Der Ausbildungsmarkt bekommt die demografische Trendwende zu spüren

Die Unternehmerbefragung zeigt, dass sich die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Ausbildungsangebot abschwächen und gleichzeitig die demografische Wende auf den Ausbildungsmarkt durchschlägt. Mehr als jedes fünfte Unternehmen konnte 2009 nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Rund 50.000 Ausbildungsplätze blieben im Jahr 2009 unbesetzt, da aus Sicht der Betriebe geeignete Bewerber fehlten. Ein zentrales Problem für die Ausbildung im Jahr 2010 ist daher die Ausbildungsreife. Als ein wesentliches Ausbildungshemmnis beklagen Betriebe unzureichende schulische Qualifikationen und mangelnde Leistungsbereitschaft. Der Appell an die Schulen ist deutlich: Die Schulen müssen ihre Anstrengungen verstärken. Am Ende der Schulzeit müssen alle Jugendlichen über die notwendigen Grundqualifikationen verfügen, die für eine Ausbildung wichtig sind, so die Forderung der Unternehmen.

Um schwächere Jugendliche zu unterstützen, bieten Unternehmen Nachhilfe an und nutzen die über die Arbeitsagentur zu beauftragenden ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH). Unter bestimmten Voraussetzungen sind Betriebe bereit, lernschwache Jugendliche in die Ausbildung zu integrieren. Gerade das Gastgewerbe ist daran interessiert, was auf eine Vielzahl unbesetzter Stellen in den letzten Jahren zurück zu führen ist. Bemerkenswert ist, dass finanzielle Anreize in den weiteren Fällen keine Auswirkungen auf die Auswahlentscheidung der Betriebe haben. Lediglich 25 Prozent der Unternehmen würden ausschließlich auf Grund einer Bereitstellung staatlicher Fördermittel schwächere Jugendliche für eine Ausbildung einstellen.

Auszüge aus der DIHK-Unternehmensbefragung zur Ausbildung im Jahr 2010:
„ … AUSBILDUNGSHEMMNISSE, AUSBILDUNGSREIFE
… Ob Unternehmen ausbilden, hängt nicht nur von der Bereitschaft des Unternehmens ab, sondern häufig auch von Rahmenbedingungen, auf die die Unternehmen selbst keinen Einfluss haben. Die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass sich auf ihren Betrieb Ausbildungshemmnisse auswirken. Dabei ist festzustellen, dass die Betriebe im Osten überdurchschnittlich häufig über Ausbildungshemmnisse klagen (56 Prozent). Die Betriebe im Süden Deutschlands verspüren dagegen weniger Einschränkungen (46 Prozent).

Die von den Betrieben am häufigsten genannten Ausbildungshemmnisse sind eine mangelnde Qualifikation der Schulabgänger (74 Prozent), lange Berufsschulzeiten (26 Prozent) und unsichere wirtschaftliche Perspektiven (24 Prozent). Nur wenige Betriebe geben als Ausbildungshemmnis an, dass sie Fachkräfte mit Studienabschluss benötigen (drei Prozent) oder dass ihnen die Ausbildung im eigenen Betrieb zu teuer erscheint (sieben Prozent).

Besorgnis erregend ist die Zahl der Unternehmen, die mit den Qualifikationen der Schulabgänger unzufrieden sind. Drei Viertel der Unternehmen, die Ausbildungshemmnisse beklagen, stellen bei den Schulabgängern Defizite bei der Ausbildungsreife fest. Drei Viertel – das ist fast dreimal so viel wie das nächst häufig genannte Hemmnis. Damit wird die mangelnde Ausbildungsreife von den Betrieben auch im Jahr 2010 als das zentrale Problem für die Ausbildung genannt. Eine unsichere wirtschaftliche Perspektive ordnet sich dagegen hinter den zu langen Berufsschulzeiten (26 Prozent) als Ausbildungshemmnis an dritter Stelle ein. …

Die häufig kritisierte Ausbildungsreife der Schulabgänger hat auch direkte Konsequenzen für die Besetzung von Ausbildungsplätzen. Während insgesamt 21 Prozent der Unternehmen Ausbildungsplätze nicht besetzt haben, waren es bei denen, die über mangelnde Ausbildungsreife klagen, sogar fast ein Drittel der Unternehmen (31 Prozent). …

Nach wie vor schätzen die Unternehmen die Fähigkeiten der Schulabgänger im mündlichen und schriftlichen Ausdruck und in Mathematik nicht gut ein. Die Hälfte der Unternehmen stellt Mängel in Mathematik fest, sogar 54 Prozent sind es bei den Sprachkompetenzen in Deutsch. Allerdings scheint sich ein positiver Trend zu festigen:
Waren es 2006 noch zwei Drittel der Unternehmen, die über sprachliche Defizite der Ausbildungsbewerber klagten, so hat sich dieser Wert bis 2010 kontinuierlich auf nun 54 Prozent reduziert. Ähnliches deutet sich möglicherweise bei den Mathematikkompetenzen an. …

Trotz der positiven Trends ist die Unzufriedenheit der Ausbildungsbetriebe nach wie vor groß. Nur 9 Prozent der Unternehmen sehen keine Mängel bei der Ausbildungsreife der Schulabgänger. Die Schulen müssen daher ihre Anstrengungen bei der individuellen Förderung der Schüler weiter verstärken. Am Ende der Schulzeit müssen alle Jugendlichen über die notwendigen Grundqualifikationen verfügen, die für eine Ausbildung wichtig sind. …

Seit 2006 (38 Prozent) steigt die Zahl der Unternehmen, die über eine mangelnde Disziplin der Schulabgänger berichten, kontinuierlich auf jetzt 46 Prozent an. Ähnlich ist die Entwicklung der Aussagen zur Belastbarkeit: 2006 gab es bei 39 Prozent der Unternehmen kritische Stimmen, 2010 sind es bereits 44 Prozent. Die Klagen über eine geringe Leistungsbereitschaft bewegen sich auf besonders hohem Niveau (48 Prozent).

Diese für eine Ausbildung wichtigen Kompetenzen der Jugendlichen werden zwar auch in der Schule geformt, sie liegen jedoch in erster Linie in der erzieherischen Verantwortung des Elternhauses. Eltern sind also maßgeblich für den Erfolg ihrer Kinder beim Übergang von der Schule in Ausbildung verantwortlich. …

Natürlich ist den Unternehmen bewusst, dass nicht jeder Schulabgänger ein Einser-Schüler sein kann und sich manch ein Jugendlicher noch in pubertärer Entwicklung befindet. Im Rahmen der Ausbildung bieten daher viele Betriebe, die Wissenslücken bei den Jugendlichen feststellen, Möglichkeiten der Nachqualifizierung an: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) organisiert in irgendeiner Form Nachhilfe im Unternehmen, damit die Anforderungen einer Ausbildung bewältigt werden können. Fast ein Drittel der Unternehmen (31 Prozent) nutzt auch die ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) der Arbeitsagenturen. Ein Fünftel der befragten Unternehmen bietet Jugendlichen, die bei einem Bildungsträger ausgebildet werden, Praktika im eigenen Betrieb an. Und immerhin elf Prozent setzen ehrenamtliche Paten ein, die den Jugendlichen beim Übergang von der Schule in Ausbildung oder während der Ausbildung als Mentoren zur Seite stehen.

Ein Teil der Unternehmen engagiert sich bereits vor Beginn einer Ausbildung, um Jugendlichen Praxiseinblicke zu gewähren und neue Lernmotivation zu vermitteln. So bieten 18 Prozent langfristige Schülerpraktika an, z. B. im Rahmen von Praxisklassen. Schüler von Praxisklassen lernen in der Regel über einen Zeitraum von einem Schuljahr einen Tag in der Woche in einem Betrieb. …

Weitere 18 Prozent der Unternehmen bieten noch nicht ausbildungsreifen Jugendlichen Einstiegsqualifizierungen (EQ) an. Einstiegsqualifizierungen sind Praktika mit einer Dauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr. Schulabgänger können sich in diesen Praktika im Betrieb bewähren. Während dieser Zeit werden ihnen erste Ausbildungsinhalte vermittelt. Zwei von drei Jugendlichen erhalten direkt im Anschluss an eine solche Einstiegsqualifizierung einen Ausbildungsplatz.

Ein kleiner Teil der Unternehmen (acht Prozent) bietet auch Lehrkräften allgemein bildender Schulen Praktika an. Diese Praktika sind besonders deshalb für Lehrer wertvoll, weil sie in ihnen Einblicke in das duale System der beruflichen Bildung erhalten. Außerdem erfahren sie mehr über konkrete Ausbildungsinhalte in verschiedenen Berufen. Dadurch können sie den Schülern ein realistisches Bild über das künftige Berufsleben und die Anforderungen in einer Ausbildung vermitteln. …

Ausbildungschancen auch für lernschwächere Jugendliche
36 Prozent der Unternehmen geben an, dass für sie die Besetzung von Ausbildungsplätzen mit lernschwächeren Jugendlichen nicht in Frage kommt. Im Umkehrschluss bedeuten die Umfrageergebnisse, dass die deutliche Mehrheit der Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen Chancen sehen, Ausbildungsplätze auch mit lernschwächeren Jugendlichen zu besetzen.

Im Branchenvergleich zeigt sich, dass gerade das Gastgewerbe sehr daran interessiert ist, auch lernschwächere Jugendliche in Ausbildung zu integrieren: Nur 18 Prozent der Betriebe könnten es sich nicht vorstellen, Ausbildungsplätze auch mit lernschwächeren Jugendlichen zu besetzen. Hierbei spielt eine große Rolle, dass Hotels und Restaurants in den vergangenen Jahren große Probleme hatten, ihre angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen und daher umso mehr dazu bereit sind, lernschwächeren Jugendlichen eine Chance zu geben. Bei Banken und Versicherungen zeigt sich hingegen, dass die Ausbildungschancen lernschwächerer Jugendlicher aufgrund der hohen Anforderungen an die Ausbildung in dieser Branche geringer sind: Für 62 Prozent der Betriebe kommt die Besetzung von Lehrstellen mit lernschwächeren Jugendlichen nicht in Frage – der im Branchenvergleich höchste Wert.

Öffentliche Fördermaßnahmen sind für viele Unternehmen keine Voraussetzung dafür, lernschwächere Jugendliche in Ausbildung zu integrieren. 22 Prozent der Betriebe geben lernschwächeren Jugendlichen auch ohne Unterstützung die Chance auf eine betriebliche Ausbildung.

Im Branchenvergleich bieten insbesondere Industrie und Baugewerbe – jeweils 27 Prozent der Unternehmen – Ausbildungsplätze auch ohne Unterstützung an. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang, wenn die Unternehmen sich besser über die Stärken und Schwächen der Jugendlichen informieren könnten. Immerhin 24 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihnen solche Informationen fehlen.

Deutlich wird bei der Befragung, dass nicht allein die Schulnoten für die Chance auf einen Ausbildungsplatz entscheidend sind. Für 21 Prozent der Betriebe sind soziale Kompetenzen wichtiger als die Schulleistungen. Besonders das Gastgewerbe sticht hier hervor: Für jedes dritte Unternehmen sind soziale Kompetenzen wichtiger als die Schulnoten. Demnach würde das Gastgewerbe Abstriche bei den Schulleistungen hinnehmen, wenn Jugendliche über soziale Kompetenzen verfügen. …

25 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie lernschwächere Jugendliche einstellen würden, wenn für die Ausbildung dieser Jugendlichen staatliche Fördermittel bereitgestellt würden. Bei Banken und Versicherungen ist dieser Anteil mit elf Prozent am niedrigsten. Hieran zeigt sich, dass finanzielle Anreize in den meisten Betrieben die Auswahlentscheidungen nicht zugunsten lernschwächerer Jugendlicher beeinflussen können. Für eine erfolgreiche Ausbildung sind in vielen Berufen bestimmte Mindestqualifikationen nicht verzichtbar. „

Die Untersuchungsergebnisse in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte über aufgeführtem Link.

http://www.dihk.de/inhalt/informationen/news/meldungen/meldung012404.html

Quelle: DIHK

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