Evaluation der Arbeitsmarktpolitik und Anforderungen an die Reform aus Sicht der JSA

Eine der wichtigsten Aufgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist es, die Integration Arbeitsloser in das Erwerbsleben zu unterstützen. Um das Instrumentarium dafür sachgerecht auszugestalten, müssen Qualität und Wirkung der einzelnen Bausteine bekannt sein.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlicht kurz vor der anstehenden Reform des Instrumentenbaukastens Evaluationsergebnisse. Auszüge aus dem Bericht Arbeitsmarktinstrumente auf dem Prüfstand von Susanne Koch, Christiane Spies, Gesine Stephan und Joachim Wolff:
Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungschancen
Zu den Instrumenten, die die Eingliederungschancen der Geförderten verbessern sollen, gehören vermittlungsunterstützende Dienstleistungen durch Dritte, kurze Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder Qualifizierung wie auch längere Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung.

Zu den quasi-marktlich organisierten Vermittlungsdienstleistungen zählen der Vermittlungsgutschein und die Beauftragung privater Dritter mit Vermittlungsleistungen. Bei diesen Instrumenten gibt es hinsichtlich der Wirkungen auf die Integrationschancen der Teilnehmer gemischte Befunde. Mit dem Vermittlungsgutschein können Arbeitsuchende
eigenständig einen privaten Vermittler beauftragen. … Nur etwa ein
Zehntel der ausgegebenen Vermittlungsgutscheine wurde in den letzten Jahren tatsächlich eingelöst. Gemessen an anderen Möglichkeiten, private Dritte in die Vermittlung einzubeziehen, ist der Gutschein
quantitativ von eher geringer Bedeutung. …
Private Dienstleister können seit 2002 auch im Wege der öffentlichen Ausschreibung in die Vermittlungsaktivitäten einbezogen werden. Befunde liegen hier zur früheren Beauftragung Dritter mit der gesamten Vermittlung nach § 37 SGB III vor. Insgesamt verbessert diese die Beschäftigungschancen der Geförderten kaum. … Bestimmte Gruppen profitieren aber von der Überweisung zu Dritten. Im SGB II waren dies zum Teil eher schwer vermittelbare Personengruppen wie ostdeutsche Geringqualifizierte, ältere westdeutsche Frauen oder westdeutsche Männer mit Migrationshintergrund. Die Chance, 20 Monate nach Maßnahmenbeginn ungefördert sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein, stieg durch die Maßnahmeteilnahme für diese Gruppen um bis zu 5 Prozentpunkte. …

Betriebliche Trainingsmaßnahmen sind besonders erfolgreich
Ziel kurzer Trainingsmaßnahmen ist es, den Teilnehmenden durch Eignungsfeststellungen, Praktika, Bewerbungstraining oder kurze Qualifizierung die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. … Neuere Studien zeigen …, dass sich die Wirkungen je nach Maßnahme-Inhalt erheblich unterscheiden können. So wirken betriebliche Trainingsmaßnahmen in beiden Rechtskreisen deutlich stärker positiv als schulische Trainingsmaßnahmen, da der Kontakt zu einem Arbeitgeber ausschlaggebend für die Übernahme von Geförderten in ein Beschäftigungsverhältnis sein kann. …
Für das SGB II liegen differenzierte Ergebnisse zu den einzelnen Maßnahme-Inhalten nicht-betrieblicher Trainingsmaßnahmen vor. So sind für das Bewerbungstraining keine statistisch gesicherten Wirkungen nachweisbar. Diese meist recht kurzen Kurse (wenige Tage bis zu zwei Wochen) werden von den Fachkräften mit der Intention genutzt, die Bewerbungschancen zu erhöhen, aber auch, um im Einzelfall die Verfügbarkeit von Arbeitslosen zu überprüfen. …

Beschäftigung schaffende Maßnahmen
Die Vermittlung in öffentlich geförderte Beschäftigung soll nachrangig zur Vermittlung in reguläre Beschäftigung, in Ausbildung und in andere Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik erfolgen. Sie ist auf Gruppen mit geringen Aussichten auf eine zügige Eingliederung in ungeförderte Beschäftigung zugeschnitten und kann mit einer Qualifizierung oder sozialpädagogischen Betreuung verbunden sein. Die Maßnahmen sollen die Beschäftigungsfähigkeit benachteiligter Arbeitsloser steigern. Darüber hinaus sollen sie aber auch die soziale Teilhabe der Geförderten verbessern, Demotivationsprozessen Entgegenwirken und die Teilnehmer an eine regelmäßige Arbeit gewöhnen. …

Die Förderung durch Arbeitsgelegenheiten ist seit ihrer Einführung im Januar 2005 auf Personen im Rechtskreis SGB II beschränkt. Bei Arbeitsgelegenheiten als Zusatzjobs erhalten die Teilnehmer ihr Arbeitslosengeld II und eine Mehraufwandsentschädigung von ein bis zwei Euro pro Stunde. Diese sogenannten Ein-Euro-Jobs sollen vorwiegend Arbeitslosengeld-II-Bezieher mit besonderen Eingliederungsproblemen an den Arbeitsmarkt heranführen.
Neue Ergebnisse zeigen, dass dies im Schnitt mittelfristig auch gelingt, allerdings sind die Effekte auf die Beschäftigungsaussichten nicht sehr hoch. Für Teilgruppen gibt es leicht positive Eingliederungswirkungen, z. B. bei westdeutschen Frauen. … Bei
jungen Menschen ist das Ziel der Förderung explizit eine Heranführung an den Arbeits- und Ausbildungsmarkt; den Evaluationsbefunden nach wirkt sich eine Teilnahme mittelfristig jedoch nicht auf ihren Arbeitsmarkterfolg aus. …

Konsequenzen für die Instrumentenreform
… Ein Referentenentwurf liegt bereits vor. Er sieht vor, den Ermessensspielraum der Vermittler zu erweitern und die Zahl der Arbeitsmarktinstrumente zu reduzieren. Prinzipiell kommt ein übersichtlicherer, aber zugleich flexiblerer Instrumentenkasten den Bedürfnissen der Praxis entgegen. Jede Streichung eines Instruments sollte aber sorgfältig abgewogen werden: Die Wirkungsforschung im SGB II wie im SGB III zeigt, dass die meisten Instrumente wirksam sind – aber stets nur bezogen auf spezifische Förderungsbedarfe. Ein ideales Instrument für alle gibt es nicht. …

Einen großen Einfluss auf die Wirkung eines Instruments haben das regionale Umfeld, die Organisation und Qualität der Maßnahme und besonders die Teilnehmerstruktur. Die Ergebnisse zeigen, dass sich
der Maßnahmeneinsatz insgesamt noch nicht konsequent genug an dem Zuschnitt des Instruments und den individuellen Bedarfen der Arbeitslosen orientiert. Wird die Regelungsdichte bei Einzelinstrumenten zugunsten größerer dezentraler Flexibilität verringert, wächst die Herausforderung für die Vermittler weiter:
Je komplexer und flexibler ein Instrumentenportfolio und je größer der Ermessensspielraum ist, desto höhere Qualifikation braucht es für den sachgerechten Umgang. Die Bedeutung des Instrumenteneinsatzes sollte
insgesamt gegenüber intensiven Vermittlungs- und Betreuungsaktivitäten nicht überschätzt werden. Ein umfangreiches Betreuungsangebot und Übergangsmanagement, bei dem auch individuelle Problemlagen wie fehlende Kinderbetreuung oder gesundheitliche Probleme berücksichtigt werden, ist nach wie vor wichtig, um Langzeitbezug zu vermeiden. …“

Aus einem anderen Blickwinkel befasst sich die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern mit der anstehenden Reform. Die LAG Jugendsozialarbeit Bayern legte bereits mehrere Gutachten vor, die sich mit der Verortung, vor allem aber mit der Finanzierung von Jugendberufshilfe an der Schnittstelle verschiedener Rechtskreise befasst. Die nun erneut angestoßene Reform
der Instrumente der SGB II und III machten dies erforderlich. Wenn ein bewährtes Arbeitsfeld der Jugendhilfe nicht noch stärker ins förderpolitische Abseits geraten will, müssen Änderungen an den gesetzlichen Grundlagen ebenso erfolgen wie an der geübten Verwaltungspraxis der Arbeitsagenturen, der Jobcenter, der Jugendämter
und anderer Behörden und Institutionen, die an der Förderung und Finanzierung von Maßnahmen der Arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit beteiligt sind.
Die LAG Jugendsozialarbeit Bayern stellt jedoch fest, dass einige der vorgeschlagenen Änderungen, die ohnehin schwierige Finanzierungssituation verschärfen bzw. erfolgreiche Arbeit der Jugendberufshilfe nahezu unmöglich machen. Aus Sicht der LAG Jugendsozialarbeit Bayern müssen bei einer Reform der SGB II und III folgende Grundlagen zur Finanzierung von Einrichtungen der AJS und anderer Angebote von Jugendsozialarbeit verbessert werden: ## “ 1. Kooperationsnorm

Zur passgenauen Förderung sozial benachteiligter Jugendlicher mit erhöhtem Förderbedarf muss in den Rechtskreisen der SGB II, III und VIII eine Kooperationsnorm eingefügt werden.
## 2. Finanzierungsnormen

In den SGB II und III fehlen geeignete Instrumente zur Förderung sozial benachteiligter Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf in den Einrichtungen der Jugendsozialarbeit. Zusätzlich werden durch die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Änderungen bestehender Instrumente deutliche Verschlechterungen bei der Finanzierung benachteiligter Jugendlicher mit erhöhtem Förderbedarf bewirkt. Insbesondere die Tatsache, dass bei den Maßnahmen im Bereich der Jugendberufshilfe mehrere Kostenträger die Maßnahmen gemeinsam finanzieren, wird nicht ausreichend berücksichtigt.
## 3. Vergabepraxis bei arbeitsmarktpolitischen Instrumenten

Die derzeit angewandte Praxis der Ausschreibung bei den einzelfallbezogenen Maßnahmen in der Jugendberufshilfe verhindert passgenaue Hilfen für die betroffenen Jugendlichen. Ein Verzicht auf Ausschreibungen und eine Ausweitung der freihändigen Vergabe ist unabdingbar.
## 4. Zulassung der Träger

Das geplante Zulassungsverfahren für die Träger steht im Widerspruch zur gängigen Ausschreibungspraxis. Im Arbeitsfeld Jugendsozialarbeit bereits etablierte und öffentlich anerkannte Zertifizierungssysteme müssen für das Zulassungsverfahren ebenso anerkannt werden.
## …
## 6. Jugendwohnen in der Jugendsozialarbeit nur mit Sozialpädagogischer Begleitung

Die Förderung der sozialpädagogischen Begleitung von auswärts untergebrachten Jugendlichen während ihrer Berufsausbildung muss Bestandteil der Berufsausbildungsbeihilfe bleiben. … „ Die Stellungnahme der LAG JSA Bayern in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb1111.pdf
http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k110506a02
http://www.lagjsa-bayern.de/
http://lagjsa-bayern.de/artikel/75/keine-weiterentwicklung-der-arbeitsmarktpolitischen-foerderinstrumente-fuer-sozial-benachteiligte-jugendliche

Quelle: IAB; LAG JSA Bayern

Dokumente: Stellungnahme_LAG_JSA_Bayern_Instrumentenreform_16_5_2011_1_.pdf

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