Auszüge aus dem Schreiben von Roland Koch, das den Stein ins Rollen brachte und letztendlich Wegbereiter war für eine weiterhin gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in der Betreuung der Langzeitarbeitslosen:
“ Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
… Sie haben am 25. Januar den Bundesländern und der Öffentlichkeit die derzeitigen Vorstellungen der Bundesregierung zur Neugestaltung der Verantwortlichkeiten vorgelegt. Diese Regelungen vermeiden eine Änderung des Grundgesetzes und bauen deshalb darauf, dass die unterschiedlichen Lebenssachverhalte im Bereich des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes einerseits und der sonstigen Leistungen, wie etwa den Kosten der Unterkunft, andererseits durch getrennte Behörden wahrzunehmen sind. Gleichzeitig sollen diese Behörden in einer Struktur der Freiwilligkeit Vereinbarungen treffen, die jedenfalls den äußeren Anschein eines einheitlichen Verhaltens herstellen können.
Wir haben Ihre Vorschlälge, … intensiv geprüft. Die Prüfung geschah in Anerkennung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, aber auch auf dem Hintergrund der Erfahrungen und grundsätzlichen Positionierungen, die das Bundesland Hessen seit Beginn der Diskussion über die Neustrukturierung der früheren Arbeitslosen- und Sozialhilfe eingenommen hat. Wir kommen als Ergebnis unserer Prüfung eindeutig zu dem Schluss, dass ohne eine Änderung des Grundgesetztes eine für die betroffenen Menschen befriedigende Verwaltungslösung nicht erreichbar ist.
Die von Ihnen vorgeschlagenen Lösungen erkennen ja diesen Tatbestand letztlich auch an, versuchen allerdings aus politischen Gründen die Grundgesetzänderung zu vermeiden und schaffen damit unseres Erachtens nicht belastbare und daher nicht zukunftsfähige Organisationsstrukturen.
Ihr Vorschlag führt zwangsläufig dazu, dass die Kommunen in zentralen Bereichen der Bertreuung und Vermittlung von einer Mitwirkung faktisch ausgeschlossen sind. Das mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verfolgte Ziel, passgenaue Hilfen vor Ort für die betroffenen Menschen zu leisten – … – wird damit aufgegeben. Die Leidtragenden sind vorrangig die hilfebedürftigen Menschen, denen – …. – sichtbar keine Unterstützung aus einer Hand angeboten werden kann. …
Viele Kommunen, Städte wie Landkreise, die mit Sorge die Diskussion im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfolgt haben, sehen in dem jetzt vorliegenden Vorschlag eine ernsthafte Bedrohung für eine funktionierende Arbeitsmarktpolitik und würden deshalb am liebesten die Aufgabe der Betreuung und Vermittlung der Hilfebedürftigen in alleiniger Trägerschaft wahrnehmen, so wie dies 69 Optionskommunen bereits seit fünf Jahren erfolgreich tun. Dass ihnen diese Möglichkeit aufgrund ihrer Vorschläge nicht eröffnet wird, ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. …
Über verschiedene Einzelaspekte des Gesetzentwurfs, … sind wir zuversichtlich, zu einvernehmlichen Lösungen kommen zu können. In der Grundsatzfrage aber, welche organisatorischen Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen sind, bleibt es bei dem fundamentalen Dissens.
Die hessische Landesregierung hat sich deshalb entschieden, dass wir im Bundesrat Gesetzen nur zustimmen werden, die den Kommunen mit Einverständnis der jeweiligen Landesregierung die Möglichkeit einräumen, in die inzwischen etablierte und bewährte Regelung der sogenannten „Optionskommunen“ einzutreten, und den Kommunen, die dies nicht wollen, die Möglichkeit geben, im Rahmen einer gemeinsamen Vewaltungstätigkeit auch in Zukunft den Hilfebedürftigen einheitlich … gegenüberzutreten. “
Quelle: Bundesregierung; Bundesland Hessen – Ministerpräsiden Roland Koch