Lebensentwürfe, Rollenbilder, Einstellungen zur Gleichstellung
20-jährige Frauen und Männer heute: „Es gibt ein breites Spektrum an Einstellungen und Motiven, die sich teilweise diametral widersprechen und zeigen, dass die Perspektiven und Vorstellungen von ihrem Leben bei 20-Jährigen sehr unterschiedlich sind. Es gibt in Bezug auf Geschlechtsidentitäten und Rollenbilder nicht nur den vermuteten „Graben“ zwischen Männern und Frauen, sondern auch Unterschiede von Einstellungen und Visionen zur Gleichstellung zwischen Abiturienten einerseits, Realschülerinnen/Realschülern und Hauptschülerinnen/Hauptschülern andererseits. Schulbildung ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Die lebensweltliche Tiefenanalyse führt dabei zu der These, dass die Ursachen dafür in der Milieuprägung durch das Elternhaus und in der sich bei Jugendlichen allmählich festigenden Milieuidentität liegen. Eine besondere Bedeutung für Gleichstellungspolitik und Gleichstellungspraxis haben die beiden gesellschaftlichen Leitmilieus „Postmaterielle“ und „Moderne Performer“. Hier sind die Visionen der Gleichstellung fest verankert, selbstverständlicher Teil ihrer Vision vom guten Leben und von einer gerechten Gesellschaft – und bei den Frauen mit sehr viel Optimismus und Selbstverantwortung verknüpft. Sie sind erste Adressaten und Multiplikatoren für Gleichstellungspolitik von morgen. Aber auch bei ihnen muss man sehen, dass Gleichstellung für sie noch ein abstrakter Wert ist, denn selbst haben sie bisher kaum konkrete Ungleichbehandlung erfahren, haben Gleichstellung selbst noch nicht aushandeln und durchsetzen müssen. „Familie“ erfährt bei nahezu allen jungen Erwachsenen heute eine sehr hohe Wertschätzung. Gleichstellung wird in der Altersgruppe der 20-Jährigen als Thema der Frauen für Frauen begriffen: Gleichstellung bringt Verbesserungen für Frauen und zwar als Aufhebung früherer Benachteiligung (z. B. gleicher Lohn bei gleicher Arbeit gleiche Karrierechancen berufliche und private Selbstverwirklichung). „Mann“ und „Frau“ ahnen, dass dies Konsequenzen für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Geschlechter hat – aber konkrete Erfahrungen, auch von Hürden und Konflikten, haben sie noch nicht. Männer fühlen sich – im Unterschied zu den Frauen – massiv verunsichert und in der Defensive: Denn sie nehmen die Dynamik, die Power und das offensive Selbstbewusstsein allein auf Seiten der Frauen wahr – sie selbst sehen in diesem Prozess für sich (noch) keine aktive Rolle, haben auch (noch) keine positive Vision für ihre Rolle als Mann.