ANTEIL UNGELERNTER RELATIV HOCH
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA hat mit seinem aktuellen Forschungsbericht eine Lücke in der Datenerhebung geschlossen. Eine Befragung von Rehabilitanten gibt nun mehr Auskunft über Maßnahmeteilnahme, Beschäftigungschancen und Risiken der Arbeitslosigkeit.
Der Forschungsbericht stellt offiziell fest, was bisher vermutet wurde: Der Anteil der Ungelernten unter Rehabilitanten ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhöht. 41 Prozent verfügen über keine Berufsausbildung. In der Gesamtbevölkerung beträgt dieser Anteil 29 Prozent. Auch sind unter Rehabilitanten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Personen ohne Schulabschluss oder mit niegrigeren Abschlüssen überrepräsentiert.
Auszüge aus dem Bericht von Johanna Wuppinger und Angela Rauch geben weiterführende Infos:
“ WIEDEREINGLIEDERUNG IN DEN ARBEITSMARKT IM RAHMEN BERUFLICHER REHABILITATION
Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft ist eine zentrale sozialpolitische Aufgabe. Die Prinzipien dieser Teilhabe sind im Sozial- gesetzbuch IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ kodifiziert. Mit seiner Einführung im Jahr 2001 wurde der Fokus auf Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen gesetzt.
Dabei gelten Menschen als behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist“ (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Einer der wichtigsten Aspekte gesellschaftlicher Teilhabe ist die Integration in das System der Erwerbsarbeit. Denn diese Integration ist für Menschen mit und ohne Behinderungen eine wichtige Voraussetzung dafür, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Das Sozialgesetzbuch IX formuliert das Ziel, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer zu sichern (§ 1 und § 4 SGB IX). Dazu erhalten sie alle Leistungen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind. …
Dabei ist nicht bei jedem Menschen mit einer gesundheitlichen Einschränkung oder (Schwer-)Behinderung zwangsläufig die Notwendigkeit für eine berufliche Rehabilitation gegeben. Vielmehr wird unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls über den individuellen Rehabilitationsbedarf entschieden. Berufliche Rehabilitation ist somit der Weg, auf dem die Beschäftigungsfähigkeit erstmals hergestellt bzw. wieder hergestellt wird. Für diese Leistungen sind unterschiedliche Träger und Institutionen mit unterschiedlichen Leistungsgesetzen zuständig. Träger beruflicher Rehabilitation sind neben der Bundesagentur für Arbeit (BA) u. a. die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Dabei erfolgt die Erbringung der Leistungen bei den einzelnen Trägern auf Basis der jeweils gültigen Leistungsgesetze der einzelnen Träger.
Im Fall der BA ist dies das Sozialgesetzbuch III „Arbeitsförderung“ in Verbindung mit dem SGB IX. Für die Träger der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (SGB II) sind die Leistungen beruflicher Rehabilitation über den § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit dem SGB III geregelt. Der (individuelle) Handlungsbedarf wird im Fall der BA und der SGB-II-Träger mit den in § 19 SGB III definierten eingeschränkten Teilha- bechancen am Erwerbsleben bestimmt und beurteilt. Nach dieser Prüfung erfolgt eine Anerkennung als beruflicher Rehabilitand. Dabei führt die BA auch die Status-Anerkennung für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger durch, da sie auch Träger beruflicher Rehabilitation für diejenigen Personen ist, die sich im Rechtskreis SGB II befinden.
Aus verwaltungstechnischen Gründen, aber vor allem weil hier zwei deutlich unter- schiedliche Zielgruppen angesprochen werden, wird bei der Förderung beruflicher Rehabilitation im Rahmen der BA zwischen Erst- und Wiedereingliederung unter- schieden. In einer Ersteingliederung finden sich junge behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen. Ziel ist eine erfolgreiche berufliche Ersteingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. …
Die dabei angebotenen Leistungen zur Teilhabe differenzieren sich in allgemeine und besondere Leistungen. Nach dem Grundsatz „so allgemein wie möglich, so spezifisch wie nötig“, werden Leistungen zur Teilhabe im Rahmen von allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen angeboten, die auch nichtbehinderten Teilneh- mern offen stehen. Die besonderen Leistungen sind dagegen auf behindertenspezifische Besonderheiten ausgerichtet ….
Teilnehmerstrukturen
… Unter den Befragten finden sich – wie generell bei beruflicher Rehabilitanden – insgesamt mehr Männer als Frauen (66 bzw. 34 Prozent). Die Altersverteilung lässt deutliche Schwerpunkte erkennen: Die befragten Rehabilitanden sind größtenteils im jüngeren Erwachsenenalter, vier von zehn sind jünger als 35 Jahre, ein knappes Drittel ist zwischen 36 und 45 Jahren alt. …
Ein detaillierterer Blick auf die gesundheitliche Situation zeigt, dass ein Großteil der Befragten unter mehr als einer gesundheitlichen Einschränkung leidet: die 2.096 Befragten machten 3.834 Angaben zu bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen. Etwa die Hälfte der Rehabilitanden nennt körperliche Behinderungen, jeder Vierte berichtet von Allergien. 21 Prozent geben psychische Probleme an. Innere Erkrankungen, wie Krebs und Organschäden nennen weitere 20 Prozent. Weniger häufig sind Sinnesbehinderungen – 14 Prozent der Befragten haben eine Sehbehinderung, sieben Prozent eine Hörbehinderung. Lern- und Sprachbehinderungen liegen bei 12 Prozent der Befragten vor.
Insgesamt findet sich ein heterogenes Krankheitsspektrum, in dem Mehrfacherkrankungen keine Seltenheit sind. …
Da die Beeinträchtigungen teilweise schon sehr lange bestehen und Mehrfachbelastungen weit verbreitet sind, stellt sich die Frage, wie die Rehabilitanden ihre Situation persönlich bewerten. Angesichts des vorhanden Krankheitsspektrums zeigt sich ein sehr positives Bild: Etwa die Hälfte der Rehabilitanden berichtet zum Befragungszeitpunkt von einem guten bis sehr guten Gesundheitszustand, ein knappes Viertel schätzt die eigene gesundheitliche Situation schlecht bis sehr schlecht ein.
Diese subjektiven Einschätzungen der Befragten beinhalten, anders als ärztliche Diagnosen, auch die psychische Verfassung der Befragten und sind von sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen geprägt. …
… die meisten Rehabilitanden sind in Wiedereingliederung in einem Alter, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit schulische und berufliche Qualifizierungen im Regelsystem abgeschlossen sind. Vergleicht man ihre Qualifikationsstruktur mit der Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass die Schulabschlüsse der Rehabilitanden teilweise anders verteilt sind. Obwohl knapp 90 Prozent der Befragten die allgemeinbildende Schule mit einem Abschluss beendet haben, liegt der Anteil derer ohne Schulabschluss sieben Prozentpunkte über dem der Gesamtbevölkerung . Gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) hat einen Hauptschulabschluss (inklusive sieben Prozent mit qualifizierendem Hauptschulabschluss) erworben – der Anteil in der Gesamtbevölkerung liegt mit 40 Prozent 14 Prozentpunkte darunter. Jeder dritte Rehabilitand hat die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen, auch das sind anteilig mehr Personen als in der Gesamtbevölkerung (21 Prozent Realschulabsolventen). Sechs Prozent haben das Abitur gemacht, damit liegt ihr Anteil 18 Prozentpunkte unter dem der Gesamtbevölkerung (24 Prozent). Dreieinhalb Prozent der Rehabilitanden haben eine Förderschule besucht und dort einen Abschluss gemacht (hier liegt leider keine Vergleichsgröße vor). Die niedrigeren und mittleren Schulabschlüsse sind unter den Rehabilitanden im Vergleich also überrepräsentiert, ebenso Personen ohne Schulabschluss.
Geringer als in der Gesamtbevölkerung ist auch der Anteil derer mit abgeschlossener Berufsausbildung – mit 59 Prozent liegt er 12 Prozentpunkte unter dem Anteil in der Gesamtbevölkerung. …
… 41 Prozent der Rehabilitanden hatten zum Befragungszeitpunkt keine Berufsausbildung abgeschlossen (29 Prozent in der Gesamtbevölkerung). Der Anteil der Ungelernten unter den Rehabilitanden ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung also erhöht. …
Zugangswahrscheinlichkeiten – wer nimmt an welcher Hauptmaßnahme teil?
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Für die Teilnahme an Orientierungs- und Trainingsmaßnahmen ist zunächst die bereits vorhandene schulische und berufliche Bildung entscheidend. Rehabilitanden mit höheren Bildungsabschlüssen wie Mittlere Reife und Hochschulreife nehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Orientierungs- und Trainingsmaßnahmen teil als Personen mit Hauptschulabschluss. Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung haben eine höhere Teilnahmewahrscheinlichkeit als Rehabilitanden ohne Berufsabschluss.
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Die Teilnahmewahrscheinlichkeit an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen hängt ebenfalls mit dem Berufsabschluss zusammen: Rehabilitanden ohne abgeschlossene Berufsausbildung nehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit teil als Personen, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben. Dies erscheint logisch und nachvollziehbar, sind diese Maßnahmen doch darauf ausgerichtet, Defizite in der beruflichen Bildung auszugleichen. Die Schulbildung hingegen hat keinen signifikanten Einfluss auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit. Aber auch das Alter der Rehabilitanden spielt eine Rolle für die Teilnahme an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. So haben Personen im jüngeren Erwachsenenalter …
Als dritte und letzte Gruppe werden die Zugangswahrscheinlichkeiten in Beschäftigung schaffende Maßnahmen betrachtet. Auch hier spielt die Bildung eine Rolle, allerdings ausschließlich die schulische. Rehabilitanden, die die Schule mit Mittlerer Reife abgeschlossen haben, nehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit an einer Beschäftigung schaffenden Maßnahme teil als Rehabilitanden mit Hauptschulabschluss. Der kumulierten Arbeitslosigkeitsdauer kommt ebenfalls signifikante Bedeutung zu. Wer insgesamt länger als zwei Jahre arbeitslos war, nimmt mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer Beschäftigung schaffenden Maßnahme teil als Rehabili- tanden, die kürzer als ein Jahr ohne Arbeit waren. Einzig bei dieser Maßnahmegruppe spielt außerdem die Lage auf dem regionalen Arbeitsmarkt eine Rolle. …
Subjektiver Maßnahmeerfolg – Bewertungen der drei wichtigsten Maßnahmegruppen durch die Teilnehmer
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Die Teilnehmer an den drei wichtigsten Maßnahmegruppen schätzen den individuellen Nutzen ihrer Hauptmaßnahme sehr unterschiedlich ein. Weiterbildungsmaßnahmen schneiden dabei am positivsten ab: Zwei Drittel der Teilnehmer glauben, dass sich ihre berufliche Leistungsfähigkeit durch die Weiterbildung verbessert hat. Gut die Hälfte lernt dabei außerdem einen besseren Umgang mit der eigenen Erkrankung. Orientierungs- und Trainingsmaßnahmen werden insgesamt etwas zurückhaltender bewertet, deutlich schlechtere Einschätzungen finden sich bei Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Dies könnte u. a. dadurch begründet sein, dass hier mit hoher Wahrscheinlichkeit Rehabilitanden teilnehmen, die schulisch gering qualifiziert sind, die insgesamt auf lange Arbeitslosigkeitszeiten zurückblicken und die in Regionen mit eher ungünstiger Arbeitsmarktlage leben. …
Ewerbschancen
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Die Erwerbschancen werden u. a. vom Zeitpunkt des Auftretens der Behinderung beeinflusst: Rehabilitanden, deren Behinderung im jungen Erwachsenenalter aufgetreten ist, haben bessere Erwerbschancen haben als diejenigen mit angeborenen Behinderungen. Auch Rehabilitanden, die mindestens einmal in ihrem Erwerbsleben sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, haben höhere Erwerbschancen als andere, dies gilt auch für Rehabilitanden mit Kfz-Führerschein.
Arbeitslosigkeit
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Das Arbeitslosigkeitsrisiko hängt mit dem vorhandenen Schulabschluss zusammen: Personen ohne Schulabschluss oder mit Förderschulabschluss sehen sich mit einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko konfrontiert als Rehabilitanden, die einen Hauptschulabschluss erworben haben. Längere Arbeitslosigkeitserfahrung erhöht das Arbeitslosigkeitsrisiko ebenfalls. Die Wohnregion spielt auch hier eine Rolle: Rehabilitanden in ländlichen Regionen haben ein signifikant erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko. “
Quelle: IAB