FDP Vorschläge zur Neuausrichtung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

Auszüge aus dem Thesenpapier Aufstiegschancen schaffen – auf dem Weg zum Faien Sozialstaat:
Neuordnung der Grundsicherung (ALG II)
Die FDP will die Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige (ALG II) neu ordnen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Herleitung des Bedarfs insbesondere bei Kindern verworfen. Auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe muss jetzt ein transparentes sowie sachgerechtes Verfahren gewährleistet werden.

Transferbezug darf nicht erblich werden, soziale Ungleichheit darf sich nicht über die Generationen verfestigen. Alle Kinder müssen deshalb einen freien Zugang zu Bildung und kultureller Teilhabe haben – unabhängig von Herkunft und Einkommen der Eltern. Auf dieses Ziel wollen die Liberalen die unterschiedlichen Unterstützungsangebote der Solidargemeinschaft fokussieren. Geldleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt ziehen wir im Prinzip vor, weil sie eine eigenverantwortliche Lebensführung in Freiheit auch für Bedürftige erlauben. In Familien, die Leistungen aus der Grundsicherung erhalten, müssen die Bedürfnisse der Kinder jedoch nicht vollständig über Transferzahlungen gesichert werden. Durch eine Verbindung von Geld- und ergänzenden Sachleistungen – in Form beispielsweise von Gutscheinen für die Teilnahme an kulturellen Angeboten oder der freien Mittagsverpflegung in der Schule – werden die Kinder direkt erreicht und bleiben die Leistungsanreize für die Eltern unberührt.

Die Kosten der Unterkunft sollen nach dem Willen der FDP durch einen pauschalierten Festbetrag gedeckt werden, der allerdings regionale Unterschiede im Wohnungsmarkt berücksichtigen muss. …

Die FDP diskutiert, ob volljährige zusammenlebende Partner jeweils den vollen Regelsatz des ALG II erhalten sollten. Die gegenwärtig bestehenden Anreize zur scheinbaren oder faktischen Trennung von Bedarfsgemeinschaften würden so teilweise beseitigt, die für alle Beteiligten würdelose Prüfung der Anspruchsberechtigung bis in den Intimbereich wäre dann entbehrlich.

Zuverdienst als Brücke in den Arbeitsmarkt
Die FDP wird die Zuverdienstmöglichkeiten für Empfänger der Grundsicherung verbessern und so den Menschen den Weg aus der Bedürftigkeit ebnen. Die Anreize für die Aufnahme einer gering bezahlten, aber existenzsichernden Beschäftigung sind in Deutschland zu schwach. …

Die FDP will die Zuverdienstmöglichkeiten neu regeln und den Anreiz zur Arbeitsaufnahme bei zunehmendem Einkommen verstärken. Das sei fair, mache jeden Schritt aus der Abhängigkeit heraus attraktiver und führe im Ergebnis zu einem Sog in voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die FDP diskutiert konkret zwei Gestaltungsvarianten:

##Variante 1 Der Grundfreibetrag von 100 Euro bleibt erhalten. Zwischen 100 und 1000 Euro bleiben 40 Prozent des Einkommens anrechnungsfrei. Danach bleiben wie beim heutigen ALG II bis 1200 bzw. bis 1500 Euro 10 Prozent des Einkommens anrechnungsfrei. Die Anrechnungsverhältnisse sind wie bisher auf das Nettoeinkommen anzuwenden.

## Variante 2 Der Grundfreibetrag soll auf 40 Euro reduziert werden. Zwischen 40 und 200 Euro wird das Einkommen mit dem ALG II komplett verrechnet. Danach bleibt das Einkommen bis 400 Euro zu 40 Prozent anrechnungsfrei, danach bis 1000 Euro zu 50 Prozent. Außerdem bleiben wie beim heutigen ALG II bis 1200 bzw. bis 1500 Euro 10 Prozent anrechnungsfrei. Die Anrechnungsverhältnisse sind wie bisher auf das Nettoeinkommen anzuwenden.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert die Kosten der beiden Varianten bei einem normierten Indexwert von 100 (bezogen auf den Status quo) für Variante 1 auf ein Kostenniveau von 110 und für Variante 2 auf ein Kostenniveau von 101. Variante 1 würde folglich zu merklichen Zusatzkosten führen, während Variante 2 annähernd kostenneutral wäre. …

Zusammenführung von Leistungen
Laut Auffassung der FDP ist die Vielzahl der Sozialleistungen inzwischen zu einem Dschungel gewachsen. Er sei für Bedürftige wie den Staat selbst nicht mehr durchschaubar. Die Wirksamkeit der Instrumente und ihr Zusammenwirken seien zu oft nicht bekannt. Im schlimmsten Fall schafften sie Fehlanreize und behinderten statt zu helfen. Die FDP bekräftigt deshalb ihre Forderung nach einer Gesamtübersicht und -evaluation aller sozialen Leistungen mit dem Ziel ihrer Bündelung.

Das Wohngeld und der Kinderzuschlag sind Leistungen außerhalb des ALG II, die mit diesem nicht abgestimmt sind. Deshalb sollen sie nach dem Willen der FDP langfristig in der Grundsicherung aufgehen. Das Sozialgeld soll in die Sozialhilfe integriert werden. Langfristiges Ziel bleibt die Zusammenlegung von ALG II und Sozialhilfe. …

Vermittlung in den Arbeitsmarkt
Jeder von Arbeitslosigkeit Betroffene hat einen Anspruch auf eine wirksame Unterstützung beim Wiedereinstieg in den Beruf. Übergeordnetes Ziel aller Maßnahmen ist, die Betreuung vor Ort schneller und zielgenauer zu machen, um die Menschen so wieder in Beschäftigung zu bringen und niemanden zurückzulassen oder aufzugeben. Dazu gehört für die FDP die Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, die passgenaue Beratung der Arbeitgeber und die nötige Qualifizierung der Arbeitssuchenden. Daher sollen die Fachkompetenz und Motivation der Mitarbeiter in der Arbeitsvermittlung vor Ort gefördert werden. Eine anerkennende, leistungsbezogene Entlohnung soll geprüft werden und die Qualifizierung der Mitarbeiter verbessert werden. Die Dauer des Einarbeitungsprogramms für neu eingestellte Arbeitsvermittler sollte verlängert werden, denn die vermittelten Kenntnisse reichen für kompetente Vermittlung und sichere Rechtsanwendung heute oft nicht aus. Schließlich sei zu prüfen, ob eine bessere Relation zwischen Vermittlern und Kunden erreicht werden muss und ob eine kostenneutrale Erhöhung der Qualifizierungsmittel möglich ist. Um jede Chance auf einen Arbeitsplatz zu nutzen, muss zudem die Zusammenarbeit mit privaten Arbeitsvermittlungen im Alltag weiter vereinfacht werden.

Nach Ansicht der Liberalen sollte die Qualifizierungsarbeit der Bildungsträger verbessert werden. Zur Zertifizierung der Träger und Maßnahmen ist eine unabhängige Stelle einzurichten oder zu beauftragen, die nicht in Konkurrenz mit potenziellen Trägern steht. Die FDP spricht sich für ein Ranking der Qualifizierungsmaßnahmen aus, das von einer unabhängigen Stelle verwaltet wird. …

Dem Grundsatz „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ soll überall Geltung verschafft werden. Demjenigen, der arbeitsfähig ist und die Aufnahme einer Arbeit verweigert, sollen die Leistungen für den Lebensunterhalt durch eine konsequente Anwendung der bestehenden Rechtslage gekürzt werden. Die extreme Spreizung der Sanktionsquoten – in Bayern wird zu gut 50 Prozent öfter sanktioniert als in Bremen – sehen die Liberalen als ein Indiz dafür, dass die Rechtsanwendung unterschiedlich erfolgt und mancherorts verbesserungswürdig ist.

Arbeitsgelegenheiten wie 1-Euro-Jobs sollten nach Auffassung der FDP dort angeboten werden, wo sie der Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt von Langzeitarbeitslosigkeit dienen. Sie sind jedoch keine reguläre Gegenleistung für den Leistungsbezug, insbesondere da dies sozialversicherungspflichtige Beschäftigung massiv gefährden würde. … Aktuelle Forderungen nach einem so genannten gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt werden als volkswirtschaftlich schädlich verstanden – und verdecken, dass Menschen Chancen auf reguläre Arbeit durch die Verriegelung eines Niedriglohnsektors vorenthalten bleiben sollen. …

Tarifautonomie statt staatlicher Lohnpolitik
Einen gesetzlichen Mindestlohn lehnt die FDP strikt ab, weil er naturgemäß nicht flexibel wäre, eine für viele Grundsicherungsempfänger kaum zu überwindende Marktzugangsbarriere errichten und insgesamt Arbeitsmöglichkeiten in großem Umfang vernichten würde. Die FDP sieht die Gefahr, dass ein staatlicher Mindestlohn Gegenstand eines Überbietungswettbewerbs in Wahlkämpfen werden würde – und sich dann von der Entwicklung der Produktivität in unserer Volkswirtschaft in gefährlicher Weise abkoppeln könnten. Die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne soll gesetzlich verankert und das bestehende branchenbezogene Allgemeinverbindlichkeitsinstrumentarium evaluiert werden.“

Das Thesenpapier der FDP in vollen Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.heinrich-kolb.de

Quelle: FDP MdB Dr. Heinrich Kolb

Dokumente: FDP_Symposium_Neuausrichtung_der_Sozialpolitik.pdf

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