Finanzierung und Durchführung von Integrationskursen geändert

In einem aktuellen Rundschreiben informiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über neue Finanzierungsmodalitäten und Veränderungen in der Durchführung von Integrationskursen. Die Veränderungen stellen für Integrationswillige – vor allem Teilnehmende von Alphabetisierungskursen – unzumutbare Härten dar. Für die Träger von Integrationskursen bedeuten sie große finanzielle Unsicherheiten. Die neuen Regelungen sollen bereits zum 1. April 2010 in Kraft treten.

Eine Bewertung des BAMF-Rundschreibens seitens der Integrationskursträger verdeutlicht die Dramatik:
Allgemeine Bewertung
Die Neuerungen zur Finanzierung und Durchführung der Integrationskurse bedeuten einen herben Rückschlag für die deutsche Integrationspolitik. Sie stellen einen pädagogisch kontraproduktiven und die Träger materiell belastenden Eingriff in die Durchführung der Integrationskurse dar. Sie stehen darüber hinaus in krassem Widerspruch zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, der im Zusammenhang mit einer verbesserten Integrationspolitik auch eine quantitative und qualitative Aufwertung der Integrationskurse ankündigte.

Die geplanten Änderungen beschneiden das Recht auf Bildung sowie die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe lern- und integrationswilliger Migrantinnen und Migranten. Die Zulassungsbeschränkungen führen de facto dazu, dass nicht mehr alle lernwilligen und bildungsbereiten Zuwander-/innen zeitnah mit einem Integrationskurs versorgt werden können. Lange Wartezeiten auf einen Kursplatz und die Einstellung von Angeboten in kleineren Städten sowie im ländlichen Raum werden nicht nur in Einzelfällen die Folge sein.

Menschen, die ihren Integrationswillen durch eine beabsichtigte Kursteilnahme zum Ausdruck gebracht haben, werden durch eine solche Politik verprellt. Die wichtige Bildungsmaxime der Bundesregierung – „Niemand darf verloren gehen“ – wird durch die Neuerungen des BAMF konterkariert, wenn potentielle Teilnehmer/-innen aufgrund langer Wartezeiten oder aus Verärgerung über bürokratische Vorgänge von einer Kursteilnahme ganz absehen.

Hinzukommt, dass mit der Einschränkung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten und der Teilzeitkurse die Teilnahme von Müttern bzw. Vätern, von SGB II-Leistungsbeziehern sowie Berufstätigen an Integrationskursen erheblich erschwert wird. Eine solche Politik ist zutiefst unsozial.

Die Integrationskursträger sind durch das BAMF vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Ihre Erfahrungen als Garanten lerneffizienter und erfolgreicher Bildungs- sowie Integrationsprozesse fanden keinen Niederschlag in den Neuerungen. Das Inkrafttreten der vorgesehenen Änderungen mit Datum 1. April 2010 – wenige Tage nach Erhalt des Rundschreibens und ohne jegliche Übergangsregelung – widerspricht einer vertrauensvollen und zielführenden Zusammenarbeit zwischen BAMF und Integrationskursträgern.

Bedarfsgerechte Zulassung
Die zu prognostizierenden Wartezeiten wirken demotivierend auf potentielle Teilnehmer/innen und führen im ungünstigsten Fall dazu, dass Integrationskursangebote nicht wahrgenommen werden. Verschärft wird diese Problematik dadurch, dass das BAMF keinen verlässlichen Zeitraum für die Ausstellung von Kursbewilligungen nennt und dass diese in der Regel selbst nach vier Wochen noch nicht vorliegen.

Alphabetisierungskurse
Das bedarfsgerechte Alphabetisierungsangebot ist insbesondere in kleineren Städten und im ländlichen Raum durch eine Erhöhung der Mindestteilnehmerzahlen gefährdet. Unzumutbare Verzögerung des Kursbeginns und längeren Wartezeiten für die Lernenden sind die zu erwartenden Konsequenzen.

Die Erhöhung der Mindesteilnehmerzahl bedeutet eine Verschlechterung der Lehr- und Lernbedingungen, denn erfolgreiche Alphabetisierung setzt eine individuelle Betreuung der häufig lern- und bildungsfernen Teilnehmenden voraus. Dies erfordert Kurse mit individuell zugeschnittenem Lernmaterial und starker Binnendifferenzierung – insbesondere zu Kursbeginn. Dass größere Lerngruppen einhergehend mit einer größeren Heterogenität, ist eine Erkenntnis, die das BAMF selbst im „Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs“ (Stand 12. Oktober 2009, S. 31 ff.) vertritt.

Dass Teilnehmer/innen in Alphabetisierungskursen, die nach 900 UE Widerholungsstunden absolvieren wollen, vom Sprachtest befreit werden, ist zu begrüßen.

Zulassung zur Wiederholung
Teilnehmer/innen, die das Lernziel des Sprachniveaus A2 nicht erreicht haben, können nicht einfach „abgeschrieben“ werden. Sie von der Wiederholungsmöglichkeit des Aufbausprachkurses auszuschließen, bedeutet auf ihre sprachliche Integration zu verzichten. Statt dessen sollten sie mit gezielten Angeboten gefördert werden. Zu begrüßen ist hingegen, dass Teilnehmer/innen an Alphabetisierungskursen, die nach 900 Unterrichtsstunden keine Sprachprüfung ablegen, die Wiederholungsstunden ohne weiteren Antrag in Anspruch nehmen können.

Kinderbetreuung
Die Forderung, dass kommunale Betreuungsangebote vorrangig in Anspruch zu nehmen sind, geht an der Realität in vielen Kommunen vorbei, weil ein entsprechendes System noch nicht ausgebaut ist. Auch kommen auf Familien, die nicht unter den Bedingungen des SGB II leben, umgehend hohe Betreuungssätze zu.

Die Träger werden aufgrund der großen finanziellen Unsicherheit in Zukunft ihre Angebote zur Kinderbetreuung aufgeben müssen – und damit einem Großteil von motivierten Teilnehmer/innen die Eintrittskarte zum Deutschlernen und folglich zur Integration vorenthalten.

Vorrang von Vollzeitkursen
Teilzeit-Integrationskurse mit 8 oder 12 Unterrichtseinheiten (UE) pro Woche (das heißt 2 – 3 Termine à 3 – 4 UE) entsprechen der vom BAMF gestellten Anforderung der „bedarfsgerechten Zuordnung“ der Integrationskursteilnehmer/innen gegenüber mehreren Zielgruppen:

## Berufstätige, die neben ihrer Arbeit nicht die Kapazität für einen 15stündigen Abendkurs (seien es Allgemeine Integrationskurse oder Zielgruppenkurse) haben;## SGB II-Leistungsbezieher/innen, die zeitgleich zum Integrationskurs an anderen Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen;## Lernungewohnte Personen in allen Kursformen, insbesondere aber Teilnehmer/innen in Alphabetisierungskursen, die aufgrund ihrer Lernkapazität und Leistungsfähigkeit kürzere Lerneinheiten und eine längere Lernzeit benötigen, und die in einem Teilzeitkurs mit mindestens 15 UE, erst recht aber mit einem Vollzeit-Kurs überfordert wären und hier nicht den gewünschten Lernerfolg erzielen würden;## Mütter und Väter, aber auch andere Personen mit erheblichen familiären Verpflichtungen bzw. nur zeitweiliger Kinderbetreuung. Die Erfahrungen mit der BAMF-Bürokratie lassen befürchten, dass die Begründungs- und Genehmigungsverfahren für Teilzeitkurse unverhältnismäßig Zeit und Geld binden und den eigentlichen pädagogischen Auftrag der Bildungsträger behindern werden.“

Das BAMF-Rundschreiben in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.integration-in-deutschland.de

Quelle: BAMF; BAG KJS

Dokumente: BAMF_Schreiben_Finanzierung_und_Durchfuehrung_Integrationskurse.pdf

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