Verfahren zur Kompetenzfeststellung junger Menschen, Expertise von Dr. Jörg Hutter

Verfahren zur Kompetenzfeststellung junger Menschen, Expertise von Dr. Jörg Hutter, Dezember 2004 Auszüge aus der Expertise des Good-Practice-Centers des Bundesinstituts für Berufsbildung (http://www.good-practice.de/publikationen.php), die unter anderem die Themen ‚Matching the Profiles: Kompetenzen der Jugendlichen mit den Anforderungen der Betriebe zusammen bringen‘, ‚Eignung oder Kompetenz – Lichten des Begriffsdschungels‘, ‚Übersicht über aktuelle Formen und Ansätze von Kompetenzfeststellung‘, ‚Die eigene Herangehensweise – Stärken und Schwächen des eigenen Verfahrens‘ behandelt und einen ‚Handlungsleitfaden sowie Good-Practice-Beispiele‘ vorstellt. “ Aufriss der aktuellen Situation und Verdeutlichung der Relevanz des Themas Kompetenzfeststellung für die Benachteiligtenförderung …Verfahren zur Kompetenzfeststellung reüssieren gegenwärtig zu einem der zentralen Instrumente im Rahmen von Bildungsmaßnahmen zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung junger Menschen. … Das neue Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit, veröffentlicht im Januar 2004, hat dieses Förderelement schließlich zum offiziellen Standard der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen gekürt, spricht hier jedoch nicht mehr von Kompetenzen, sondern von Eignung. Eine Eignungsanalyse soll die fachlichen, methodischen, sozialen und persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendlichen ermitteln und die notwendige Qualifizierungsplanung fundieren. Die Jugendlichen sollten anhand der Eignungsanalyse zudem in die Lage versetzt werden, ihre Fähigkeiten bestimmten Berufsfeldern zuzuordnen (…). Die Bundesagentur hat diese Eckpunkte in ihrer öffentlichen Ausschreibung zu den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen im Mai 2004 weiter präzisiert. Die Eignungsanalyse solle Kulturtechniken sowie die sozialen und personalen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendlichen über Beobachtung erfassen. Insbesondere sollten kognitive Merkmale (beispielsweise Lernfähigkeit, Konzentration, Arbeitsplanung), soziale Eigenschaften (etwa Team-, Kontakt- und Kritikfähigkeit),  Formen der Arbeitsausführung (z. B. Sorgfalt, Pünktlichkeit, selbstständiges Arbeiten) und psychomotorische Parameter wie Handgeschick und Feinmotorik ermittelt werden. Die Ergebnisse der Eignungsanalyse soll ein Bericht zusammenfassen, der die Beobachtungsergebnisse, ihre Bewertungen und die Empfehlungen für die weitere Förderung aufführt. Mit diesem Schritt der Bundesagentur für Arbeit – so lässt sich rückblickend resümieren – sind die Verfahren zur Kompetenzfeststellung zum regelfinanzierten Instrumentarium innerhalb der berufsvorbereitenden Lehrgänge avanciert. Kompetenzfeststellungen bilden den Ausgangspunkt der außerbetrieblichen Berufsvorbereitung und strukturieren den nachfolgenden Förderprozess…“ “ Matching the Profiles: Kompetenzen der Jugendlichen mit den Anforderungen der Betriebe zusammen bringen Eine etwas andere Zielrichtung verfolgen Verfahren der Kompetenzfeststellung, die dazu dienen, Jugendliche zu ermitteln, die sich für eine betriebsnahe Qualifizierung eignen. In diesem Fall sollen die Erkenntnisse nicht nur dazu dienen, einen Förderprozess zu strukturieren. Die Ergebnisse dienen – vergleichbar den Einstellungstests – auch dazu, für die betriebliche Qualifizierung passende Jugendliche auszuwählen. Denn offensichtlich ist der Weg einer betrieblichen Ausbildung nicht für alle Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf gangbar. Ein gewisser Prozentsatz von diesen Jugendlichen bedarf der besonderen sozialpädagogischen und fachlichen Förderung in außerbetrieblichen Einrichtungen, da sie nicht in der Lage sind, eine betriebliche Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen. Für diejenigen Jugendlichen hingegen, die „ohne zusätzliche Förderung eine betriebliche Ausbildung kaum erfolgreich absolvieren könnten, aber andererseits nicht der umfassenden (außerbetrieblichen) Förderung und Betreuung bedürfen“ (…), erhöht eine durch Bildungsträger begleitete und gestützte betriebliche Berufsausbildung ihre Chancen auf erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. „Matching“ heißt dann im Fachjargon der Prozess, bei dem Bildungsdienstleister die persönlichen Eignungsprofile mit den betrieblichen Anforderungsprofilen abgleichen, um mit Hilfe dieser Methode die Jugendlichen erfolgreich auf einen betrieblichen Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz vermitteln zu können. Ich selber ziehe den Begriff der Kompetenz dem der Eignung vor, da er in seinem Bedeutungsgehalt am weitesten gefasst ist und somit die meisten Lebenssituationen mit in den Blick nimmt. Hiermit lässt sich verdeutlichen, dass eine stabile berufliche Handlungskompetenz immer auch eine gefestigte Persönlichkeitsentwicklung voraussetzt…“ „Die Begrifflichkeit zielt somit gleichermaßen auf private wie berufliche Aspekte und erlaubt es, berufliche und sozialpädagogische Förderung miteinander zu verzahnen. Die Erfahrungen im Umgang mit förderungswürdigen Jugendlichen lehren, dass der Focus einzig auf die berufliche Eignung oder Ausbildungsreife wichtige Lebensbereiche ausklammert und einer adäquaten ganzheitlichen und erfolgreichen Förderung im Wege steht. Die Entscheidung für den Kompetenzansatz verlangt, sich mit den Problemen, die mit der Verwendung dieser Begrifflichkeit verbunden sind, kritisch auseinander zu setzen. Denn es existiert eine schwer überschaubare Menge Einzelkompetenzen bezeichnender Begriffe, so dass diejenigen Fachausdrücke, mit denen gearbeitet werden soll, klar zu definieren sind…“ … “ Merkmalprofile für die Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (MELBA) Das in Zusammenarbeit mit der Universität Siegen erarbeitete Verfahren zielt auf die berufliche Integration von Personen ab, deren Fähigkeiten aufgrund von Behinderungen beeinträchtigt sind. Erhobene Anforderungsprofile werden hierbei den Fähigkeitsprofilen der Rehabilitanden gegenübergestellt. Erhoben werden soziale Kompetenzen sowie kognitive Fähigkeiten und psychomotorische Merkmale im Rahmen von Interviews, Beobachtung und der Bewertung von Arbeitsproben. Ziel des Profilabgleiches ist die Entwicklung eines angemessenen Förderplanes. … Handwerklich-motorischer Eignungstest (HAMET) Das vom Berufsbildungswerk Waiblingen entwickelte Testverfahren zielt auf die Diagnostik berufsrelevanter gewerblich-technischer Kompetenzen lernbehinderter junger Menschen. Handwerklich motorische Anforderungen werden in praktischen Übungen den beobachtbaren Kompetenzen gegenübergestellt. Das Verfahren ist an einer Gruppe von 200 Berufsschuleinmündern und weiblichen wie männlichen Förder-, Haupt- und Realschülern normiert worden und erlaubt daher eine standardisierte Bewertung der individuell ermittelten Rohwerte einer Person. Das durch beobachtete Aufgabendurchführung und Bewertung erhobene Leistungsprofil erlaubt es, berufliche Vorstellungen im Hinblick auf Realisierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und hieraus entsprechende Förderempfehlungen abzuleiten … Diagnose- und Trainingseinheit (DIA-Train) Das von einer Projektgruppe aus Trägern der Jugendberufshilfe und Landesjugendämtern in Nordrhein-Westfalen zusammengestellte Assessment-Center dient der Förderplanung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf beim Übergang von der Schule zum Beruf. Zu den erfassten beruflichen Anforderungen zählen ausschließlich soziale Kompetenzen (Lernfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Motivation, Selbstvertrauen), die in insgesamt neun Arbeitsaufträgen beobachtet werden. … Technik Ausprobieren Stärken entdecken – Assessment-Center für Mädchen  (TASTE) Das von dem Berliner Verein Life entwickelte Verfahren unterstützt das Berufswahlverhalten von Mädchen. Es dient insbesondere der Förderung von rollen-untypischen Berufswahlentscheidungen in Berufe des Handwerks und der Informationstechnologie. Das Testverfahren erfasst soziale Kompetenzen wie Arbeitssystematik und Informationsmanagement zu den Berufen, Problemlösungskompetenz, Kreativität und Teamfähigkeit. … Profil Assessment-Center-Verfahren des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) Offenburg Bei dem Profil AC-Verfahren handelt es sich um einen Mix aus der Erfassung von kognitiven Fähigkeiten durch verschiedene Testmodule sowie der Erfassung sozialer Kompetenzen durch Beobachtung von Einzel- und Gruppenarbeitsaufträgen (insgesamt 23 verschiedene Dimensionen). Es ist bestimmt zur Kompetenzermittlung bei Jugendlichen in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Nach Auswertung werden die Kompetenzprofile mit den jeweiligen Anforderungsprofilen des Wunschberufes abgeglichen. … Stärken ausprobieren, Ressourcen testen (START) Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung (IMBSE) Das Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung aus Moers nimmt für sich in Anspruch, berufsfeldbezogene Assessment-Center-Verfahren anzubieten. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Arbeitsaufträge berufsfeldtypische Situationen widerspiegeln, wie etwa die Übung „Patientenaufnahme“ Bezug nimmt auf einen gängigen Ablauf in der Alten- und Krankenpflege. Die durch Beobachtung dieser handlungsorientierten Arbeitsaufträge erfassten Handlungsdimensionen umfassen kognitive und feinmotorische Merkmale sowie soziale Kompetenzen. Ziel dieses Verfahrens ist es, die berufliche Orientierung der Jugendlichen zu unterstützen und zu stabilisieren, indem ihnen ihre eigenen Kompetenzen sowie die jeweiligen Anforderungen der Berufe bewusst gemacht werden. Zum anderen können anhand der Diagnostik passgenaue Förderpläne aufgebaut werden.   Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen zur Initiierung und Umsetzung der Thematik in der Benachteiligtenförderung Die folgenden Prüffragen dienen der Qualitätssicherung und wären an die Entwickler von Kompetenzfeststellungsverfahren zu richten: Anforderungsprofile Basiert die Zusammenstellung der Kompetenzen auf einer betrieblichen Anforderungsprofilanalyse? Fußen die Anforderungsprofile auf den Aussagen von Personalverantwortlichen in verschiedenen Firmen, mehreren Stellenanzeigen oder auf den in Prüfungsordungen formulierten Erfordernissen? Kann jeder Anforderungsdimension mindestens ein Verfahren zu ihrer Ermittlung zugeordnet werden? Gültigkeit Belegen Literaturfunde zu den ausgewählten handlungsorientierten Übungen und Arbeitsaufträgen eine inhaltliche Nähe zu den relevanten Anforderungsprofilen? Können die relevanten Kompetenzen auf der Basis der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur exakt definiert bzw. beschrieben werden? Sind die einzelnen Kompetenzen operationalisiert worden, indem ihnen ein Set von trennscharfen beobachtbaren Handlungssequenzen zugeordnet wurde? Ist die inhaltliche Gültigkeit in der Praxis erprobt und belegt worden? Zuverlässigkeit Ist die Zuverlässigkeit des Verfahrens durch Vergleichs- oder Wiederholungsuntersuchungen empirisch ermittelt worden? Gleichen mindestens zwei Assessoren ihre Beobachtungsresultate miteinander ab? Sind die Assessoren und Beurteiler hinsichtlich Beobachtung, Auswertung, Interpretation und Feedback geschult worden? Kontrollierte Subjektivität Basieren die Assessment-Center-Verfahren auf handlungsorientierten Übungen? Wird die Registrierung der einzelnen Wahrnehmungen von ihrer Bewertung eindeutig getrennt? Existieren Verfahrenshinweise zur Methodik, wie die festgestellten Handlungssequenzen zu bewerten und zu interpretieren sind? Verfahrenshinweise Liegen schriftliche Verfahrenshinweise zum Ablauf, zur Auftragsbeschreibung und Arbeitsanleitung an die Jugendlichen vor? Machen die Verfahrenshinweise Angaben zu der notwendigen räumlichen und sächlichen Ausstattung, dem nötigen Personaleinsatz sowie dem zeitlichen und personellen Aufwand? Ist vorgesehen, dass die beteiligten Jugendlichen vorab über die Ziele des Verfahrens informiert werden? Findet eine regelmäßige Qualitätskontrolle hinsichtlich der Relevanz der Anforderungen bzw. Kompetenzen sowie ihrer Definitionen und Operationalisierung statt? Auswertung und Interpretation Werden die Ergebnisse für Dritte nachvollziehbar (Bewertungssystem, Kurzgutachten) dokumentiert? Werden die Resultate auch für die Jugendlichen verständlich und nachvollziehbar aufbereitet? Können die erfassten Rohwerte mit den Normwerten einer Relevanzgruppe verglichen werden? Werden bei der Weitergabe der Daten die Erfordernisse des Datenschutzes beachtet? Feedback Lassen sich die Bewertungen anhand der beobachteten Sachverhalte begründen? Bezieht sich das Feedback auch auf die positiven Seiten und Entwicklungschancen? Erfolgt das Feedback in einem Einzelgespräch?“   Weiterführende Informationen im Internet: Merkmalprofile für die Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (MELBA) : http://www.zukunft-arbeit.de/melba.html http://www.gruene-werkstatt.de/leitfaden/seiten/8178.htm Handwerklich-motorischer Eignungstest (HAMET): http://www.hamet.de Diagnose- und Trainingseinheit (DIA-Train): http://www.ausbildungsvorbereitung.de/diatrain/ Technik Ausprobieren Stärken entdecken – Assessment-Center für Mädchen  (TASTE): http://www.good-practice.de/infoangebote_beitrag942.php Stärken ausprobieren, Ressourcen testen (START): http://www.good-practice.de/gp/suche.php?action=view&id=209

Quelle: http://www.good-practice.de/expertise_kompetenzfeststellungen.pdf

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