In Hessen hatte eine Schülerin gegen ihre Zuweisung an eine Förderschule geklagt. Ihre Klage bezog sich auf die in das deutsche Recht übernommene UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Der hessische Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung die Vertragsbstimmungen des Übereinkommens besitzen derzeit keine innerstaatliche Geltung, soweit sie den Bereich des öffentlichen Schulwesens betreffen. Laut Verwaltungsgerichtshof hat das Vertragsgesetz des Bundes vom 21. Dezember 2008 für den Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Umsetzung der Bestimmungen in Art. 24 BRK in innerstaatliches Recht bewirkt, weil dem Bund die an die Gesetzgebungszuständigkeit anknüpfende Transformationskompetenz fehlt.
Außerdem erfüllten die Bestimmungen in Art. 24 BRK nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit, da es ihnen an der hierfür erforderlichen Bestimmtheit fehle. Es handelte sich in weiten Teilen um Programmsätze, wobei die Art und Weise sowie die Geschwindigkeit der Realisierung den Vertragsstaaten überlassen bleiben. Demnach können Schüler/-innen in Hessen weiterhin an Förderschulen (auch gegen den eigenen Willen) zugewiesen werden.
Auszüge aus dem Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshof:
„Bei der Auslegung der maßgeblichen englischen Fassung … ergibt sich, dass den Anforderungen an eine unmittelbar anwendbare Rechtsnorm nicht genügt ist. Es fehlt insbesondere …an der erforderlichen Bestimmtheit für den innerstaatlichen Vollzug. Daher kann der völkerrechtlichen Vereinbarung kein generelles Verbot der Zuweisung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Förderschulen entnommen werden.
Für eine hinreichende Bestimmtheit der genannten Vertragsabrede wäre insbesondere erforderlich, dass die gewählten Formulierungen in zumutbarer Weise erkennen lassen, ob das zu gewährleistende inklusive Bildungssystem … und der sicher zu stellende Zugang zu einem inklusiven Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen … voraussetzungslos gilt, oder ob hierfür näher zu bezeichnende tatbestandliche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Den Anforderungen an eine solche hinreichende Bestimmtheit genügt Art. 24 BRK nicht. Die Regelungen sprechen selbst keine entsprechenden Verpflichtungen aus. Die … sind von ihrem Wortlaut her lediglich auf ein vereinbartes Ziel ausgerichtet, ohne eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen. Das in Art. 24 … genannte inklusive Bildungssystem … ist dahin zu verstehen, dass es der Handlungsfreiheit der Vertragsstaaten überlassen bleibt, welche geeigneten Maßnahmen sie ergreifen, um die genannten Ziele zu erreichen. Damit erweisen sich die Vertragsbestimmungen … für eine unmittelbare Anwendung auf die zu entscheidenden Lebenssachverhalte als zu unbestimmt.
Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enthält – abgesehen von den als ausdrückliche Verpflichtungen formulierten Vertragsbestimmungen – in weiten Teilen die Einigung der Vertragsstaaten auf politische Programmsätze zur Verbesserung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Art und Weise der Realisierung der formulierten Ziele und das Tempo bei ihrer Verwirklichung bleibt den Vertragsstaaten selbst überlassen. Damit kommt dem Übereinkommen allein die Aufgabe zu, die Vertragsstaaten politisch auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen festzulegen. Vor diesem Hintergrund kann ein übereinstimmender Wille der Vertragsstaaten, konkrete rechtliche Handlungs- und Verhaltenspflichten zu begründen, dem Übereinkommen nicht entnommen werden. Hierzu wäre erforderlich, dass ein solcher Bindungswille eindeutig im Vertragstext zum Ausdruck kommt … . Dies ist hinsichtlich der in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 2 Satz 1 b) BRK niedergelegten Vereinbarungen nicht der Fall.
Das in Art. 5 Abs. 2 BRK niedergelegte allgemeine Verbot von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer Behinderung verleiht zwar im Grundsatz auch eine subjektive Rechtsposition. Die Zuweisung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an eine Förderschule ist indes nicht zwingend eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung im Sinne von Art. 2 BRK … und verstößt damit auch nicht gegen das betreffende allgemeine Diskriminierungsverbot. Vielmehr kann eine solche Zuweisung – je nach Lage des Einzelfalles – eine besondere Maßnahme darstellen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich ist … „
Unter Angabe des Aktenzeichens Az. 7B 2763/09 kann das KGH Hessen-Urteil vom 12.11.2009 unter aufgeführtem Link abgerufen werden.
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/j5p/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=MWRE100000199%3Ajuris-r00&documentnumber=1&numberofresults=1&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
http://www.alle-inklusive.behindertenbeauftragte.de/cln_108/nn_1430096/AI/Konvention/WasistdieUNKonvention__node.html?__nnn=true#doc1430112bodyText4
Quelle: Landesjugendamt Westfalen/Münster; juris
Dokumente: UN_BRK_VGH_Hessen_2009_abl_Individualanspruch.pdf