemeinschaften) insgesamt in ihrem Lebensnotwendigen. Die Kürzung oder gar Streichung des Existenzminimums ist schon formallogisch kaum zu begründen. …

Die enge Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik mit einer Fürsorgeleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialhilfe) ist charakteristisch für das Hartz-IV-System und zugleich eines seiner Grundprobleme. Mit Hartz IV und anderen Maßnahmen der Hartz-Gesetze sollte erklärtermaßen der Niedriglohnsektor in Deutschland ausgebaut werden, nach dem Leitmotiv �Jede Arbeit ist besser als keine’. …

Zur Entwicklung der Sanktionen
„Hartz-IV-Sanktionen auf Rekordhöhe“ lautete die Schlagzeile im letzten Jahr, als feststand, dass erstmals seit dem Start von Hartz IV in 2005 mehr als eine Million Sanktionen durch die Jobcenter neu verhängt wurden. In den letzten Jahren ist dabei ein Anstieg um jeweils rund 100.000 festzustellen. …

Im ersten Quartal 2013 sank die Zahl neu festgestellter Sanktionen allerdings erstmals seit 2009 wieder. Ob dies eine Trendumkehr bedeutet, ist noch offen. Die BA führt die gesunkene Zahl auf eine „bessere Beratung“ in den Jobcentern zurück. …

Die relativ hohe Zahl neu festgestellter Sanktionen verdeckt leicht, dass in Relation zu allen Hilfeempfängern nur ein sehr kleiner Teil der Hartz-IV-Bezieher sanktioniert wird. Betrachtet man Jahresdurchschnittszahlen, zeigt sich, dass zwar seit 2007 der durchschnittliche Bestand an sanktionierten Hilfeempfängern gestiegen ist, von 124.000 auf rund 150.000, aber eben auf deutlich niedrigerem absoluten Niveau als bei den neu festgestellten Sanktionen im Laufe eines Jahres. Setzt man die Zahl der an einem Stichtag sanktionierten Hilfeempfänger in Relation zu allen Hilfeempfängern, zeigt sich, dass „nur“ rund 3,4 Prozent aller erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger im Durchschnitt sanktioniert sind. Allerdings ist die Sanktionsquote von 2007 (2,3 Prozent) bis 2012 (3,4 Prozent) kontinuierlich gestiegen. …

Betrachtet man die Sanktionsquoten nach einzelnen Personengruppen, so zeigt sich, dass Männer relativ häufig sanktioniert werden mit 4,7 Prozent in 2012. Frauen (2,1 Prozent) und insbesondere ältere Arbeitnehmer/innen über 50 (1,1 Prozent) werden demgegenüber deutlich seltener sanktioniert. Die relativ häufigsten Sanktionen werden jedoch bei unter 25-Jährigen verhängt. Dies ist einerseits ein Beleg für die auch gesetzlich vorgesehene intensivere Betreuung und Vermittlung junger Erwachsener, andererseits aber auch ein Hinweis auf ein rigideres Anwenden der gesetzlichen Regelungen auf diesen Personenkreis. …

Praxisprobleme in den Jobcentern
… Die im Vergleich zu anderen Personengruppen hohe Sanktionsquote bei Jugendlichen zeigt, dass die Jobcenter auf diesen Personenkreis ein besonderes Augenmerk legen. Dies ist grundsätzlich auch richtig, wenn es dem Ziel dient, junge Menschen in das Berufsleben zu integrieren. Hieran bestehen insofern Zweifel, als dass die schärferen Sanktionen für Jugendliche auch dazu führen können, dass die Mitwirkungspflichten nicht nachgeholt werden, sondern sich junge Erwachsen komplett der Betreuung entziehen. Es besteht die Gefahr des Abrutschens dieser Jugendlichen z.B. in Gelegenheitsjobs, Obdachlosigkeit oder gar in die Kleinkriminalität. Ein „Abtauchen“ der Jugendlichen, die dann nicht mehr von staatlichen Stellen erreicht werden (und z.B. weiter bei den Eltern leben), verlagert die Probleme nur in die Zukunft, in der sie dann schwieriger zu lösen sind. Beschäftigte in den Jobcentern berichten immer wieder von Jugendlichen, oft ohne Schul- und Berufsabschluss, die nach mehreren (für die berufliche Integration verlorenen) Jahren wieder „auftauchen“, weil ihre finanziellen Mittel nicht ausreichen. Ein durch überzogene Sanktionen erreichter Rückgang der Zahl der Leistungsberechtigten ist ein statistischer Scheinerfolg, sowohl hinsichtlich der Integration junger Menschen als auch der gesamtgesellschaftlichen Kosten.

Der offensichtlich pädagogisch gemeinte Ansatz, junge Hilfeempfänger schärfer zu sanktionieren, hat auch keine empirische Grundlage. …

Rechtliche Bewertung und DGB-Positionen
Die Sanktionen sollten nach Auffassung des DGB grundlegend überarbeitet werden. ## Mehr Flexibilität und Einzelfallbezogenheit
## Anspruch auf flankierende Sozialleistungen
## Keine indirekte Unterstützung von Lohndumping
## Ein-Euro-Jobs nur auf freiwilliger Basis
## Lebensunterhalt sicherstellen
## Wohnungsverlust vorbeugen
## Aufhebung von Sanktionen ermöglichen
## Keine schärferen Regeln für Jugendliche
## Unabhängige Beratung stärken „
Die Publikation arbeitsmarktaktuell entnehmen Sie in vollem Textumfang bitte dem Anhang.

Quelle: DGB Bundesverband

Dokumente: Sanktionen_im_HartzIVSystem.pdf

Ähnliche Artikel

Cover des Kinder- und Jugendhilfereports

Kinder- und Jugendhilfereport 2024 erschienen

Der „Kinder- und Jugendhilfereport“ (KJH-Report) bündelt wichtige statistischen Daten zur gesamten Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und verdichtet sie zu Kennzahlen. Basierend darauf liefert der

Skip to content