Jugendliche und freiwilliges Engagement

Auszüge aus der Jugendauswertung des Freiwilligensurveys „Jugend in der Zivilgesellschaft – Freiwilliges Engagement Jugendlicher“ von Sibylle Picot:
“ … Aktivität und freiwilliges Engagement Jugendlicher
… Die Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen, ist insgesamt am stärksten in öffentliche Aktivitäten eingebunden, also „macht mit“ in Sport, Kultur und Musik, in Schule und außerschulischen Jugendgruppen oder in einem anderen Tätigkeitsfeld. Nur 17 Prozent sind nirgendwo aktiv. In dieser Gruppe, die sich schon im ersten Freiwilligensurvey als sehr häufig engagiert herausstellte, gibt es einen geringfügigen, kontinuierlichen Rückgang im Anteil des freiwilligen Engagements
von 1999 bis 2009. Bei den 20- bis 24-Jährigen zeichnet sich eine leichte Abnahme der Engagement-Quote zwischen 1999 und 2004 ab. Sie ist besonders niedrig bei den weiblichen Jugendlichen dieses Alters. In dieser Altersgruppe ist aber auch die Aktivität leicht rückläufig, und es sind 2009 sogar 30 Prozent der älteren Jugendlichen nicht aktiv, womit der Unterschied zu den jüngeren schon beträchtlich ist.
Die Entwicklung im freiwilligen Engagement Jugendlicher verläuft in West und Ost unterschiedlich. … Während das bisher deutlich höhere Engagement in den westdeutschen Bundesländern insgesamt zurückgeht, nimmt es in den ostdeutschen Bundesländern zu. Diese Tendenz ist bei den 14- bis 30-Jährigen noch deutlicher zu sehen (Zunahme um fünf Prozentpunkte), als bei den 14- bis 24-Jährigen (Zunahme um zwei Prozentpunkte). Die Anteile in Ost und West haben sich dabei angeglichen, genauer gesagt: Die jungen Menschen in den ostdeutschen Bundesländern haben inzwischen einen nur wenig niedrigeren Anteil an freiwillig Engagierten Während in den beiden jüngsten Altersgruppen das Engagement leicht zurückging, nahm es in nahezu allen Altersgruppen zum Teil sogar deutlich zu. Ganz besonders sind
es die älteren Menschen zwischen 60 und 74 Jahren, die sich vermehrt engagieren. …

Deutlich wird, dass es am fehlenden Goodwill der Jugendlichen nicht liegen kann. Das zeigen unter anderem die Daten zur Engagement-Bereitschaft der bisher nicht engagierten Jugendlichen.
Während das freiwillige Engagement nur geringfügig, aber kontinuierlich zurückging, nahm die Bereitschaft, sich zu engagieren, stark zu. Die per se schon positive Einstellung zum Engagement hat sich bei den Jugendlichen zwischen 1999 und 2009 nochmals gesteigert. Die Engagementbereitschaft ist damit deutlich höher als in der Bevölkerung insgesamt. … Allerdings sprechen wir damit zumeist von eher unverbindlicher Bereitschaft zum Engagement. … Je konkreter es um die Umsetzung der Bereitschaft geht, desto schwieriger wird es ganz offensichtlich. Das lässt vermuten, dass es objektive Hinderungsgründe geben muss. Die könnten z. B. in einer zunehmenden Zeitknappheit bei Jugendlichen liegen. …

Tätigkeitsfelder, -inhalte und Anforderungen

Zu erwähnen sind besonders zwei Entwicklungen: Bei Aktivitäten Jugendlicher im Rahmen der Kirche verzeichnet man seit dem ersten Freiwilligensurvey eine kontinuierliche Zunahme, und das gilt auch für das freiwillige Engagement in diesem Bereich. Einen erheblichen Rückgang erlebt der Bereich „Freizeit und Geselligkeit“ – und zwar, was den Anteil der Aktiven angeht, zwischen 2004 und 2009 und in Bezug auf das freiwillige Engagement schon zwischen 1999 und 2004. Das ist vor allem deshalb so bedeutsam, weil wir auch im Hinblick auf die Motive Jugendlicher einen Wandel sehen, weg von der Geselligkeits- oder Spaßorientierung hin zu Motiven, die mit dem Gemeinwohl
einerseits und den eigenen Interessen andererseits verknüpft sind. Im Vergleich zur Bevölkerung insgesamt spielt der Bereich „Freizeit und Geselligkeit“ bei Jugendlichen immer noch eine größere Rolle, hat aber, gerade was das Engagement angeht, an Bedeutung verloren.

Nach wie vor ist das Engagement Jugendlicher charakterisiert durch die Nähe zum persönlichen Lebensumfeld. Es ist stark in Bereichen, wo etwas gelernt wird, wo Fähigkeiten trainiert werden: im Sport, in Musik und Kultur, in der Schule. Und es ist stark im kirchlichen Bereich. Traditionell wichtig für Jugendliche ist der Tätigkeitsbereich Feuerwehr und Rettungsdienste, wo sich Aktivitätsund
Engagement-Quote halten konnten. Im Vergleich zur Bevölkerung deutlich unterrepräsentiert sind Jugendliche nach wie vor im sozialen und Gesundheitsbereich, in der beruflichen Interessenvertretung, aber auch bei lokalen bürgerschaftlichen Aktivitäten und in Politik und Parteien.

Jugendliche Engagierte sind mit einer breiten Palette von Tätigkeitsinhalten beschäftigt: von der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen über praktische Arbeiten und Hilfeleistungen bis zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Inhalte jugendlichen Engagements unterscheiden sich nicht prinzipiell von den Engagierten insgesamt, aber die Gruppenleitung bzw. pädagogische Betreuung steht bei den Jugendlichen im Vordergrund. Typischerweise dient ja jugendliches Engagement im Wesentlichen der Zielgruppe „Kinder und Jugendliche“. …

Wer engagiert sich – wer weniger?

Für Jugendliche steht in der Regel ihre Rolle im Ausbildungssystem oder in der ersten Berufsphase im Mittelpunkt, sie sind Schüler, Auszubildende, Studierende oder junge Erwerbstätige. Zu diesem „Hauptberuf“ steht das freiwillige Engagement in Zeitkonkurrenz. Außerdem beschäftigen sich Jugendliche in ihrer Freizeit ausgiebig mit elektronischen Medien (80 Prozent), unternehmen etwas mit Freunden (94 Prozent), machen Sport (75 Prozent), lesen oder tun „etwas Kreatives“ (62 Prozent), um nur die wichtigsten Freizeitbeschäftigungen zu nennen.

Bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren ist der Bildungsstatus ein besonders wichtiger Erklärungsfaktor für freiwilliges Engagement. Nur die Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen ist noch bedeutsamer für das Zustandekommen von Engagement. Der Bildungsstatus wird bestimmt durch den höchsten erreichten Schulabschluss und bei Schülern durch den besuchten Schultyp und den angestrebten Schulabschluss. Man hat mit dem Bildungsstatus bzw. dem formalen Bildungsgrad einen wesentlichen Hinweis auf die Schichtzugehörigkeit von Jugendlichen.

… Bereits 1999 gab es einen beträchtlichen Unterschied im Hinblick auf Aktivität und Engagement je nach Schulabschluss der Jugendlichen. So waren 35 Prozent der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss engagiert, aber 40 Prozent der Jugendlichen mit Abitur oder Fachhochschulreife. Bis 2009 hat sich diese Situation erheblich weiter
verschärft: Nun sind sogar nur noch 19 Prozent der Jugendlichen mit niedrigem Bildungsstatus engagiert, demgegenüber 44 Prozent mit hohem Bildungsstatus. Auch bei den Jugendlichen mit mittleren Bildungsabschlüssen ging der Anteil der freiwillig engagierten Jugendlichen nach und nach zurück, etwa in dem Maße, wie der Anteil der „nur“ Aktiven zunahm. Was die niedrigste Bildungsgruppe betrifft, so erscheint besonders problematisch, dass sich nicht nur der Anteil der Engagierten, sondern seit 2004 auch der Anteil der Jugendlichen verringert hat, die in einem öffentlich zugänglichen Kontext „mitmachen“, ohne Freiwilligenarbeit zu übernehmen. Damit ist der
Anteil der Nicht-Aktiven auf nun 40 Prozent gegenüber 16 Prozent bei Jugendlichen mit hohem Schulabschluss gestiegen. Öffentliche Aktivität, wie sie hier genannt wird, ist eine Art Vorstufe, ja
Vorbedingung für stärkere Teilhabe z. B. in Form von freiwilligem Engagement. …

Jugend mit Migrationshintergrund: Engagement und Integration
Was über Jugendliche mit niedrigem Bildungsstatus gesagt wurde, trifft zum Teil auch auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zu, denn beide Gruppen überschneiden sich relativ stark. Allerdings zeigen die Daten der letzten beiden Surveys, dass inzwischen schon mehr Schüler mit
Einwanderungshintergrund das Gymnasium besuchen. Dieser Anteil ist zwischen 2004 und 2009 gestiegen, aber der Unterschied zu Schülern ohne Migrationshintergrund ist immer noch erheblich. …

Wenn Jugendliche mit Migrationshintergrund aktiv sind, dann am häufigsten im Bereich Sport. In nahezu allen anderen Tätigkeitsbereichen liegt ihr Anteil an Aktiven deutlich unter ihrem proportionalen Anteil in der Bevölkerung. Die Differenz zu einheimisch deutschen Jugendlichen ist dort geringer oder verschwindet sogar, wo eine institutionelle Anbindung gegeben ist, z. B. im Bereich Schule und Kindergarten oder im Bereich Kirche und Religion. …

Der Akzent im sozialen Miteinander liegt bei Jugendlichen mit Einwanderungshintergrund stärker in den familiären Netzwerken. Sie stammen häufiger aus großen Familien, und wenn es um Hilfeleistungen
für oder durch andere geht, dann spielt die Familie eine sehr große Rolle, während bei den deutschen Jugendlichen die gegenseitige Unterstützung im Freundes- und Bekanntenkreis überwiegt. …

Fazit
Jugendliche sind nach wie vor die aktivste Gruppe in der
Gesellschaft im Sinne des Mitmachens im Sport, in der Musik, bei schulischen und außerschulischen Aktivitäten, in kirchlichen und anderen Jugendgruppen. Das freiwillige Engagement Jugendlicher ging allerdings zwischen 1999 und 2009 leicht zurück, während sich die älteren Bürger und Personen mittleren Alters verstärkt engagierten.
Jugendliche Engagierte verwenden weniger Zeit auf ihr Engagement, es bleibt aber eine verbindliche zeitliche wie emotionale Größe in ihrem Leben. Zunehmende Zeitknappheit könnte auch einer der Gründe für geringeres Engagement einiger Jugendlicher sein. …

Bestimmte Gruppen Jugendlicher sind im freiwilligen Engagement stark unterrepräsentiert. In sogar deutlich zunehmendem Maß gilt das für die Jugendlichen mit niedrigem Bildungsstatus, die sich immer seltener engagieren, obwohl gerade sie von den Lernchancen im Engagement profitieren könnten. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind unverändert seltener engagiert als einheimisch deutsche Jugendliche und haben wenig Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Strukturen, wären aber in hohem Maße zum Engagement bereit.

Junge Frauen vom Alter ab 20 Jahren halten sich zurück, wenn es um freiwilliges Engagement geht, offenbar weil sie sich vor der Familienphase stärker auf ihren beruflichen Werdegang konzentrieren
und nehmen damit quasi die Vereinbarkeitsproblematik vorweg. Dies ist allerdings keine neue Entwicklung. Negative Auswirkungen auf die Engagement-Quote Jugendlicher hat die regionale Mobilität junger
Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen hat. Dies hat Konsequenzen für die soziale Einbindung am Wohnort und damit auch für das freiwillige Engagement. „

Die Erhebung in vollem Textumfang entnehmen Sie aufgeführtem Link oder dem Anhang.

http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_33702_33705_2.pdf

Quelle: Bertelsmann Stiftung

Dokumente: Bertelsmann_Freiwilliges_Engagement_Jugendlicher.pdf

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