Integrationsmodelle im Vergleich “ Frankreich – Die gescheiterte Assimilation ‚Die volle Eingliederung in die französische Gesellschaft‘: So lautet das Ziel der Ausländerpolitik in Frankreich. Grundlage für das ‚republikanische Integrationsmodell‘ ist die Ideologie, die auf das Prinzip der Gleichheit aller setzt: Bürgeridentität steht demnach im laizistischen Staat über der religiösen oder ethnischen Identität. Kritiker sprechen von einer ‚forcierten Assimilation‘, die zwangsläufig zu Spannungen führt: So hat etwa das Verbot des islamischen Kopftuchs in öffentlichen Schulen Teile der Moslem-Gemeinde erzürnt und für Polarisierung in der Gesellschaft gesorgt. Auch Versuche, einen ‚Islam à la française‘ – etwa durch Ausbildung moslemischer Prediger in Frankreich – zu schaffen, waren bisher erfolglos. Zudem verschleiere die ‚republikanische Ideologie‘ nur die Unterschiede, denn von ‚voller Eingliederung in die französische Gesellschaft‘ könne nicht die Rede sein. Tatsächlich ist die Armuts- und Arbeitslosenraten unter Einwanderern überdurchschnittlich hoch. Schweden – Sprachkurse auch für Asylbewerber Seit Schweden in den 1970er Jahren zum Einwanderungsland wurde, konzentriert sich die Ausländerpolitik auf die Integration von Migranten. Integration wird im skandinavischen Land nicht als Assimilation, wohl aber als ‚Anpassung‘ an den ’schwedischen Lebensstil‘ verstanden. So sind Sprachkurse für alle Einwanderer Pflicht. Sogar Asylbewerber und ihre Kinder werden aufgefordert, Schwedisch zu lernen. Ausländer haben zudem das Recht auf Sozialhilfe und eine Wohnung. Kritiker bemängeln dies allerdings als ‚falsch gelenkte Betreuung‘: In vielen Kommunen könnten Schweden ausländischer Abstammung _ manchmal über zehn Jahre in Schweden lebend _ für Hilfestellung nach wie vor das ‚Einwanderungsbüro‘ aufsuchen. Die Folge sei angelernte Hilflosigkeit und soziale Ausgrenzung, heißt es. Auch in Schweden gibt es inzwischen Spannungen in den ärmeren Vorstädten, in denen vor allem Ausländer leben. Niederlande – Toleranz mit neuen Grenzen Lange wurden die Niederlande wegen ihres offenen und toleranten Umgangs mit Ausländern als Vorbild gepriesen. Denn die Förderung und Emanzipation ethnischer und religiöser Gemeinschaften stand – und steht weiterhin – im Mittelpunkt der niederländischen Ausländerpolitik. So bilden ethnische Minderheiten mit Hilfe staatlicher Förderung Beratungsgremien, die von den Behörden zu jeder sie betreffenden Maßnahme angehört werden müssen. Zudem erlaubt der Staat konfessionelle Schulen (etwa Koranschulen). Doch nach dem Attentat an dem Islam-kritischen Filmemacher Theo Van Gogh hat sich der Wind gedreht. Radikalen Moslems kann der Pass entzogen werden, Moscheen dürfen geschlossen, Hassprediger ausgewiesen werden. Auch werden heute die Beratungsgremien der ethnischen Minderheiten nicht mehr so oft angehört wie früher – was auch als eine Konsequenz des Attentats gegen Van Gogh gesehen wird. Groß Britannien – Multikulturalismus mit Fragezeichen Als ‚Laissez-faire-Multikulturalismus‘ wurde lange der Umgang der britischen Regierung mit Ausländern beschrieben. Im Gegensatz zu Frankreich gilt im Vereinten Königreich die Devise, ‚durch offensichtliche Unterschiede Akzeptanz zu schaffen‘. So dürfen dort sowohl moslemische Schülerinnen als auch islamische Polizistinnen ein Kopftuch tragen. In Großbritannien gibt es zudem rund 100 islamische Schulen. Dieses Integrationsmodell wird schon länger in Frage gestellt, da es nach Ansicht von Kritikern die Ghettoisierung in Städten fördert. Doch vor allem nach den Anschlägen in London wurden Rufe nach weiter-gehenden Integrationsmaßnahmen lauter: Viele Briten machten die britische Ausländerpolitik für die Entstehung von gefährlichen Parallelgesellschaften verantwortlich. Seit dem Terror in London hat die Regierung die Kontrolle der Moscheen verschärft und Gesetze erlassen, die die Ausweisung radikaler Prediger ermöglichen.“
Quelle: http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=a&id=516410 (Die Presse) 03.11.2005