Die Potentiale nutzen – Der Migrationsbericht 2008

Auszüge aus dem Migrationsbericht 2008:
“ Betrachtet man das Migrationsgeschehen insgesamt, so lässt sich in den letzten Jahren (seit Mitte der 1990er Jahre) eine tendenziell rückläufige Entwicklung erkennen. Im Jahr 2006 wurden mit etwa 662.000 Zuzügen die niedrigsten Zuwanderungszahlen seit der Wiedervereinigung registriert. … Im Jahr 2008 wurden etwa 682.000 Zuzüge verzeichnet. Die Zahl der Fortzüge blieb dagegen relativ konstant – sie schwankte zwischen 1997 und 2008 zwischen 600.000 und 750.000. Im Jahr 2008 war mit 738.000 Fortzügen jedoch ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (637.000 Fortzüge) festzustellen. Dieser Anstieg der Fortzüge kann jedoch zum Teil auf im Jahr 2008 durchgeführte Bereinigungen des Melderegisters anlässlich der bundesweiten Einführung der persönlichen Steuer-Identifikationsnummer zurückzuführen sein, die zu zahlreichen Abmeldungen von Amts wegen geführt haben. … Von 1991 bis 2008 wurden etwa 16,5 Millionen Zuzüge vom Ausland nach Deutschland registriert.
Diese hohen Zuzugszahlen resultieren vor allem aus dem – bis Mitte der 1990er Jahre – erhöhten Zuzug von (Spät-)Aussiedlern, der bis 1992 gestiegenen Zahl von Asylsuchenden, die seitdem jedoch kontinuierlich gesunken ist, den seit 1991/92 aus dem ehemaligen Jugoslawien geflohenen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, von denen die meisten bereits wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, sowie aus der gestiegenen, aber zeitlich begrenzten Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Staaten, insbesondere von Werkvertrags- und Saisonarbeitnehmern … Im gleichen Zeitraum waren 12,3 Millionen Fortzüge aus dem Bundesgebiet ins Ausland zu verzeichnen. Die letzten siebzehn Jahre im Saldo betrachtet, ergeben einen Wanderungsüberschuss von fast 4,2 Millionen. Während für das Migrationsgeschehen der 1990er Jahre in Deutschland die Öffnung des “Eisernen Vorhangs”, die eine erleichterte Ausreise aus den osteuropäischen Staaten ermöglichte sowie die Bürgerkriegssituation in Jugoslawien bestimmend waren, hat sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Migrationsgeschehen auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert.

Hauptherkunftsland der Zuwanderer im Jahr 2008 war – wie in den Jahren zuvor – Polen. Im Vergleich zum Vorjahr war zwar ein Rückgang der Zuzüge aus Polen um 15% zu verzeichnen. Insgesamt war jedoch seit dem EU-Beitritt Polens ein Anstieg der Zuzüge festzustellen. Nachdem der Wanderungssaldo gegenüber Polen die letzten Jahre jeweils deutlich positiv ausfiel, wurde im Jahr 2008 ein leicht negativer Wanderungssaldo verzeichnet. Stark angestiegen sind in den beiden Jahren seit dem EU-Beitritt Anfang 2007 die Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien; im Falle Rumäniens hat sich die Zahl der Zuzüge in etwa verdoppelt, im Falle Bulgariens sogar verdreifacht. Insbesondere gegenüber diesen beiden Ländern wurde deshalb auch ein deutlicher Wanderungsgewinn registriert. Dagegen wurde gegenüber der Türkei bereits das dritte Jahr infolge ein Wanderungsverlust festgestellt.

Eine differenzierte Betrachtung des Migrationsgeschehens nach einzelnen Zuwanderergruppen zeigt, dass im Jahr 2008 insbesondere der Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen und die Zuwanderung von Spätaussiedlern und ihrer Familienangehörigen weiter rückläufig war. So sank der Ehegatten- und Kindernachzug seit 2002 um mehr als die Hälfte auf 39.717 im Jahr 2008. Noch deutlicher fiel der Rückgang des Spätaussiedlerzuzugs aus. Nachdem im Jahr 2001 fast 100.000 Spätaussiedler mit ihren Familienangehörigen nach Deutschland kamen, waren es im Jahr 2008 nur noch 4.362 Personen. Dagegen konnte nach einem von 2001 bis 2007 kontinuierlich anhaltenden Rückgang der Asylbewerberzahlen im Jahr 2008 wieder ein leichter Anstieg um 15% auf 22.085 Asylerstanträge gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden.
Im Bereich der Arbeitsmigration hat der Trend zu einer verstärkten Zuwanderung von Fachkräften auch im Jahr 2008 angehalten. So nahm die Zahl der Zustimmungen zu einem Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung an ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie um 15% auf 3.906 im Vergleich zum Vorjahr zu. … Dagegen war die Zahl der Saison- und Werkvertragsarbeitnehmer leicht rückläufig. Hierbei ist festzustellen, dass polnische Saisonarbeitnehmer zwar weiterhin die größte Gruppe stellen, deren Zahl jedoch seit 2004 sinkt. Dagegen ist die Zahl der rumänischen Saisonarbeitnehmer in den letzten zehn Jahren um etwa das Zehnfache angestiegen. …

Während sich die Zahl der rückkehrenden Deutschen in den letzten Jahren auf einem relativ konstanten Niveau hielt, stieg die Zahl der Fortzüge von Deutschen an, so dass sich der Wanderungsverlust seit 2001 kontinuierlich vergößerte. Allerdings belegen Studien, dass viele Deutsche nicht dauerhaft im Ausland bleiben. Hauptzielland deutscher Abwanderer ist seit 2004 die Schweiz. Fast 30.000 deutsche Staatsangehörige zogen im Jahr 2008 in das Nachbarland. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland weiterhin ein Hauptzielland von Migration ist, das jedoch in den letzten Jahren von Spanien als primäres Aufnahmeland abgelöst wurde. Stark zugenommen hat auch die Zuwanderung nach Italien.

Die Altersstruktur der Zuzugsbevölkerung unterscheidet sich deutlich von derjenigen der Gesamtbevölkerung (Deutsche und Ausländer)…. Die Zugezogenen sind durch einen hohen Anteil von Personen jüngeren und mittleren Alters (18 bis unter 40 Jahre) gekennzeichnet: Im Jahr 2008 waren drei Viertel (73,9%) der Zuziehenden unter 40 Jahre; bei der Gesamtbevölkerung lag dieser Anteil dagegen bei nur 43,7%. Dabei fielen 63,2% der Zugezogenen in die Altersgruppe der 18- bis unter 40-Jährigen, bei der Gesamtbevölkerung waren dies nur 27,0%. … Bei den fortziehenden Personen zeigt sich folgendes Bild: Etwas mehr als zwei Drittel (67,5%) der im Jahr 2008 Fortgezogenen waren jünger als 40 Jahre. Insgesamt ist der Anteil der jüngeren Personen bei den Fortziehenden etwas geringer als bei den Zuziehenden, so dass mehr Jüngere in Deutschland verbleiben, während die Älteren verstärkt fortziehen. …

Der Anteil der Frauen ist sowohl bei den Zuzügen als auch bei den Fortzügen geringer als jener der Männer. Dabei schwanken die Anteile an den Zu- und Fortzügen über die Zeit hinweg nur relativ geringfügig. Der Frauenanteil bei den Zuzügen, der durchgängig höher ist als bei den Fortzügen, bewegt sich seit 1994 zwischen 40% und 43%, bei den Fortzügen seit 1997 zwischen 36% und 40%. Während der Frauenanteil bei den Zuzügen in den letzten Jahren jedoch rückläufig ist (von 42,9% im Jahr 2002 auf 40,1% im Jahr 2008), stieg der Anteil bei den Fortzügen im gleichen Zeitraum leicht an (von 37,3% auf 39,2%) ….
Eine Differenzierung nach einzelnen Herkunftsländern zeigt, dass einige Länder durch einen überproportional hohen Frauen- bzw. Männeranteil an den Zuzügen gekennzeichnet sind …. So lag der Frauenanteil der ausländischen Zugezogenen aus Thailand im Jahr 2008 bei 74,0%, der der Fortgezogenen bei 72,2%. Grund für diesen hohen Anteil ist u.a. die Heiratsmigration aus diesem Land. Weitere Herkunftsländer mit hohem Frauenanteil an den ausländischen Zugezogenen sind Kenia (72,0%), Peru (66,5%), Estland (65,7%), die Ukraine (64,5%), die Philippinen (63,6%) und die Russische Föderation (63,4%). Ein überproportional hoher Männeranteil an den ausländischen Zugezogenen ist für die Herkunftsländer Algerien (78,9%), Ungarn (76,7%), Irak (74,5%), Kroatien (74,2%), Libanon (72,3%), Bosnien-Herzegowina (72,3%), Tunesien (71,8%), Indien (70,6%), Portugal (68,7%), Slowenien (66,2%) und Polen (65,7%) festzustellen.

Die im Migrationsbericht enthaltenen statistischen Daten beziehen sich vorrangig auf das Berichtsjahr 2008. … Der Migrationsbericht wurde in der Forschungsgruppe 22 von Stefan Rühl, Tatjana Baraulina und Doris Hilber unter der Leitung von Dr. Sonja Haug in Zusammenarbeit mit Dr. Harald Lederer, Paul Brucker und Afra Gieloff von Referat 222 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstellt. …

Migration und Entwicklung

Die Annahme, dass Entwicklung die Abwanderung verhindern könne, wurde allerdings durch das Model der sogenannten Migrationsschwelle (migration hump) relativiert. Demnach geht die Abwanderungsbereitschaft mit einer fortwährenden Entwicklung nicht zurück. Während die Ärmsten der Armen die Ressourcen für den weiten Weg in die entwickelten Regionen nicht aufbringen können, verbessern sich die materiellen Ressourcen und die Qualifikationen der Bevölkerung in den sich rasch entwickelnden Regionen und hiermit auch die Möglichkeiten, international mobil zu werden. Die Schlussfolgerung daraus war, dass die Abwanderungsbereitschaft in den Entwicklungsregionen erst dann zurück gehen wird, wenn sich die Wohlstandsunterschiede zwischen den entwicklungs- und entwickelten Regionen weitgehend angenähert haben.
Vor dem Hintergrund der Debatte um die steigende internationale Migration im Zuge der Entwicklung, etablierte sich in den letzten Jahren die Ansicht, dass Migration nicht in jedem Falle eine Folge der Armut und Aussichtslosigkeit ist. Internationale Migration ist ferner ein Ausdruck der zunehmenden Angleichung von ökonomischen Systemen, Internationalisierung des Handels, Globalisierung der Bildungsstandards und der Wohlstandserwartungen. Im Rahmen dieser Perspektivenverschiebung wird internationale Migration als Potenzial für die Entwicklung aufgefasst. … „

Den vollständigen Bericht entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Artikel/2010/02/2010-02-03-migrationsbericht-2008.html

Quelle: Bundesregierung

Dokumente: Migrationsbericht_2008_de.pdf

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