Vergabepraxis ändern, damit die Qualität den Ausschlag gibt

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit hat im Juni 2013 eine Expertise zur Vergabepraxis in Dänemark, England und Österreich veröffentlicht. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das europäische Vergaberecht Spielräume jenseits des „deutschen“ Weges lässt, die bislang aber nicht genutzt werden. Mit der Erneuerung der EU-Richtlinie zum 1.1.2014, die bis 2016 umgesetzt werden muss, bekommt diese Erkenntnis zusätzliche Brisanz und Aktualität: Denn die EU ruft die Nationalstaaten dazu auf, besondere Regelungen für die Beauftragung von sozialen Dienstleistungen zu schaffen, damit deren Besonderheit – nämlich der direkten Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Menschen – Rechnung getragen wird. Die EU hat damit die Möglichkeit eröffnet, etwa bei Arbeitsmarktdienstleistungen, die diese Spezifik aufzeigen, die Beauftragung von Trägern anders zu organisieren.

Auszüge aus dem Positionspapier Von den jungen Menschen ausgehen.:
“ … Als Leitprinzipien der Angebote für benachteiligte junge Menschen haben sich insbesondere individuelle, flexible und an den Lebenswelten der jungen Menschen orientierte Förderansätze bewährt. Die gewachsene, vertrauensvolle Beziehung zu ihren Ansprechpersonen in bekannter Umgebung erweist sich als ein zentraler Faktor für die positive Entwicklung der Jugendlichen. Damit die Übergangsprozesse gut verlaufen, sind auch die beteiligten Institutionen auf eine dauerhafte, langfristig angelegte, stabile und vertrauensvolle Kooperation angewiesen. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit Betrieben, die sich feste und verbindlich agierende Ansprechpersonen wünschen, beispielsweise in Praktikumsphasen oder während der Ausbildung.

Trägerwechsel in kurzen Abständen müssen deshalb strukturell vermieden werden (bislang sind sie im System angelegt). Dies ist nur durch längere Vertragslaufzeiten oder Rahmenvereinbarungen zu erreichen.

Partizipation von jungen Menschen ermöglichen
Eine nachhaltige Förderung von jungen Menschen ist ohne deren aktive Beteiligung, ohne die „Koproduktion“ der Betroffenen im pädagogischen Prozess, nicht zu erzielen. Jugendliche und junge Erwachsene müssen bei der Ausgestaltung der Förderangebote, bei der Wahl der Methoden oder der Gruppenbildung mitwirken können. Dies steigert nachweislich ihre Sozialkompetenzen. Im Rahmen der Auftragsausführung müssen Konzepte – nach Abstimmung mit dem Auftraggeber – regional modifizierbar sein, um sie im Interesse der Zielgruppen weiterentwickeln zu können. …

Die Qualität der Arbeit des Trägers und das Votum der regionalen Akteure bei der Angebotsbewertung berücksichtigen
Sollten Qualitätsmerkmale eines Trägers bei der Angebotsbewertung im Vergabeverfahren zukünftig stärker als bisher berücksichtigt werden, bedarf es dazu nachvollziehbarer und transparenter Prüfkriterien. Bestandteil der Erfolgsbemessung darf nicht nur die unmittelbare berufliche Integration der Jugendlichen sein, sondern muss beispielsweise auch die Erreichung individueller Integrationsfortschritte sein. Ein gutes Konzept der Erfolgsmessung für jede Maßnahme beinhaltet entsprechende Kriterien, die zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer abgestimmt werden.

Bei Förderangeboten oder Programmen, die in einer Gesamtförderstruktur eingebettet sind, wie etwa die Berufseinstiegsbegleitung , sollten die Voten der beteiligten regionalen Kooperationspartner – z.B. die Schulleitungen – angemessen gewürdigt werden.

Die Kriterien für Qualität festlegen und transparent machen
Mit der Änderung der Vergabeordnung zeigt die Bundesregierung ihr Bestreben, die vergaberechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Qualitätsmerkmale eines Trägers bei der Angebotsbewertung im Vergabeverfahren zukünftig stärker als bisher berücksichtigt werden können (sog. bieterbezogene Qualitätskriterien). Eine wesentliche Voraussetzung hierfür stellt aber die Existenz objektiver, nachvollziehbarer und operationalisierter Qualitäts- und Prüfkriterien dar. Das könnten wissenschaftlich erprobte Kriterien sein oder solche, die auf dem Verhandlungswege zwischen staatlicher Seite und Vertretungen der Leistungserbringer gefunden werden. Die Qualitätsprüfung selbst sollte von einer neutralen dritten Instanz durchgeführt werden. …

Netzwerke im Rahmen einer regionalen Förderstruktur an Stelle von Einzelmaßnahmen fördern

Wir brauchen flexible, anpassungsfähige Förderangebote, die ein kontinuierliches, aufeinander abgestimmtes und transparentes Zusammenarbeiten verlässlicher regionaler Träger ermöglichen. Deshalb muss eine Netzwerkarbeit und Arbeitsteilung von Trägern im Rahmen einer Strukturförderung (Beispiel: „Neue Förderstruktur“ im Rahmen des BQF-Programms des BMBF 2001, Modellversuch) erreicht werden, die den jungen Menschen individuelle und passgenaue Qualifizierungswege ermöglicht. Um solche Förderangebote zu schaffen, könnten Rahmenvereinbarungen für umfangreiche Förderzeiträume (5 Jahre) mit den am Netzwerk beteiligten Trägern abgeschlossen werden. Die konkreten Aufträge könnten dann zwischen Leistungsträger und -erbringer immer wieder aktualisiert und spezifiziert werden. Längere Vertragslaufzeiten erhöhen auch die Planungssicherheit der Träger und wirken sich somit positiv auf die Kontinuität der Arbeit und des Personals aus.

Anforderungen an die regionalen Netzwerkträger sind:
Der Träger ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und ## hat die Arbeit mit den Jugendlichen der betreffenden Zielgruppen in seinem Leitbild und in seinen Grundsätzen verankert.
## hat nachweisbar Kompetenzen und Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf.
## ist nachweisbar mit den anderen Akteuren vor Ort vernetzt und kooperiert mit diesen.
Spielräume nutzen, um andere Formen als die zentrale Vergabe zu wählen
Neben der öffentlichen Ausschreibung (europaweit: das sog. offene Verfahren), die einen unbeschränkten Kreis von Unternehmen zur Abgabe von Angeboten auffordert, lässt die Vergabeordnung weitere Verfahren zu: ## die beschränkte Ausschreibung (europaweit: das nicht offene Verfahren), die vorsieht, dass nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird
## die freihändige Vergabe (europaweit: das Verhandlungsverfahren)
Darüber hinaus sollte die Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis – als eine alternative Form der Beauftragung – insbesondere im Rechtskreis SGB II verstärkt in Erwägung gezogen beziehungsweise modellhaft erprobt werden. …

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit plädiert dafür, die Chance für eine umfassende Reform der Vergabegesetzgebung im Zuge der neuen Vorgaben durch die EU-Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungen zu nutzen. … “

www.jugendsozialarbeit.de

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Dokumente: KV_Positionspapier_Vergabe_veraendern_Qualitaet_foerdern_20092013.docx.pdf

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