15. Shell Jugendstudie: Jugend 2006 – Eine pragmatische Generation unter Druck

15. SHELL JUGENDSTUDIE: Jugend 2006 – Eine pragmatische Generation unter Druck Mädchen sind auf der Überholspur Bildung als Schlüsselfrage Wunsch nach Gerechtigkeit zwischen den Generationen Stabile Wertorientierungen Nüchternere Sichtweise auf Europa Zu diesen Erkenntnissen kommt die 15. Shell Jugendstudie, die am 21. September 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die 15. Shell-Jugendstudie zeichnet ein aktuelles Porträt der jungen Generation in Deutschland. Befragt wurden diesmal rund 2.530 junge Menschen im Alter von 12-25 Jahren. Themen waren unter anderem die Einstellung der Jugendlichen zu Werten, die Zufriedenheit mit der Demokratie, Erwartungen an die Zukunft und der Blick der Jugend auf das Generationenverhältnis. Erstmals sollten sich die Jugendlichen auch zu Glauben und Religiosität äußern. In fünf Jahrzehnten hat sich die Shell-Erhebung als unabhängige und differenzierte Untersuchung über die Jugend in Deutschland einen Namen erworben. Die Shell-Jugendstudie 2006 wurde gemeinsam von den Bielefelder Sozialwissenschaftlern Professor Dr. Klaus Hurrelmann und Professor Dr. Mathias Albert sowie einem Expertenteam des Münchner Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung unter Leitung von Ulrich Schneekloth verfasst. Der noch 2002 festgestellte große persönliche Optimismus hat inzwischen einer etwas gemischteren Sichtweise Platz gemacht – die in der Shell Jugendstudie 2002 identifizierte pragmatische Generation ist unter Druck geraten. Von Resignation und Ausstieg in vermeintliche jugendliche Ersatzwelten kann aber nach wie vor keine Rede sein. „Aufstieg statt Ausstieg“ bleibt die Devise der Jugendlichen. Sie suchen individuelle Wege und schaffen Strukturen, in denen sie weiterkommen können. Auszüge aus den Hauptergebnissen der Studie: “ SCHLÜSSELFRAGE BILDUNG … In Deutschland hat, wie auch die international vergleichenden PISA-Studien belegen, die Zugehörigkeit zur Familie mit ihrer jeweils spezifischen sozialen Lagerung einen besonders starken Effekt auf die Bildungs- und damit vermittelt die Berufslaufbahn. Die Shell Jugendstudie bestätigt diesen Befund: Jugendliche aus den sozial privilegierten Elternhäusern besuchen aussichtsreichere Schulformen und durchlaufen in der Regel hochwertige berufliche Ausbildungen einschließlich Hochschulgängen. Jugendliche aus der Unterschicht hingegen finden sich häufiger an Hauptschulen und Sonderschulen. Dabei erzielen sie auch im anschließenden beruflichen Ausbildungsweg nicht die Resultate, die ihrem möglichen Potenzial entsprechen. Jugendliche haben daher auf dem Weg ins Erwachsenenleben nicht nur Chancen, sondern sind auch mit dem Risiko konfrontiert, eventuell zu scheitern. So können Jugendliche, die die Schule ohne oder nur mit einem niedrigen Bildungsabschluss verlassen haben, keinesfalls damit rechnen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, geschweige denn einen Ausbildungsplatz ihrer Wahl. Dies kann entweder den Eintritt ins Erwerbsleben verzögern oder aber eine berufliche Laufbahn in gering qualifizierten Bereichen vorzeichnen. Auch Jugendliche mit einem Ausbildungsplatz können sich darauf nicht ausruhen, sondern stehen vor der Frage, ob sie von ihrem ausbildenden Betrieb übernommen werden oder nicht. 35 % der Auszubildenden sind sich an dieser Stelle nicht sicher, ob dies der Fall sein wird. Erst wenn dieser Schritt zu einer Festanstellung in einem qualifizierten Beruf gelingt, haben Jugendliche eine der wesentlichen Hürden auf dem erfolgreichen Weg ins Erwachsenenleben bewältigt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der geschlechtsspezifische Trend: Die jungen Frauen haben im Bereich der Schulbildung inzwischen die jungen Männer überholt und streben auch zukünftig häufiger höherwertige Bildungsabschlüsse an. Die »Bildungswelten« und die damit verbundenen persönlichen Chancen driften demnach weiter auseinander. Insgesamt sind sich die Jugendlichen der Verknüpfung zwischen ihrer persönlichen Bildung und den resultierenden Chancen sehr bewusst. So blicken Jugendliche an den Hauptschulen mit deutlich geringerem persönlichen Optimismus in die eigene Zukunft (38 % sind eher zuversichtlich) als ihre Altersgenossinnen und Altersgenossen an den Gymnasien (57 % sind eher zuversichtlich). … BEZUG AUF POLITIK … Alles in allem stellt Politik für die Mehrheit der Jugendlichen heute keinen eindeutigen Bezugspunkt mehr dar, an dem man sich orientiert, persönliche Identität gewinnt oder sich auch selber darstellen kann. »Politisch sein« ist heute nicht unmittelbar »in«. Dies sollte jedoch nicht damit gleichgesetzt werden, dass die Jugendlichen keine eigenen Interessen hätten, für deren Verwirklichung sie sich dann ggf. auch einsetzen. … GEMISCHTE ZUKUNFTSSICHTEN … Welche Zukunftsperspektiven Jugendliche entwickeln, ist eng mit ihren Sozialisationserfahrungen und aktuellen Lebensumständen in Familie, Schule und Freizeit verbunden. Vielfältige Faktoren wie die politische und wirtschaftliche Situation, Bildungserfolge oder -misserfolge und das soziale Umfeld beeinflussen die Zukunftsperspektiven Jugendlicher. Die Shell Jugendstudie 2006 zeigt, dass Jugendliche deutlich stärker besorgt sind, ihren Arbeitsplatz verlieren bzw. keine adäquate Beschäftigung finden zu können. Waren es in 2002 noch 55 %, die hier besorgt waren, sind es 2006 bereits 69 %. Auch die Angst vor der schlechten wirtschaftlichen Lage und vor steigender Armut nahm in den letzten vier Jahren von 62 % auf 66 % zu. Angesichts dieser besorgten Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland erklärt sich, warum sowohl der Optimismus in Bezug auf die persönliche Zukunft als auch in Bezug auf die gesellschaftliche Zukunft inzwischen abgenommen hat. Nach wie vor überwiegt mit 50 % bei der Mehrheit der Jugendlichen eine eher zuversichtliche Vorstellung von der eigenen Zukunft. 42 % sehen ihre persönliche Zukunft eher gemischt – mal so, mal so und nicht mehr als 8 % eher düster. … EUROPA UND DIE GLOBALISIERUNG … Nach wie vor verbinden Jugendliche mit Europa vorrangig positive Elemente. Neben der Freizügigkeit, also der Möglichkeit, europaweit reisen, studieren oder auch arbeiten zu können, sowie der damit verbundenen kulturellen Vielfalt wird ein vereintes Europa ebenfalls als Garant für Frieden und für mehr Mitsprachemöglichkeiten in der Welt betrachtet. Kritisiert wird hingegen vor allem die Bürokratie und Geldverschwendung. Im Vergleich zur letzten Shell Jugendstudie ist die damalige »Europa-Euphorie« inzwischen allerdings einer etwas realistischeren Betrachtungsweise gewichen. … Differenziert und im Vergleich zur letzten Shell Jugendstudie auch mit einem besorgteren Unterton beurteilen die Jugendlichen den Prozess der Globalisierung. Hierbei fällt zuerst einmal auf, dass immerhin 24 % angeben, von Globalisierung noch nichts gehört zu haben und demnach mit dem Begriff auch nichts anfangen zu können. Insbesondere bei den Jüngeren sind offenbar noch große Wissensdefizite vorhanden, die darauf hindeuten, dass die mit diesem Prozess verbundenen Probleme und Perspektiven noch wenig reflektiert sind. Dieser Befund ist auch deshalb so bedeutsam, weil die Globalisierung die jugendlichen Lebenswelten natürlich schon längst, etwa in Gestalt der Migration oder anhand der Berichterstattung in den Medien, erreicht hat. Im Unterschied zu Europa betonen die Jugendlichen, abgesehen von den auch hier benannten Vorteilen einer damit verbundenen größeren Freizügigkeit und kulturellen Vielfalt, stärker die möglichen problematischen Konsequenzen der Globalisierung, vor allem in Gestalt von Arbeitslosigkeit oder auch Kriminalität. Für eine etwas knappere Mehrheit steht Globalisierung für Frieden. … PLURALITÄT DER WERTEHALTUNGEN … Die Unterschiede der Geschlechter zeigen bereits, dass Jugend 2006 wie 2002 nicht einfach »die Jugend« ist. Jugendliche vertreten nicht nur in Abhängigkeit vom Geschlecht, sondern auch von der sozialen Situation und anderen Merkmalen her unterschiedliche Lebensauffassungen. … Idealisten, die besonders unter Mädchen und jungen Frauen verbreitet sind, haben sich die höheren Werte, das Gute, Wahre, Schöne auf die Fahnen geschrieben und engagieren sich dafür. Materialisten, die vermehrt unter männlichen Jugendlichen vorkommen, denken zuerst an das eigene Wohlergehen bzw. den eigenen Vorteil. Übergreifende Wertaspekte empfinden Materialisten dabei als eher hinderlich. Häufiger in ungünstigeren sozialen Lagen aufgewachsen oder dort hineingeraten, versuchen sie das Beste für sich herauszuholen, und zwar bevorzugt im materiellen Sinne. Idealisten profitieren dagegen oft von einer günstigen sozialen Herkunft bzw. sind durch höhere Bildung für höhere Werte aufgeschlossen. … Ein anderer Wertekontrast wird im Gegensatzpaar von Machern und Unauffälligen erkennbar … Es geht hier um den Gegensatz von Tatkraft und Lebensfreude auf der einen Seite und Zögerlichkeit und Passivität auf der anderen. … Macher haben zu Werten ein positives Verhältnis, die eine aktive und vielseitige Lebensgestaltung motivieren … Sowohl Werte der sozialen Nahbeziehungen, der individuellen Entwicklung, übergreifende Wertaspekte sowie Sekundärtugenden sind bei ihnen überdurchschnittlich ausgeprägt. Macher weisen aber, wie Materialisten, auch erhöhte hedonistische und materielle Werte auf. Diese Wertegruppe steht bei ihnen aber nicht wie bei Materialisten für Egozentrismus. Sie wird durch besonders hoch ausgeprägte Sekundärtugenden kontrolliert und durch idealistische Orientierungen sozusagen »veredelt«. Der ausgeprägte Antrieb von Machern zu zielgerichteter praktischer Aktivität fehlt ihrer Kontrastgruppe, den Unauffälligen. Diese haben bei allen Wertegruppen unterdurchschnittliche Ausprägungen. Ihnen fehlen daher die entsprechenden Handlungsimpulse, entweder weil sie in der Erziehung zu wenig angeregt wurden oder weil sie sich in einer ungünstigen Lebenssituation befinden. Die vier Wertetypen sind als sehr vereinfachte Charakterschemen zu verstehen, die in der Wirklichkeit nur in vielfältiger individueller Brechung und Variation vorkommen. Kein Jugendlicher ist unveränderlich einem dieser Typen zugeteilt, sondern es sind jederzeit Wechsel möglich. Persönliche Veranlagungen setzen sich erst im Zusammenhang mit der jeweiligen Biografie und Lebenssituation von Jugendlichen in eine solche Charaktertypik um. … GROSSE RELIGIÖSE UNTERSCHIEDE … Wie das Beispiel der ostdeutschen Jugendlichen und der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zeigt, gibt es jedoch innerhalb der Jugend auch große religiöse Unterschiede. Während sich Jugendliche in den neuen Ländern weitgehend von Religion und Kirche, aber auch vom Aberglauben verabschiedet haben, pflegen die meisten westdeutschen Jugendlichen eine Art »Religion light«. Sie sind fast immer konfessionell gebunden und haben eine zwar grundsätzlich positive, aber wenig intensive Beziehung zur Kirche. Die westdeutschen Jugendlichen, bei denen ein Bedürfnis nach Religiosität vorhanden ist, basteln sich oft eine »Collage-« oder »Patchwork«-Religion zusammen, wofür verschiedenste religiöse oder pseudo-religiöse Versatzstücke verwendet werden. Schicksal und Vorbestimmung, Astrologie, Hellseherei und Geister sind Teil dieser oft durcheinander gewürfelten westdeutschen Glaubenswelt. Religiöse und pseudo-religiöse Glaubensformen, in der weiblichen Jugend ausgeprägter als in der männlichen, spielen allerdings für die praktische Lebensgestaltung meist nur eine mäßige Rolle. Ganz anders sieht es in der Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus. In dieser Gruppe, die zumeist in den alten Bundesländern lebt, hat diejenige »echte« Religiosität, die bei deutschen Jugendlichen inzwischen eher rar geworden ist, noch einen starken Rückhalt. 52 % der ausländischen Jugendlichen glauben an einen persönlichen Gott sowie 44 % der nicht in Deutschland geborenen Deutschen, aber nur 28 % der deutschen Jugendlichen. Besonders häufig an einen persönlichen Gott glauben islamische und christlichorthodoxe Jugendliche, vermehrt aber auch christliche Migranten, die den beiden großen einheimischen Kirchen angehören. Diese ausgeprägte »echte« Religiosität der Migranten schließt aber (ebenso wie bei westdeutschen Jugendlichen) auch einen weit verbreiteten Aberglauben nicht aus (Schicksal, Sterne, Geister usw.). Die meisten ostdeutschen Jugendlichen stehen dagegen sowohl dem religiösen Glauben als auch dem Aberglauben fern. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass die besondere Bedeutung der Religion unter Migranten auch damit zu tun hat, dass Religiosität in dieser Gruppe eine Kultur tragende und integrierende Funktion hat. … “ Die 15. Shell Jugendstudie ist im Fischer Taschenbuch Verlag unter dem Titel „Jugend 2006 – Eine pragmatische Generation unter Druck“ erschienen und ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-596-17213-6, EUR 14,95). Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie im Anhang.

http://www.shell-jugendstudie.de
http://www.bmfsfj.de

Quelle: Presseinformation von Shell in Deutschland

Dokumente: zusammenfassung_jugendstudie2006.pdf

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