Ignoriert oder wahrgenommen. Wie steht es um die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für benachteiligte Jugendliche?

IGNORIERT ODER WAHRGENOMMEN Wie steht es um die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für benachteiligte Jugendliche? Ergebnisse und Erkenntnisse der Tagung ‚ … und raus bist Du‘: “ In einem Dossier berichtete kürzlich die Wochenzeitung „Die Zeit“ über die Situation armer Kinder und Jugendlicher in Hamburg . Dargestellt wurde, wie die reiche Hansestadt einen Teil ihrer Bevölkerung zurücklässt und in deren Quartieren praktisch von der gesellschaftlichen Entwicklung abkoppelt. In einigen darauf bezogenen Leserbriefen spiegelte sich wider, dass die Öffentlichkeit dabei ist, dieses Problem als übertrieben dargestellt und zudem von den Betroffenen selbst verschuldet zu verdrängen. „Ist der Politik und der Gesellschaft das Ausmaß und die Konsequenzen dieser Entwicklung bewusst? Interessieren sich Politiker angesichts fehlender Steuermittel und einer zunehmenden Ökonomisierung aller Bereiche überhaupt noch für die Situation Jugendlicher und deren soziale Belange?“, fragt entsprechend Tobias Strieder, stellvertretender Geschäftsführer des Caritasverbandes Leipzig. Fragen der Einflussnahme für Benachteiligte Jugendliche in Ostdeutschland, sind eines der aktuellen Schwerpunktthemen der Arbeitsgruppe „Neue Länder“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS), bei dem es um Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit der Einrichtungen geht. Dem beschriebenen Defizit zu begegnen ist nicht immer einfach. Strieder weiß um die schwer nachvollziehbare Logik mit der Medien Themen aufnehmen und verweist darauf, dass über benachteiligte Kinder und Jugendliche häufig mit Negativschlagzeilen berichtet würde, so zum Beispiel im Fall der Berliner Rütlischule. So finden scheinbar in der öffentlichen Wahrnehmung Leistungsmissbrauch und Sanktionen für abgelehnte Arbeitsangebote mehr öffentliches Interesse als die Frage, ob die Zielgruppe der unter 25jährigen tatsächlich unverzüglich in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit vermittelt wird, wie es das SGB II vorsieht. Für Journalist Christoph Strack, Mitarbeiter der Katholischen Nachrichtenagentur in Berlin, zeichnet sich hier ein Wandel ab. Er nimmt im bundesrepublikanischen Politikbetrieb eine „neue Nachdenklichkeit“ unter Politikern und Journalisten wahr, die angesichts der aktuellen Herausforderungen „zum Teil überraschende Bündnispartner“ für die Jugendsozialarbeit bringen könnte. Kompetente Kommentierung aktueller Themen oder deren personalisierte Darstellung wären für die Medien interessant. Stracks Orientierung für die Pressearbeit wird von Waldemar Palmowski um einen wichtigen Grundsatz für Lobbyarbeit ergänzt. Palmowski, der den Bereich Kinder- und Jugendarbeit des Berliner Vereins Nachbarschaftsheim Schöneberg leitet, weist darauf hin, dass eine klare Zielformulierung erforderlich wäre, wenn die Meinung eines Entscheidungsträgers beeinflusst werden soll. Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Tagung der BAG KJS zum Thema waren sich dazu einig. Der oder die benachteiligte Jugendliche muss im Vordergrund stehen, sein zu erreichender Schulabschluss und ihre Chance auf einen Ausbildungsplatz. Stattdessen sehen sich die Einrichtungen mit dem Vorwurf konfrontiert, es ginge um die Interessen des Trägers und seinen „Selbsterhaltungstrieb“. Problematisch ist tatsächlich, dass die finanzielle Misere der öffentlichen Hand die Jugendhilfeträger in einen Konkurrenzkampf getrieben hat, der ein gemeinsames Eintreten für die Zielgruppe sehr erschwert. Das immerwährende Ringen um die Finanzen bindet die knappen Ressourcen. Diese fehlen an anderer Stelle, so auch in der Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit, ein Teufelskreis. Aber, Lobbyarbeit funktioniere nicht mit einer Haltung des Klagens, Forderns und Jammerns, oder auf die Mitleidstour, mahnt Tobias Strieder. Zusammenarbeit heißt eine Möglichkeit für die im Osten Deutschlands dünn gesäte Katholische Jugendsozialarbeit. Diese könnte, wie ein Tagungsteilnehmer berichtet, mit Kindertagesstätten in christlicher Trägerschaft erfolgen. Weitere Partner können Einrichtungen der Erziehungshilfe, katholischen Schulen oder der Jugendpastoral sein. Schnittmengen bei der Zielgruppe gibt es allemal. Einige strukturelle Hürden sollten dazu überwunden und der ein oder andere Horizont über den eigenen Tellerrand erweitert werden. Um „an der richtigen Stelle zu landen“ müssen die Entscheidungsträger identifiziert werden. „Wer interessiert sich in der Politik wofür, mit welchen Themen ist wer, wann, wo und wie beschäftigt. Lobbyarbeit ist Kommunikation, Kontakt und kontinuierliche Beziehungsarbeit“, so Tobias Strieder. Dabei dürfe nicht vergessen werden, eine „Gegenleistung“ zum Beispiel in Form öffentlicher Wertschätzung zu erbringen, erinnert Waldemar Palmowski. Die Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmer wiesen auf eine weitere wichtige Zielgruppe hin. Menschen, die aufgrund ihrer zeitlichen oder finanziellen Situation die Arbeit direkt unterstützen können, müssen erreicht werden. Ein Thema über die Kirchenredaktionen der Radiosender in die Programme zu bringen, war eine Idee auf der Tagung. Jugendarbeiter Palmowski benennt die Palette der Möglichkeiten von Öffentlichkeitsarbeit: Persönliche Ansprache, Stadtteilzeitungen, Newsletter, Programmhefte etc.. Der Journalist Strack ergänzt, „wenn eine tolle Aktion stattfindet, nutzen Sie das.“. „Wir dürfen nicht erwarten, dass wir zum Dauerthema werden, dafür ist unsere Gesellschaft viel zu global, komplex und vielfältig“ sagt Caritasmann Strieder, ermuntert die Jugendsozialarbeit aber, „dass Ansätze gelingen, beweist gegenwärtig der Durchbruch in der Familienpolitik“. “ Clemens Bech, Fachreferent der BAG KJS

Quelle: BAG KJS

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