Einführung des zweijährigen Berufs ‚Maschinen- und Anlagenführer‘ – ein einfacher Beruf für schwierige Jugendliche?

EINFÜHRUNG DES ZWEIJÄHRIGEN BERUFS ‚MASCHINEN- UND ANLAGENFÜHRER‘ – ein einfacher Beruf für schwierige Jugendliche? Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung führte die Wissenschaftliche Begleitung der Einführung des zweijährigen Berufs ‚Maschinen- und Anlagenführer‘ in Bayern (2004-2007) durch. Im Rahmen eines von Kolping und dem Good Practice Center des BiBB veranstalteten ExpertInnengesprächs stellte das Institut erste Ergebnisse vor. Auszüge aus dem Vortrag: “ Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung fassen die Ergebnisse der Befragungen von insgesamt 51 Betrieben zusammen, die im Jahr 2004 eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer begonnen haben. In diesen Betrieben wurden 124 Maschinen- und Anlagenführer ausgebildet. Damit wurden 73% aller bayerischen Maschinen- und Anlagenführer aus diesem Jahr erfasst. Davon befanden sich 69 in der Haupt- und 55 Auszubildende in der Kontrollbefragung, die in anderen Branchen durchgeführt wurde. Der Ergebnisbericht wird in Kürze veröffentlicht. Die hier aufgeführten Ergebnisse wurden daraus entnommen. … * Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: Maschinen- und Anlagenführer • Bei der Maschinen- und Anlagenbedienung ist Ausbildung unverzichtbar, auch wenn sie nicht so in die Tiefe gehen muss wie die eines dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufs. Die zweijährige Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer ist punktgenau auf die entsprechenden Arbeitsplätze zugeschnitten und dürfte zu größerer Zufriedenheit am und mit dem Arbeitsplatz führen als eine anspruchsvollere Ausbildung. Der Verbleib dieser Mitarbeiter in der Fertigung ist wahrscheinlich, was im Interesse der Unternehmen liegt, da sich die Ausbildung für sie auszahlt. • Der zweijährige Ausbildungsberuf des Maschinen- und Anlagenführers schließt eine Lücke im Spektrum der Berufe. Er entspricht den aktuellen Anforderungen an die Qualifikationen dieser Mitarbeiter mehr und genauer als existente Berufsbilder. Dabei macht er die höher qualifizierten Facharbeiterberufe keineswegs überflüssig. Mehr als zwei Drittel der an der Untersuchung beteiligten Betriebe wollen besser ausgebildete Facharbeiter nicht ersetzen, sondern für anspruchsvollere Tätigkeiten einsetzen. Das neue Berufsbild ersetzt nicht Facharbeit durch angelernte Arbeit, sondern durch anders ausgebildete Facharbeit. Nach den bisherigen Ergebnissen der Evaluation wird der Maschinen- und Anlagenführer in erster Linie ungelernte Kräfte oder aber einen anderen kürzeren Ausbildungsberuf, den Teilezurichter, ersetzen. • Das Berufsbild ist passgenau für die Maschinen- und Anlagenführung im Metall- und Kunststoffbereich. Selbst wenn die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten – je nach den speziellen Anforderungen des Unternehmens – stark voneinander abweichen, ermöglicht das Berufsbild eine zielgerichtete Ausbildung. Das klingt paradox, belegt jedoch nur die Gestaltungsoffenheit des Berufsbildes: Aufbauend auf eine breite Metall-Grundausbildung im ersten Ausbildungsjahr richtet sich im Anschluss die Ausbildung am betriebsspezifischen Bedarf aus. Die Dauer der Einarbeitung am Arbeitsplatz kann erheblich differieren, weil die Anforderungen, technologisch bedingt, sehr unterschiedlich ausfallen. • Die Berufsfähigkeit der Maschinen- und Anlagenführer ist im Prinzip gegeben. Die Breite der – alle betrieblichen Besonderheiten übergreifenden – Metall-Grundausbildung ermöglicht anschließend die Spezialisierung in völlig unterschiedlichen Sparten bzw. Einsatzfeldern. Sogar hoch spezialisierte Nischenbetriebe, die nur schwer geeignete Mitarbeiter finden, können dadurch für ihr besonderes Anforderungsprofil ausbilden. So stehen Mitarbeiter zur Verfügung, die einerseits dem Bedarf des Unternehmens entsprechen, die sich andererseits aber auch veränderten Anforderungen im Betrieb anpassen oder in anderen Unternehmen gut einarbeiten können. Ein Grund für die positiven Erfahrungen der Ausbildungsleiter mit dem Ausbildungsverlauf ist die Tatsache, dass nur zwei der 68 (3%) in die Untersuchung einbezogenen Auszubildenden die Ausbildung unter- oder abgebrochen haben. In anderen Ausbildungsgängen liegt die Quote der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge deutlich höher. • Die Ausbildung ist durchlässig. Die Ausbildung kann – bei entsprechender Eignung und Neigung des Jugendlichen – im Anschluss an die zweijährige Ausbildung in einem dreieinhalbjährigen Beruf fortgesetzt werden. Allerdings gestaltet sich der Übergang im Detail derzeit noch etwas schwierig (Nicht-Anerkennung der Abschlussprüfung als vorgezogene Abschlussprüfung der dreieinhalbjährigen Berufe). Es liegt im Moment noch bei den Betrieben, ihre Auszubildenden für den Fall, die Ausbildung fortzusetzen, ausreichend vorzubereiten oder die Ausbildung ausreichend früh umzuschreiben. • Lernschwächere Auszubildende brauchen zusätzliche Unterstützung. Ausgangspunkt der bildungspolitischen Diskussion um die Einführung des zweijährigen Berufs des Maschinen- und Anlagenführers war nicht vorrangig der betriebliche Bedarf an speziell ausgebildeten Maschinen- und Anlagenführern. Zunächst ging es darum, Jugendlichen mit schlechteren Startchancen einen theoriereduzierten Beruf anzubieten und auf diesem Weg zusätzliche Ausbildungsplätze für Hauptschulabgänger zu schaffen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass dieses Ziel nur mit Einschränkungen zu realisieren ist: Für lernschwächere Auszubildende sind die Anforderungen in der theoretischen Ausbildung häufig zu hoch. Es treten Schwierigkeiten auch in der praktischen Ausbildung auf, vor allem was das Maschinenverständnis, die Prozesskompetenz, die Fehleranalyse und das Erfassen von Zusammenhängen angeht. Die zweijährige Berufsausbildung vermittelt zwar weniger theoretische Kenntnisse als eine dreieinhalbjährige. Trotzdem ist sie nicht wirklich als theoriearm zu charakterisieren. • Leistungsschwächere Jugendliche mit Hauptschulabschluss können die zweijährige Ausbildung unter zwei Bedingungen bewältigen: Wenn die Anforderungen im Betrieb nicht zu hoch sind und wenn der Betrieb bereit ist, die Auszubildenden intensiv zu unterstützen. Betriebe müssen also bereit sein, zusätzliche Kosten und Ausbildungskapazität zu akzeptieren Ausbilder müssen bereit sein, zusätzlichen Einsatz, Engagement und Geduld aufzubringen. Betriebsexterne Stützmöglichkeiten (z. B. durch ausbildungsbegleitende Hilfen (abH), durch die Berufsschulen oder externes Ausbildungsmanagement) könnten eine Hilfe bieten. * Einstellung der Betriebe zu einem zweijährigen Beruf im Elektrobereich Die Betriebe der bayerischen Metall- und Elektroindustrie begrüßen das Vorhaben zur Schaffung eines zweijährigen Ausbildungsberufs im Elektrobereich. … Der neu zu schaffende zweijährige Beruf soll ein breites Basiswissen vermitteln und auch für schwächere Hauptschüler eine Chance sein, ins Berufsleben einzusteigen. Denn für viele lernschwache Schüler sind die dreieinhalbjährigen Berufe häufig zu komplex. Viele Jugendliche würden sich aufgrund der gestiegenen Komplexität schon nicht mehr für diese Ausbildungen bewerben. Insofern wäre ein zweijähriger Beruf genau die richtige Lösung, zumal auch in den Betrieben ein entsprechendes Tätigkeitsfeld anzutreffen ist. Diese Tätigkeiten sind für An- und Ungelernte zu komplex, für ausgelernte Facharbeiter jedoch auf Dauer zu einfach und führen zu Unzufriedenheit und Abwanderung. … “ Die Schaffung zweijähriger Ausbildungsberufe für „schwierige Jugendliche“ ist nicht unumstritten. Auszüge aus der Diskussion: *„Beim Maschinen- und Anlagenführer handelt es sich um eine Schmalspurausbildung mit niedriger Qualität. Sie hat deshalb keine berufliche Perspektive („Sackgassenberuf“). Qualifizierte Facharbeit wird so nicht aus-, sondern abgebaut. Die Gefahr des Facharbeitermangels verstärkt sich.“ Maschinen- und Anlagenführer müssen hoch entwickelte Geräte bedienen, warten, programmieren und überprüfen, Störungen erkennen und beheben … Solche Ansprüche können gering- oder unqualifizierte Mitarbeiter nicht erfüllen. … Sie … als „Schmalspurausbildung“ abzuqualifizieren, verkennt gerade ihre neue Qualität: Der Maschinen- und Anlagenführer ist ein Berufsbild für einen speziellen Bedarf an qualifizierter Facharbeit, der von keinem der bisherigen Berufe abgedeckt wird. … * „Verkürzte Ausbildung beschränkt die Ausbildung auf die Vermittlung von Basisqualifikationen und erschwert die Entwicklung übergreifender Fähigkeiten bzw. von Schlüsselqualifikationen.“ Der Ausbildungsordnung zum Maschinen- und Anlagenführer ist zu entnehmen, dass die Ausbildungsrahmenpläne von zweijährigen Ausbildungsberufen die Vermittlung von Basis- und Schlüsselqualifikationen umfassen die Grundausbildung entspricht der der dreieinhalbjährigen Berufe und vermittelt in wesentlichen Zügen die gleichen übergreifenden Fähigkeiten. Auch der praktische Verlauf der Ausbildung in den Betrieben zeigt, dass diese wesentlichen Elemente einer Berufsausbildung nicht der kürzeren Ausbildungsdauer zum Opfer fallen. … * „Absolventen zweijähriger Berufe unterliegen einem höheren Arbeitsplatzrisiko als Absolventen dreijähriger bzw. dreieinhalbjähriger Berufe, da sie über eine niedrigere Qualifikation verfügen.“ Dieses Urteil trifft nicht auf alle Berufsbilder mit niedriger formaler Qualifikation zu, sondern nur auf solche, deren inhaltliche Ausrichtung dem betrieblichen Bedarf nicht mehr (oder zunehmend weniger) entspricht, wie z. B. der Teilezurichter. Die Nachfrage nach Arbeit hängt nicht allein von der Länge einer qualifizierten Ausbildung ab, sondern davon, ob die Qualifikation auf einen entsprechenden Bedarf trifft. Einem erhöhten Arbeitsplatzrisiko unterliegen vor allem Berufe, deren Tätigkeiten von ungelernten Kräften übernommen werden können und Mitarbeiter ohne Qualifikation. … * „Jugendliche mit schlechteren Startchancen bzw. Benachteiligte erhalten durch kürzere und einfachere Berufe keine größere Chance auf einen Ausbildungsplatz, da weiterhin die besseren Bewerber ausgewählt werden.“ Solange die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt angespannt bleibt – was bedeutet, dass den Bewerbern keine ausreichende Anzahl an Ausbildungsplätzen gegenüber steht –, trifft diese Einschätzung vielfach zu. Das belegen die Ausbildungszahlen in den einzelnen Bundesländern. In Regionen, in denen Ausbildungsplätze besonders knapp sind wie in Nordrhein-Westfalen, sind Maschinen- und Anlagenführer-Auszubildende mit einem durchschnittlich höheren Schulabschluss zu finden als in Bayern. Hier ist es so, dass der zweijährige Beruf größtenteils die Zielgruppe erreicht, die bildungspolitisch erreicht werden soll: zu 87% Hauptschüler. … Trotz der Möglichkeit, die besten Bewerber auszuwählen, entscheiden sich … nicht alle untersuchten Betriebe für diese Möglichkeit. Einige wählen gezielt z. B. Hauptschüler ohne qualifizierenden Hauptschulabschluss aus, um auch dieser Gruppe die Möglichkeit zu einer Berufsausbildung zu geben. Auch rechnen viele Ausbildungsleiter bei besseren Hauptschulabgängern oder Realschülern mit einer höheren Unzufriedenheit an den Arbeitsplätzen für Maschinen- und Anlagenführer. Entsprechend negative Erfahrungen haben sie in vielen Fällen gemacht, wenn sie für diese Tätigkeiten Berufsabsolventen der dreieinhalbjährigen Berufe einsetzten. “ Weitere Informationen erhalten Sie unter angegebenem Link.

http://www.f-bb.de

Quelle: Sabine Gruber f-bb

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