Das Bundesministerium für Bildung und Forschung legt mit einer Auswertung des Mikrozensus 2007 erstmals repräsentative Daten zur Teilzeitausbildung vor. Für die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen liegen zum Teil schon Datenquellen vor, bei denen eine Sekundärauswertung möglich war. Für die Seite der Betriebe jedoch existiert keine repräsentative Erhebung, die den Bedarf an Teilzeitausbildungsplätzen, das Interesse an einer Ausbildung in Teilzeit oder das Wissen über diese zum Inhalt hat.
Auzüge aus der Veröffentlichung zur Berufsbildungsforschung des BMBF Teilzeitberufsausbildung: Inanspruchnahme, Potentiale, Strukturen:
“ … Obwohl die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon seit längerer Zeit unumstritten eines der zentralen gesellschaftlichen und politischen Anliegen ist, wurde dem Teilaspekt der Vereinbarkeit von Familie und Berufsausbildung in der Vergangenheit wenig Aufmerksamkeit eingeräumt. Während Teilzeitarbeit im Berufsleben überwiegend etabliert ist, geht die reguläre Berufsausbildung weiter von einer 40-Stunden- Woche zuzüglich Lernzeiten aus. Jugendliche mit Familienverantwortung, insbesondere junge Alleinerziehende, haben aufgrund ihrer Lebenssituation aber nicht die gleichen Chancen, eine berufliche Erstausbildung in Vollzeit zu absolvieren, wie dies Gleichaltrige ohne Kinder haben. Eine qualifizierte Ausbildung ist jedoch eine der wichtigsten Voraussetzungen für die nachhaltige Integration in das Berufsleben und die Sicherung – auch der Kinder – gegen das Risiko der Armut. Ein qualifizierender Berufsabschluss verbessert ganz entscheidend die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt.
Junge Eltern, die den Wunsch haben, eine Ausbildung aufzunehmen, werden vonseiten potenzieller Ausbildungsbetriebe in vielen Fällen noch immer mit Vorbehalten konfrontiert. Dies gilt umso mehr für junge Alleinerziehende. In Anbetracht ihrer Erziehungspflichten wird ihnen oft von vornherein eine mangelnde Leistungsfähigkeit unterstellt. Die regulären Bedingungen einer Ausbildung im dualen System sind für junge Eltern oft auch tatsächlich ungeeignet.
Mit der Verankerung der Möglichkeit zur Teilzeitberufsausbildung im Jahr 2005 im Berufsbildungsgesetz wurde Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, eine Ausbildung im dualen System zu machen und gleichzeitig ihren familiären Verpflichtungen nachkommen zu können. Auf gemeinsamen Antrag der Auszubildenden und der Ausbildenden können die zuständigen Stellen eine Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit vornehmen, sofern ein „berechtigtes Interesse“ vorliegt. Hierunter fällt auch die Betreuungspflicht eines eigenen Kindes oder pflegebedürftiger Angehöriger. Auch bei Müttern oder Vätern, die bereits früher eine Ausbildung begonnen haben, aber diese noch nicht abgeschlossen haben, kann ein „berechtigtes Interesse“ vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für eine „Abkürzung“ vor, haben die Antragsteller einen Rechtsanspruch hierauf. Allerdings definieren die einzelnen Kammern die Voraussetzungen individuell unterschiedlich. …
Schulabschluss und der Anteil mit einer abgeschlossenen Ausbildung gesunken. Der Anteil der jungen Eltern ohne Berufsabschluss, die sich nicht (mehr) im beruflichen Bildungssystem befinden, also weder eine duale noch eine schulische Berufsausbildung absolvieren, ist gesunken. Gleichzeitig befinden sich auch weniger junge Eltern im Bildungssystem. Der Bezug staatlicher Leistungen ist hingegen angestiegen. …
Insgesamt stellt sich die Situation der jungen Mütter im Verhältnis zu ihren Altersgenossinnen und zu den jungen Vätern schlechter dar. Sie sind seltener in einer dualen Ausbildung und besuchen seltener eine allgemeinbildende oder berufsbildende Schule bzw. eine Fach-/Hochschule. Dabei hat knapp die Hälfte der jungen Mütter, die weder in einer dualen Ausbildung noch in einer Schule sind, keinen Berufsabschluss. Gleichzeitig haben die jungen Mütter deutlich seltener eine bezahlte Tätigkeit und arbeiten wesentlich häufiger in Teilzeit. Weiterhin wünscht sich über die Hälfte der jungen Mütter, die eine Arbeitnehmertätigkeit suchen, eine Teilzeitstelle. …
Entwicklungen in der Teilzeitberufsausbildung
Im Jahr 2009 sind in Deutschland insgesamt 796 Teilzeitausbildungsverträge neu abgeschlossen worden. Dies entspricht 0,14 Prozent der 561.170 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Von den 796 neuen Teilzeitauszubildenden sind 745 Frauen und nur 51 Männer. Bei der Betrachtung der Anteile in den einzelnen Bundesländern fallen Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit besonders geringen Werten unter 0,1 Prozent und Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit relativ hohen Werten von über 0,4 Prozent auf. Es zeigt sich, dass einerseits in den Stadtstaaten, andererseits in den Bundesländern, wo es größere Modellprojekte gegeben hat, die Anteile vergleichsweise höher sind.
Die jungen Mütter wünschen fast ausschließlich „typische Frauenberufe“ im Rahmen einer Teilzeitausbildung. Im Jahr 2009 wurden 63 Prozent der Teilzeitausbildungsverträge im Bereich Industrie und Handel (hier insbesondere im Dienstleistungssektor) und 20 Prozent bei den Freien Berufen abgeschlossen, während es im Handwerk und im Öffentlichen Dienst jeweils nur knapp sieben Prozent waren.
Die häufig präferierte Berufswahl im Dienstleistungssektor ist problematisch hinsichtlich der Regelung der täglichen Arbeitszeit. Zwar lassen sich gerade im Dienstleistungssektor vergleichsweise leichter Teilzeitberufsausbildungsstellen akquirieren. Aber gerade Berufe im Dienstleistungssektor zeichnen sich durch lange Öffnungszeiten, bestimmte Stoßzeiten und Samstagsarbeit aus, die sich nur schwer mit den Familienpflichten und Betreuungsmöglichkeiten vereinbaren lassen.
Es sind insbesondere Kleinstbetriebe, die Teilzeitberufsausbildungen ermöglichen. Bei Kleinstbetrieben ist eine Ansprache auf der individuellen Ebene eher möglich als bei Großbetrieben. Gründe für die Ermöglichung einer Ausbildung in Teilzeit seitens der Betriebe sind insbesondere der Wunsch der Auszubildenden und „soziale Verantwortung“.
Die jungen Eltern in Teilzeitausbildung sind überdurchschnittlich motiviert. Die Abbruchquoten in Teilzeitausbildung liegen in der Regel unter den durchschnittlichen Abbruchquoten. Hinsichtlich der Dauer der Teilzeitausbildung zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse. Teilzeitausbildungen führen aber nicht per se zu einer zeitlichen Verlängerung der Ausbildung. Die durchschnittlichen Ausbildungsergebnisse (gemessen an der Abschlussnote) von Teilzeitauszubildenden liegen über den durchschnittlichen Ausbildungsergebnissen von Vollzeitauszubildenden.
Durch Teilzeitberufsausbildung können Personen in Ausbildung integriert werden, die ansonsten unqualifiziert ins Berufsleben eintreten würden. Daher sollten die nachhaltigen Wirkungen nicht unterschätzt werden. Eingeschränkte Mobilität und unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten können aber ein wesentliches Handicap für die Aufnahme einer (Teilzeit-)Ausbildung bzw. auch in der Ausbildungssituation darstellen. …
Weder Arbeitsagenturen und Grundsicherungsträger noch die Kammern nutzen ihre Möglichkeiten zur Verbreitung der Teilzeitausbildung ausreichend. Eine systematische Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz in Teilzeit ist nicht etabliert. Einige Kammern tun sich schwer, Teilzeitberufsausbildungen einzutragen. Die Arbeitsagenturen und Grundsicherungsträger verweisen die jungen Mütter auf ihr Recht auf Erziehungszeiten, selbst wenn diese eine Ausbildung oder Beschäftigung aufnehmen möchten. Die Vermittlungspraxis der Bundesagentur für Arbeit benachteiligt insbesondere Alleinerziehende. …
Ausblick und Empfehlung
Anders als Teilzeitarbeit ist Teilzeitberufsausbildung bislang kaum verbreitet. Dabei ist entsprechendes Potenzial durchaus vorhanden. So sind etwa 116.000 junge Mütter und 16.000 junge Väter ohne Berufsabschluss und gehen weder in die Schule noch einer Ausbildung nach. Dennoch wurden im Jahr 2009 gerade einmal 796 Teilzeitausbildungsverträge neu abgeschlossen, was 0,14 Prozent aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge entspricht.
Für die geringe Verbreitung gibt es eine Vielzahl an Gründen. So gibt es starke Defizite im Wissen über die Möglichkeit. Der Hauptzielgruppe, jungen Eltern und hierunter insbesondere Alleinerziehenden, mangelt es oft an gesicherter Kinderbetreuung. Die Finanzierungsstrukturen sind hoch komplex und mit bürokratischen Hürden verbunden. Die Betriebe sehen keinen Handlungsdruck, um Teilzeitberufsausbildungsplätze anzubieten, solange ein starkes Überangebot an Ausbildungssuchenden flankiert durch diverse Subventionsmöglichkeiten zur Verfügung steht.
Hier könnte in absehbarer Zeit ein Trendwechsel einsetzen. Durch den „demografischen Wandel“ ist in einigen Regionen (insbesondere Ostdeutschlands) die Zahl der Ausbildungssuchenden bereits deutlich gesunken, in anderen Regionen vollzieht sich dieser Prozess zwar schleichender, aber stetig. Gleichzeitig werden bisherige Subventionsmöglichkeiten (zum Beispiel der Ausbildungsbonus für Altbewerber) eingestellt. Mit den im kommenden Jahr deutlich reduzierten Mitteln für Eingliederungsleistungen insbesondere im SGB II dürften viele weitere Unterstützungsleistungen für Jugendliche und Betriebe an der „ersten Schwelle“ auf der Kippe stehen. …
Der Ausbau von Teilzeitberufsausbildung sollte strukturell unterfüttert werden. Ausreichende qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsplätze (auch zu Randzeiten) und weitere flankierende Unterstützungsleistungen, unbürokratische Finanzierungsstrukturen und eine gezielte Informationspolitik sind hier die Stichworte. …
Zudem wird empfohlen, regionale Bedarfs- und Angebotsanalysen zu erstellen und die Informationspolitik zu verstärken. Regional sollten über die bestehenden hinaus Netzwerke aus Agenturen für Arbeit, Grundsicherungsstellen, Jugendämtern, Bildungsträgern, aber beispielsweise auch Akteuren wie den Schwangerenberatungsstellen etabliert werden, die das Thema forcieren.
Um zukünftig mehr Informationen über die Situation der Teilzeitauszubildenden und der Teilzeitausbildungsbetriebe sowie über den Bedarf bei den jungen Erwachsenen und den Betrieben zu erhalten, wäre die Aufnahme entsprechender Fragen bei bereits bestehenden Statistiken und Erhebungen denkbar. So könnten Kosten für teure Extraerhebungen gespart werden. Darüber hinaus würde durch die entsprechenden Fragen auch über die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung an sich informiert werden.
Teilzeitberufsausbildung integriert Personen in Ausbildung, die ansonsten unqualifiziert ins Berufsleben eintreten würden. Personen ohne Berufsabschluss haben im Lebensverlauf ein hohes Arbeitsmarktrisiko (vgl. z. B. Reinberg / Hummel 2005). Dieser Trend ist seit Jahrzehnten ungebrochen und verschärft sich sogar. Trotz der bisher geringen Verbreitung der Teilzeitberufsausbildung ist diese als Segment zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit junger Mütter und Väter daher zielführend. … „
Den Band 13 der Reihe Berufsbildungsforschung steht Ihnen als Download oder unter dem aufgeführten Link zur Verfügung.
https://www.bmbf.de/pub/band_dreizehn_berufsbildungsforschung.pdf
Quelle: BMBF
Dokumente: band_dreizehn_berufsbildungsforschung.pdf