TRENDSTUDIE: BERUFLICHE PERSPEKTIVEN FÜR JUNGEN UND JUNGE MÄNNER MIT GERINGER UND MITTLERER QUALIFIKATION Auszüge aus einer Studie des Institutes des deutschen Wirtschaft im Auftrag des Projektes ‚Neue Wege für Jungs‘: “ 1 EINLEITUNG Arbeitslosigkeit ist der größte Risikofaktor für Armut in Deutschland. Besonders alarmierend ist die Quote der Langzeitarbeitslosigkeit, die EU-weit zu den höchsten gehört. Während diese Quote im EU-Durchschnitt von 1992 bis 2004 stabil geblieben ist, hat sie sich in Deutschland versiebenfacht. In Deutschland besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen Bildungsarmut (definiert als fehlender Sekundarstufe-2-Abschluss) und Arbeitslosigkeit. Ein hoher Bildungsstand ist die Voraussetzung für günstige Arbeitsmarktchancen des einzelnen Menschen und beeinflusst damit erheblich seine individuellen Einkommensaussichten. Im Umkehrschluss birgt ein geringer Bildungsstand ein hohes Arbeitslosigkeitsrisiko und reduziert die Chance auf ein hohes Einkommen. Dass Bildungspotenziale hierzulande nicht ausgeschöpft werden, lässt sich daran erkennen, dass der individuelle Bildungserfolg nicht nur von den eigenen, angeborenen Fähigkeiten und Begabungen abhängt, sondern in erheblichem Umfang von der sozioökonomischen Herkunft. Bildungsarmut kann reduziert werden, wenn die betroffenen Personen durch eine bessere Förderung als bisher ein höheres Qualifikationsniveau erreichen. Dazu müssen die bildungspolitischen Reformmaßnahmen an den Ursachen für Bildungsarmut ansetzen und den engen Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Herkunft und Bildungserfolg aufbrechen. … Besonders stark von Arbeitslosigkeit sind derzeit Männer betroffen, da gerade in männertypischen Berufen Beschäftigung verloren gegangen ist. So sind vier von fünf sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im deutschen produktionsorientierten Gewerbe Männer. In diesem Bereich der Volkswirtschaft verloren vor allem un- und angelernte Arbeiter in der Vergangenheit an Beschäftigungsperspektiven. Lediglich Hochqualifizierte in der Produktion besitzen einen verhältnismäßig sicheren Arbeitsplatz, die Beschäftigung nimmt seit Jahren für diese Gruppe zu. Im Unterschied zur Entwicklung bei den Frauen konnten Männer in den letzten Jahren keine Verbesserung ihrer durchschnittlichen Qualifikation erreichen. Der Anteil junger Männer ohne Schulabschluss bleibt hoch, … Da der Bereich der produktionsorientierten Berufe in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit einen – in Teilen sehr deutlichen – Beschäftigungsrückgang verzeichnet, wird erwartet, dass sich viele Männer künftig umorientieren und in den Dienstleistungssektor wechseln werden. In Deutschland ist das Beschäftigungsniveau im einfachen und personenbezogenen Dienstleistungssektor im internationalen Vergleich gering, … so dass hier neue Arbeitsplätze entstehen könnten. In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, in welchen Berufsgruppen auch gering qualifizierte Männer in den letzten Jahren ihre Beschäftigung halten beziehungsweise ausbauen konnten. Als gering qualifiziert werden dabei Personen definiert, die über kein Abitur und keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Auf Basis dieser Ergebnisse soll gezeigt werden, in welchen Berufen am aktuellen Rand Männer mit geringen Qualifikationen Beschäftigungschancen aufrechterhalten konnten. Als zweite Frage wird analysiert, in welchen frauentypischen Berufsordnungen Beschäftigungsperspektiven für gering und mittelqualifizierte Männer bestehen. … Die Studie baut auf der Logik des Arbeitsmarktradars auf. Die Machbarkeit eines Arbeitsmarktradars wurde im Jahr 2004 vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Rahmen einer Studie für das BMBF evaluiert. Zurzeit wird die Umsetzung eines Arbeitsmarktradars vom IAB durchgeführt. … … 3 DIE BESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG FÜR GERINGQUALIFIZIERTE 3.1 Die Beschäftigungsentwicklung nach Berufsbereichen Zunächst werden die drei Berufsbereiche analysiert, um die verschiedenen Entwicklungen im produktionsorientierten Bereich, im primären und im sekundären Dienstleistungsbereich aufzuzeigen. … Der produktionsorientierte Bereich verzeichnete somit von 1999 bis 2004 prozentual und absolut die stärksten Beschäftigungsrückgänge. 80 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich sind Männer, die somit besonders stark von Beschäftigungsverlusten betroffen sind. Der Index der Beschäftigung im primären Dienstleistungsbereich entwickelte sich in der jüngeren Vergangenheit hingegen seitwärts. Nachdem sich die Beschäftigung nach der Jahrtausendwende für Männer und Frauen positiv entwickelt hatte, ging sie seit 2002 für Männer auf das Ausgangsniveau – für Frauen etwas stärker – zurück. Der sekundäre Dienstleistungsbereich zeigt starke Unterschiede in der Beschäftigungsentwicklung für Männer und Frauen. Während der Anteil der Frauen in diesem Bereich von 53 Prozent auf 55 Prozent anstieg und die Beschäftigung der Frauen um etwa 7 Prozent zunahm, verloren die Männer leicht an Beschäftigung. Dieses Bild zeigt sich auch bei der Entwicklung der Arbeitslosenquote. In produktionsorientierten Berufsbereichen stieg die Arbeitslosenquote bei den Männern um über 25 Prozent (nicht Prozentpunkte), bei den primären Dienstleistungen um etwa 23 Prozent. Bei den Frauen gab es hingegen nur geringe Veränderungen der Arbeitslosenquote. … In der deutschen Dienstleistungsbranche schlummert noch Beschäftigungspotenzial. Während zum Beispiel in Großbritannien 2003 drei Viertel der Beschäftigten im Dienstleistungssektor arbeiteten, waren es in Deutschland erst zwei Drittel. Lediglich in fünf Ländern der EU-25 (Slowenien, Österreich, Tschechien, Portugal, Slowakei) ist die Beschäftigtenquote im Industriesektor noch höher als in Deutschland (European Commission 2004). … dass es keinen Berufsbereich gibt, dessen Beschäftigungs- und Arbeitslosenzahlen sich von 1999 bis 2004 günstig entwickelt haben. Obwohl die produktionsorientierten Berufe besonders stark vom Beschäftigungsabbau betroffen sind, geht in diesem Bereich bei den Frauen die Arbeitslosigkeit zurück. Frauen, die ehemals in der Produktion gearbeitet haben, können offenbar leichter in die Dienstleistungsbranche wechseln als Männer. … Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Mittelqualifizierte und Niedrigqualifizierte sind in allen drei Bereichen in den letzten fünf Jahren rückläufig. Lediglich die Gruppe der Hochqualifizierten ist durchweg gefragter als 1999. Insbesondere im produktionsorientierten, aber auch im primären Dienstleistungsbereich, wo die Beschäftigung ohnehin rückläufig ist, sind die Gering- und Mittelqualifizierten stark vom Beschäftigungsabbau betroffen. In Deutschland haben es Geringqualifizierte auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer. Der Faktor Arbeit ist hierzulande vergleichsweise teuer und der implizite Mindestlohn hoch. Weil die Lohnschere sich nicht weiter öffnet, sinkt folglich die Anzahl der gering und mittelqualifizierten Beschäftigten hierzulande deutlich. 1999 gab es noch 530.000 gering qualifizierte und 735.000 mittelqualifizierte Beschäftigte mehr als heute. Diesem Abbau von 1,265 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steht ein Zuwachs von 275.000 Stellen für Hochqualifizierte gegenüber. … 3.2 Die Beschäftigungsentwicklung nach Berufsfeldern Nachdem die Untersuchung der Berufsbereiche einen ersten Blick für die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt vermittelt hat, werden die von der Bundesagentur definierten Berufsfelder untersucht. … Besonders auffällig ist, dass nur vier von zwanzig Berufsfeldern einen Beschäftigungszuwachs verzeichnen. Drei dieser vier Berufsfelder weisen einen Frauenanteil von über 65 Prozent auf und können somit als „frauentypisch“ bezeichnet werden: • Verwaltungs- und Büroberufe, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Berufe, • Sozial- und Erziehungsberufe, Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie • Gesundheitsdienstberufe. Darüber hinaus wächst die Beschäftigtenzahl im Bereich der Ordnungs- und Sicherheitsberufe, der Frauenanteil ist in diesem Berufsfeld jedoch gering. Wird die Beschäftigungsentwicklung mit dem Anteil der Geringqualifizierten 1999 verglichen, so wird deutlich, dass die Beschäftigung in Berufsfeldern mit hohem Geringqualifiziertenanteil (GQA) zurückgeht. In drei Berufsfeldern mit positiver Beschäftigungsentwicklung ist lediglich jeder sechzehnte bis zwanzigste Beschäftigte ungelernt. Nur im Bereich der Ordnungs- und Sicherheitsberufe ist jeder Siebte gering qualifiziert. … Allerdings gibt es Berufe, in denen der Männeranteil angestiegen ist und die Beschäftigung nur leicht abnahm. Zu nennen sind hier die • Ernährungsberufe, • die Friseurinnen/Friseure, Gästebetreuerinnen/-betreuer, Hauswirtschafterinnen/ Hauswirtschafter und Reinigerinnen/Reiniger sowie • die Chemiearbeiterinnen/-arbeiter, Kunststoffverarbeiterinnen/-verarbeiter. Am dramatischsten entwickelten sich die Beschäftigtenzahlen in den Bergbauberufen sowie in den Textil-, Leder- und Bekleidungsberufen. Die Anzahl der Männer nahm in jedem Berufsfeld zu, in dem sich die Beschäftigung positiv entwickelte. Insbesondere die Gesundheitsdienstberufe verzeichnen einen starken Beschäftigungszuwachs (+8,2 Prozent) und einen hohen Anstieg der Beschäftigtenzahlen an Männern (+8,9 Prozent). Das Berufsfeld der Friseurinnen/Friseure, Gästebetreuerinnen/-betreuer, Hauswirtschafterinnen/Hauswirtschafter und Reinigerinnen/Reiniger verzeichnet einen leichten Beschäftigungsrückgang (–1,7 Prozent), die Anzahl der Männer ist hingegen gestiegen (+1 Prozent). Die Anzahl der Männer im Bereich der Verwaltungs- und Büroberufe, wirtschafts-/sozialwissenschaftlichen Berufe hat sich in den letzten Jahren um etwa 5 Prozent erhöht, während die Zahl der Frauen um 1,5 Prozent abnahm. Außerdem wurden im Bereich der Ordnungs- und Sicherheitsberufe mehr Frauen als Männer eingestellt, obwohl hier von einem „männertypischen“ Berufsfeld gesprochen werden kann. … 3.3 Die Beschäftigungsentwicklung nach Berufsgruppen ausgewählter Berufsfelder … Betrachtet man die Beschäftigungsentwicklung von ausgewählten Berufsgruppen, so zeigt sich, dass in den 25 betrachteten Berufsgruppen in den letzten fünf Jahren starke Unterschiede auftraten. … Die Berufsgruppen mit einem hohen Beschäftigtenanteil von Geringqualifizierten zu Beginn des Beobachtungszeitraums haben teilweise stark an Beschäftigung verloren. Gleichzeitig ist der Beschäftigtenanteil der Geringqualifizierten gesunken. Lediglich bei Gästebetreuern und bei Dienst- und Wachberufen zeigt sich ein weiterhin zweistelliger Anteil der Geringqualifizierten bei steigender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und hohem beziehungsweise steigendem Männeranteil. Auf der Ebene der Berufsgruppen scheinen sich hier noch in den vergangenen Jahren die besten Beschäftigungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Männer aufzuzeigen. Solange die Arbeitsmarktinstitutionen jedoch weiterhin verkrustet sind, scheinen die Beschäftigungsperspektiven für Geringqualifizierte auch in den kommenden Jahren eher ungünstig zu sein. Für Geringqualifizierte sind folglich selbst in den relativ günstigen Berufsbereichen und Berufsgruppen wenig Beschäftigungsmöglichkeiten erkennbar. Für diesen Bereich wird es folglich vor allem darauf ankommen, die Qualifikationen zu erhöhen bzw. für die verbleibenden Geringqualifizierten die Beschäftigungsperspektiven durch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu verbessern. “ Im weiteren Verlauf der Studie wird die Betrachtungsebene geändert und analysiert, welche Beschäftigungsperspektiven für Personen bestehen, die maximal eine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Dabei werden aus Sicht der Beschäftigungstrends für junge Männer verstärkt frauentypische Berufe untersucht. Auf der Ebene der Berufsordnungen wurden dabei die Berufsordnungen mit einem Frauenanteil von über 50 Prozent an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgewählt. Den Volltext der Studie entnehmen Sie bitte dem Anhang.
http://www.iwkoeln.de
http://www.neue-wege-fuer-jungs.de
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Dokumente: Trendstudie_aktuell.pdf