‚Potenziale – Profile – Perspektiven‘ – Dokumentation der Fachtagung ‚Neue Wege zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten‘

Dokumentation: ‚Potenziale – Profile – Perspektiven‘ Auszüge aus Dokumentation der Fachtagung ‚Neue Wege zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten‘ am 3. Dezember 2004, herausgegeben vom Thematischen Netzwerk “Berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten“ im Rahmen der GI EQUAL “ … Die […] Dokumentation enthält Redebeiträge und Diskussionen dieser Tagung und sie ist zugleich ein wichtiges Ergebnis der fast dreijährigen Arbeit im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL. Als sich das Netzwerk 2002 auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit in Berlin gründete waren viele eher skeptisch. Die 15 EQUAL – Entwicklungspartnerschaften, die sich damals zu einem Netzwerk zusammenschlossen, hatten zwar ähnliche Arbeitsfelder und ein gemeinsames Ziel, waren aber sehr mit der eigenen Projektarbeit und der eigenen Netzwerkbildung beschäftigt. Ein ‚Thematisches Netzwerk‘ im EQUAL-Programm zu entwickeln, das bedeutete zusätzlich ein Netz der Netze zu schaffen, ein anspruchsvolles Vorhaben, das sich erst allmählich in der gemeinsamen Arbeit realisieren konnte. Es waren letztlich drei Themenfelder auf die sich das Netzwerk einigte: Interkulturelle Öffnung auf dem Arbeitsmarkt, Berufswegeplanung und Profilbildung und Schlüsselqualifikation – Deutsch im Beruf. Die zentrale Frage war dabei: Wie können in der Arbeit der Entwicklungspartnerschaften Beispiele guter Praxis identifiziert werden, die es Wert sind, für andere Akteurinnen und Akteure nutzbar gemacht oder gar in Regelfördersysteme eingebaut zu werden? In die Fachsprache von EQUAL übersetzt hieß das: Wie wird das für den Erfolg von EQUAL so wichtige horizontale und vertikale Mainstreaming der Projektergebnisse realisiert? In einem aufwändigen Verfahren hat das Netzwerk Projekte und Teilprojekte der Entwicklungspartnerschaften daraufhin überprüft, ob sie den Kriterien standhalten, die von ‚Good-Practice‘-Beispielen erwartet werden: Es sollten innovative Ideen sein, die auf andere Orte oder Praxisfelder übertragbar sind. Die Auswahl, die schließlich gemeinsam getroffen wurde, entspricht den Beispielen, die dann auf der Fachtagung präsentiert wurden. Die Arbeitsgruppe, ‚Interkulturelle Öffnung auf dem Arbeitsmarkt‘, beschäftigte sich zunächst mit den Hindernissen, die Migrantinnen und Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt vorfinden. In drei Feldern versuchen EQUAL-Projekte diese Barrieren durch innovative Ideen zu überwinden: durch eine Professionalisierung von Vermittlungsfunktionen zwischen Institutionen der Mehrheitsgesellschaft und Migrantinnen und Migranten (z.B. in Krankenhäusern), durch Stärkung der Migrantenökonomie, die damit effektiver für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nutzbar gemacht werden kann sowie durch die Sensibilisierung von Schlüsselakteuren. Die Arbeitsgruppe ‚Berufswegeplanung‘ sammelte Praxisbeispiele entlang der Stationen auf dem Weg in den Beruf. Auch diese Arbeitsgruppe hat zunächst die Hemmnisse bzw. Hindernisse bei der Berufswegeplanung aufgezeigt und davon ausgehend Good-Practice-Beispiele identifiziert: Die Problembereiche wurden unter dem Blickwinkel sowohl der Dienstleistungsangebote als auch der Zielgruppen betrachtet. Die Arbeitsgruppe ‚Schlüsselqualifikation – Deutsch im Beruf‘ trug unterschiedliche Zugänge des Erwerbs der deutschen Sprache für den Arbeits-markt aus den EQUAL-Projekten zusammen und untersuchte sie auf ihre Anwendbarkeit für den Arbeitsmarkt. Aus den Einzellösungsansätzen wurde ein gemeinsamer Lösungsansatz der Arbeitsgruppe entwickelt: Basis jeder Sprachförderung ist die Sprachberatung und Sprachstandsanalyse. Das Gesamtkonzept ‚Schlüsselqualifikation – Deutsch im Beruf‘ wurde unter dem Motto ‚Modulares System – von Sprachberatung, über differenzierte kundenorientierte und adressatengerechte Sprachkurs – Angebote bis zum standardisierten Abschluss – Zertifikat‘ zusammengefasst. In den Entwicklungspartnerschaften der ersten Förderrunde des EQUAL-Programms sind eine Fülle von Ideen und Produkte entstanden und erprobt worden, wie Arbeitsmarktprobleme von Menschen mit Migrationshintergrund verringert werden können. Diese Ideen sind nicht immer spektakulär. Aber sie erscheinen machbar und übertragbar. Mit dieser Publikation will das Netzwerk einige dieser Beispiele vorstellen. Wir hoffen, dass mit der Arbeit des Netzwerks ein Beitrag zum Abbau der Barrieren von Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt geleistet werden konnte und wünschen allen an diesem Thema Interessierten viel Erfolg bei ihrem weiteren Engagement.“ … Forum I: Interkulturelle Öffnung auf dem Arbeitsmarkt – Wie tragen EQUAL-Projekte zum Abbau von Barrieren bei? … Zusammenfassende Handlungsempfehlungen des Forum I 1. Für die interkulturelle Öffnung brauchen wir partizipative Konzepte. Migrantinnen und Migranten müssen ‚auf gleicher Augenhöhe‘ beteiligt sein. Es wird in der einschlägigen Diskussion seit längerem beklagt, dass paternalistische Konzepte, also Konzepte in denen deutsche Institutionen für Migrantinnen und Migranten tätig werden, wenig effektiv sind. In allen von uns vorgestellten Konzepten sind Migrantinnen und Migranten dagegen entscheidende Akteure. Das, was in EQUAL Empowerment heißt, die Zielgruppe gleichberechtigt einzubeziehen, hat eine produktive arbeits-marktpolitische Funktion. 2. Für den Abbau von Barrieren spielen Vermittlungsleistungen eine entscheidende Rolle. In allen ‚good practice‘-Beispielen, die wir dargestellt haben, spielt die Vermittlungsfunktion eine große Rolle. Der Ombudsmann, der Unternehmerpate, die Vermittler zwischen Handwerksmeistern und Migrantenorganisationen sind effektiv, weil sie gelernt haben zwischen deutschen Institutionen und den MigrantInnen Brücken zu bauen. Dies gilt ebenso, wenn auch in anderer Weise, für die Beispiele Integrationsassistent und Gemeindedolmetscher. In den EQUAL-EPs, die wir vorgestellt haben, geht es im Wesentlichen um Wege der Professionalisierung solcher Ver-mittlungsfunktionen. Dies hat sich als Erfolg versprechender Weg herausgestellt, um Barrieren auf dem Arbeitsmarkt und darüber hinaus zu überwinden. 3. Das zentrale Problem ist die Sicherung der Nachhaltigkeit. Die von uns vorgestellten Beispiele befinden sich an der Schwelle zur Nachhaltigkeit. Zur Überwindung dieser Schwelle sind aber drei Dinge nötig: Der Übergang von der Projektfinanzierung zur Regelfinanzierung ist noch nicht gelungen. Dazu müssen Entscheidungsträger davon überzeugt werden, dass eine weitere Finanzierung Probleme lösen hilft und Kostenersparnis bringt. Die Ansätze sind weitgehend in regionale Kontexte eingebunden. Sie müssen auch ohne diese Kontexte funktionieren. Es müssen Akteure gefunden werden, die bereit sind, die entwickelten Ansätze zu übernehmen und in Regelpraxis zu überführen.  Forum II: Berufswegeplanung und Profilbildung: Beispiele und Handlungsempfehlungen aus der Praxis  … Zusammenfassende Handlungsempfehlungen des Forum II 1. Ansprechen und motivieren Anbieter von Beratung und Qualifizierungsmaßnahmen erreichen ihre Zielgruppe besser, wenn sie auch muttersprachliche Informationsmaterialien verwenden, Informationsveranstaltungen in Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen, Sportvereinen, Moscheevereinen o.ä. und in deren Räumlichkeiten durchführen. Berichte und Meldungen in muttersprachlichen Medien sorgen für zusätzliche Verbreitung. So entstehen Schneeball-Effekte. Für die berufliche Förderung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist eine intensive muttersprachliche Elternarbeit unerlässlich. Sie brauchen Informationen und Argumente, um ihre Kinder unterstützen zu können. 2. Potenziale entdecken und gezielt fördern Aus dem Migrationshintergrund resultierende besondere Potenziale, wie Zweisprachigkeit, erhöhte Flexibiliät und Mobilität sowie Erfahrungen in interkulturellen Kontexten, sind wichtige Ressourcen im Integrationsprozess. Es gilt, sie zu erkennen, zu bewerten und zu fördern. Bei der Durchführung von Assessments, der Erstellung von Integrationsplänen, bei Bewerbungstrainings und der Arbeitssuche sollten MigrantInnen unterstützt werden, durch eine ganzheitliche Sicht ihre persönlichen Stärken zu erkennen und zu vermarkten. Für Unternehmen sind diese Kompetenzen im Zuge der Globalisierung und dem Zugang zu neuen Märkten und Kunden hilfreich. 3. Kompetenzen feststellen und entwickeln Assessment Center sind hervorragend geeignet, um Potenziale und Stärken von Migrantinnen und Migranten festzustellen, Informationen über die individuellen beruflichen Potenziale zu ermitteln und das individuelle Berufswahlspektrum zu erweitern, wenn sie keine kulturell ‚irritierenden‘ und spielerischen Aufgaben verwenden. Bei Assessments für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen ist darauf zu achten, dass sie nicht zu ’sprachlastig‘ sind. Sowohl für den schulischen als auch für den außerschulischen Bereich sollte eine systematische Verzahnung mit anderen Instrumenten der Berufsorientierung und Arbeitsintegration erfolgen. Hier sind die potenziellen Geldgeber (Schule, Arbeits-und Sozialverwaltung, Wirtschaft) gefragt, das Instrument als Standardinstrument zu etablieren und sinnvoll mit anderen Maßnahmen zu verknüpfen (z.B. durch die Gründung von Kompetenzzentren). Um Vergleichbarkeit und Transparenz für die Nutzer und Geldgeber herzustellen, sind die Anbieter von Assessment Center gefordert, Qualitätsstandards zur Durchführung und zur Dokumentation der Ergebnisse (z.B. in Form von Stärkenprofilen) zu erarbeiten und zu etablieren. Bei Jugendlichen, die sich abweichend und störend verhalten und die durch konventionelle Methoden der beruflichen Orientierung nicht erreicht werden, ermöglicht der Einsatz erlebnispädagogischer Elemente neue Sichtweisen und Zugänge zu Potenzialen und Hemmnissen – nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für ihre Lehr- und Fachkräfte. Erlebnispädagogische Kompetenz- und Konflikttrainings sollten als Baustein in berufsvor-bereitende Maßnahmen oder berufschulische Vollzeitlehrgänge (BVJ, BGJ) integriert werden. 4. Beraten und qualifizieren Beraterinnen und Berater von arbeitslosen MigrantInnen und von MigrantInnen beim Übergang Schule – Beruf sollten über interkulturelle Kompetenzen verfügen. Durch die Initiative von EQUAL – Projektpartnern wurde interkulturelle Kompetenz in die Qualitätsstandards für Fallmanagement in der Beschäftigungsförderung aufgenommen, die der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge verabschiedet hat. Interkulturelle Kompetenz wird auch als Modul in der Aufbauschulung der Fortbildung der Bundesagentur für Arbeit für zukünftige FallmanagerInnen angeboten. Bei diesem Curriculum wird auf die Erfahrungen von EQUAL-Projekten zurückgegriffen, die erfolgreich Fortbildungen in interkultureller Kompetenz für Fachkräfte der Beschäftigungsförderung aus dem kommunalen Bereich und Arbeitsagenturen durchgeführt haben. Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften (ARGE), Kommunen und Bildungseinrichtungen sollten bei gleicher Fachkompetenz verstärkt MigrantInnen mit interkultureller Kompetenz als BeraterInnen einstellen, um Hemmschwellen zu senken und über die Zweisprachigkeit einen leichteren Zugang zu den Zuwanderern zu finden. 5. Akteure vernetzen Projekte zur Arbeitsmarktintegration von MigrantInnen sollten stärker mit Migrantenselbstorganisationen kooperieren. Allein in NRW existieren beispielsweise 2.500 Migrantenorganisationen, in denen 60 Prozent aller MigrantInnen organisiert sind. Kammern, Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften (ARGE) und Bildungseinrichtungen sollten Kooperationen mit Migrantenorganisationen eingehen und Berührungsängste abbauen. Die Kooperation bringt Vorteile hinsichtlich des Zugangs zur Zielgruppe sowie möglicher Arbeitsplätze im Umfeld von MigrantInnen. Wenn Netzwerke installiert werden, sollte ein professionelles Netzwerkmanagement finanziert werden. 6. MigrantInnen übernehmen Vorbildfunktion Selbsthilfepotenziale von Migrantinnen und Migranten gilt es zu aktivieren, ehrenamtliches Engagement von MigrantInnen sollte mit professionell umgesetzten Orientierungs- und Qualifi-zierungsmaßnahmen verknüpft werden. MigrantInnen, insbesondere beruflich erfolgreiche MigrantInnen können Vorbildfunktion übernehmen, z.B. für Sprachkurse und formale Abschlüsse moti-vieren. Finanzielle Ressourcen sollten von den Mittelgebern für die professionelle Begleitung sichergestellt werden. So gelingt es, die Eingliederungsziele zu erreichen. 7. Positive Beispiele öffentlich kommunizieren Erfolgreiche Beispiele und Projekte, positive Beispiele ehrenamtlichen Engagements und gelungener beruflicher und sozialer Integration müssen bekannt gemacht und durch ihren Vorbildcharakter nachhaltig zu einer veränderten Praxis in den Institutionen und in der Gesellschaft beitragen. 8. Integrationsarbeit ist Querschnittsaufgabe in der Beschäftigungsförderung Die Beachtung und Berücksichtigung migrationsspezifischer Aspekte ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal sozialer und beschäftigungsfördernder Arbeit. Sie bewegt sich in dem Spagat zwischen Gleichmacherei und falschen Kulturalisierungen. Die Lösung liegt auf der Ebene der individuellen Fallarbeit in einem ganzheitlichen Ansatz und auf der strukturellen Ebene in der interkulturellen Öffnung von Institutionen. Erst die Beachtung dieser beiden Ebenen und die lebendige Verknüpfung von Personal- und Organisationsentwicklung gewähr-leistet, dass Migrantinnen und Migranten die erforderlichen beruflichen Chancen eröffnet werden.   …“    

Quelle: Die kompette Domkumentation ist abrufbar unter: http://www.equal-de.de/Equal/Redaktion/Medien/Anlagen/2005-06-03-dokumentation-fachtagung,property=pdf,rwb=true.pdf

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