POSITIONSPAPIER DES KOOPERATIONSVERBUNDES JUGENDSOZIALARBEIT Im Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit haben sich sieben bundesweite Organisationen zusammengeschlossen: die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS), die Bundesarbeitsgemeinschaft der örtlich regionalen Träger der Jugendsozialarbeit (BAG ÖRT), der Paritätische Wohlfahrtsverband (der PARITÄTISCHE), das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und der Internationale Bund (IB). Als gemeinsame Koordinations- und Kommunikationsplattform dient der Kooperationsverbund der fachlichen Positionierung und Umsetzung jugendpolitischer Vorhaben. Sein Ziel ist es, die gesellschaftliche und politische Teilhabe von benachteiligten Jugendlichen zu verbessern. Auszüge aus dem Positionspapier: “ Die konjunkturelle Belebung hat auch die Chancen von Jugendlichen auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt verbessert. … Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres zeichnet sich … dennoch deutlich ab, dass sehr viele Jugendliche bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer ausgehen. Besonders schwierig ist weiterhin die Situation für Jugendliche, die vor allem aus Sicht der Betriebe keine optimalen Voraussetzungen für eine berufliche Ausbildung mitbringen. Schon Jugendlichen mit Hauptschulabschluss gelingt es nur noch selten, die gewünschte Lehrstelle zu finden noch schwieriger ist die Lage von Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf. Aber auch junge Männer und in besonderem Maße junge Frauen mit Migrationshintergrund haben teilweise – trotz guter Noten – nur schlechte Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Sie sind im Schul- und Ausbildungssystem benachteiligt. … Die Bundesregierung hat sich zuletzt auf ihrer Klausur in Meseberg wieder klar geäußert: Allen Jugendlichen soll eine Ausbildung ermöglicht werden. Der Kooperationsverbund unterstützt diese Haltung nachdrücklich und stellt mit diesem Positionspapier dar, wie die Förderung gestaltet werden muss, wenn benachteiligte Jugendliche erreicht werden sollen. „AUSBILDUNG FÜR ALLE“ heißt: Ausbildung auch für benachteiligte Jugendliche „Ausbildung für Alle“ ist ein notwendiges und anspruchsvolles Ziel, von dem wir zurzeit noch weit entfernt sind. Wenn dieses Ziel auf Jugendliche beschränkt wird, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, werden benachteiligte Jugendliche ausgeschlossen. Dabei haben fast alle Jugendlichen – auch die scheinbar chancenlosen – den Wunsch und die Hoffnung, eine Ausbildung zu absolvieren und sich beruflich zu integrieren. Es geht also darum, die Jugendlichen, die noch nicht ausbildungsfähig sind, so zu unterstützen und zu begleiten, dass sie möglichst bald eine Ausbildung antreten und bewältigen können. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit eine Reihe von Maßnahmen zur Strukturverbesserung als notwendig an, die die Bundesregierung auch im Rahmen ihres angekündigten Konzepts „Jugend – Beruf und Ausbildung“ berücksichtigten sollte: * ZUSÄTZLICHE BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSPLÄTZE FÜR BENACHTEILIGTE JUGENDLICHE Mit hoher Priorität sind zusätzliche Ausbildungsplätze auch für benachteiligte Jugendliche zu schaffen. Die Initiative des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit, die Unternehmen hierbei durch gezielte Eingliederungszuschüsse zu unterstützen, wird … begrüßt. Die Eingliederungszuschüsse sind durch Angebote einer sozialpädagogischen Begleitung in den Betrieben und eine Unterstützung der Betriebe beim Ausbildungsmanagement zu flankieren. Wir empfehlen auch den Ausbau und die Weiterentwicklung von ausbildungsbegleitenden Hilfen, … * AUSBAU DER AUSSERBETRIEBLICHEN AUSBILDUNG … Um das Ziel der Berufsintegration der benachteiligten Jugendlichen zu erreichen, muss die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze speziell für diese Jugendlichen erhöht werden. Anders als in den neuen Ländern hat nur rund 1% der Bewerberinnen und Bewerber in den westlichen Bundesländern Zugang zu außerbetrieblichen Ausbildungsangeboten. * VORRANG BERUFSVORBEREITENDER UND AUSBILDUNGSFÖRDERNDER ANGEBOTE VOR ARBEITSGELEGENHEITEN Eine große Gruppe von Jugendlichen, die bislang ohne Schulabschluss bzw. Ausbildung geblieben ist, wird inzwischen von den ARGEn und Optionskommunen im Rechtskreis SGB II betreut. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit begrüßt die aktuellen Entwicklungen in der Förderpraxis von ARGEn und Optionskommunen, verstärkt ausbildungsfördernde Instrumente, wie etwa berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder Ausbildungsplätze, einzurichten. … Es muss in Zukunft hierbei noch stärker berücksichtigt werden, dass Arbeitsgelegenheiten für Jugendliche nachrangig zu berufsvorbereitenden und ausbildungsfördernden Angeboten eingesetzt werden. Bei der Umsetzung des neuen Beschäftigungszuschusses muss vermieden werden, dass junge Erwachsene vorschnell in ein öffentlich gefördertes Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden. Für diese jungen Menschen müssen zunächst alle Möglichkeiten zur Aufnahme einer Ausbildung ausgeschöpft werden. * ABSICHERUNG UND WEITERENTWICKLUNG DER FÖRDERINSTRUMENTE IN DER BENACHTEILIGTENFÖRDERUNG Es existiert eine Fülle von Maßnahmen und Instrumenten, die benachteiligten Jugendlichen Chancen eröffnen, Verpasstes nachzuholen und neue Kompetenzen zu erwerben, um eine Ausbildung erfolgreich absolvieren zu können. Durch neue pädagogische Wege und praktische Angebote gelingt es zudem, Jugendliche zu motivieren, die bislang wenig Bildungserfolge nachweisen konnten. Es kommt aber darauf an, die bisher existierenden Instrumente der Benachteiligtenförderung klarer zu strukturieren und förderpolitisch abzusichern. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit spricht sich dafür aus, die Zugänge für benachteiligte Jugendliche in eine außerbetriebliche Ausbildung im Anschluss an eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zu erleichtern. Ausbildungsbegleitende Hilfen sind so auszubauen, dass sie die Ausbildungsplatzvermittlung erleichtern und den Ausbildungsverlauf absichern. Die Förderung von Jugendwohnheimen muss gewährleistet sein, um auch benachteiligten Jugendlichen Mobilität zu ermöglichen. Insbesondere bei neu verankerten Instrumenten wie der Einstiegsqualifizierung (EQJ) ist sicherzustellen, dass sie nicht zu Lasten anderer Fördermaßnahmen von benachteiligten Jugendlichen eingesetzt werden. Garantiert werden muss ebenso, dass die Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen tatsächlich erreicht und die vorgesehene sozialpädagogische Begleitung der EQJ für benachteiligte Jugendliche genutzt wird. * KOORDINIERTE GESAMTSTRATEGIE BEIM ÜBERGANG AN DER ERSTEN UND ZWEITEN SCHWELLE Zurzeit sind wir von einem kohärenten System des Übergangs für Schulabgängerinnen und Schulabgänger weit entfernt. … Die einzelnen Elemente des bisherigen Systems der Benachteiligtenförderung sind daher aus Sicht des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit kritisch zu überprüfen, zu verbessern und stärker aufeinander zu beziehen. Insbesondere bedarf es zweier Elemente, die auf der lokalen und regionalen Ebene verankert sein müssen: Eines Übergangsmanagements, in dem Angebote und Instrumente lokal gesteuert und koordiniert werden sowie einer verbesserten Übergangsbegleitung, in der Jugendliche individuell und prozesshaft unterstützt werden. * ÜBERGANGSMANAGMEENT: KLARE STRUKTUREN SCHAFFEN UND STEUEREN Alle Angebote der beruflichen Förderung müssen kommunal und regional koordiniert werden, damit sie den Jugendlichen im Bedarfsfall überhaupt zur Verfügung stehen. Hier kommt der Kommune und ihrem Jugendamt, aber auch der freien Jugendhilfe in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, den Jobcentern, Schulen und Kammern eine besondere Bedeutung zu. Jeweils vor Ort ist zu entscheiden, welche steuernde Instanz diese Koordinierung leisten kann, die dann mit den entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden muss. Sie übernimmt dafür die Verantwortung, dass alle relevanten Institutionen in die Benachteiligtenförderung einbezogen werden und ein zielgerichteter Prozess organisiert wird, indem die beteiligten Institutionen und Akteure im Übergang Schule – Beruf ihre Maßnahmen und Instrumente zielgerichtet aufeinander abstimmen. Die Steuerungsinstanz stellt hierfür auch die erforderlichen Planungsdaten bereit. Der Kooperationsverbund unterstützt ausdrücklich die aktuelle Empfehlung des „Innovationskreis berufliche Bildung“, wonach ein besseres Übergangsmanagement zwischen Schule und Ausbildung durch entsprechend koordinierte Gesamtstrategien in den Regionen vom Bund gefördert werden soll. Der Kooperationsverbund fordert die Bundesregierung und hier das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung auf, im Rahmen seiner geplanten Modellförderung sicherzustellen, dass die Steuerungsverantwortung klar geregelt wird, damit die Kommunen ihren umfassenden Aufgaben im Rahmen des Übergangs in den Beruf nachkommen können. Dies schließt die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen ein. Ein koordiniertes Vorgehen der lokalen Akteure im Übergangsmanagement wird entscheidend dazu beitragen können, benachteiligten Jugendlichen den Berufseinstieg zu erleichtern und die Benachteiligtenförderung zu verbessern. Die lokale Koordinierung hat jedoch Grenzen, weil die örtlichen Akteure unklare bzw. konkurrierende Zuständigkeiten letztlich nur abmildern aber nicht ausräumen können. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit regt daher an, dass die Bundesregierung auch die Möglichkeiten für eine Bündelung der rechtlichen Grundlagen und Zuständigkeiten in der Förderung von benachteiligten Jugendlichen prüft. * ÜBERGANGSBEGLEITUNG: JUGENDLICHE BENÖTIGEN KOHÄRENTE PROZESSE UND INDIVIDUELLE BEGLEITUNG Beim Übergang von der Schule zur Ausbildung sind für junge Menschen klare Strukturen notwendig. Vor allem benachteiligte Jugendliche scheitern oftmals bereits an dieser ersten Schwelle. Angesichts einer unübersehbaren Fülle von Maßnahmen und Programmen geht es für sie darum, geeignete Wege und Lernorte zu finden, um Schulabschlüsse nachzuholen und notwendige Kompetenzen zu erwerben. Neben der Strukturierung muss eine individuelle Begleitung sichergestellt sein. Es liegen bereits Erfahrungen im Rahmen von Kompetenzagenturen oder Jugendberatungshäusern und ähnlichen Projekten vor, die verdeutlichen, wie wichtig für die Jugendlichen eine Instanz ist, die sie übergreifend und trägerunabhängig beraten kann. Auch aktuelle Vorschläge wie ehrenamtliche Paten- und Mentorenmodelle sind an dieser Stelle überlegenswert, dürfen aber nicht verdecken, dass für solche ehrenamtlichen Angebote eine professionelle Unterstützung und Vorbereitung nötig ist. Wichtig ist, dass diese begleitenden Ansätze frühzeitig an die Jugendlichen herangetragen werden. Sie müssen Elemente der Kompetenzfeststellung, der Bildungsplanung sowie individueller Unterstützung beinhalten und partizipativ angelegt sein. Die Jugendlichen sollen im Sinne eines Casemanagements Informationen und Hilfen aus einer Hand bekommen. Die Begleitung darf nicht der Förderlogik einzelner Instrumente oder Institutionen folgen, sondern muss die Interessen und Berufswünsche der jungen Menschen zum Ausgangspunkt der individuellen Unterstützung machen. … Um dabei auch der großen Zielgruppe von jungen Menschen mit Migrationshintergrund gerecht zu werden, wird neben einer engen Kooperation mit den Jugendmigrationsdiensten auch empfohlen, die interkulturelle Kompetenz der am Übergangssystem beteiligten Fachkräfte durch gemeinsame Fortbildungen zu stärken. Das Thema Migration ist im Übergangsmanagement zu verankern und bei der Instrumentensteuerung zu berücksichtigen. * TRANSPARENZ ÜBER DIE LEISTUNGSFÄHIGKEIT DER FÖRDERMAßNAHMEN BEIM ÜBERGANG SCHULE – BERUF HERSTELLEN Der allgemein bildenden Schule kommt bei der Vorbereitung des Übergangs eine wesentliche Bedeutung zu. Gebraucht werden aktive Schulen, die Kindern und Jugendlichen neben grundsätzlichen Kompetenzen auch Spaß am (lebenslangen) Lernen und erste Erfahrungen von Selbstständigkeit vermitteln. Schülerinnen und Schüler sollen gezielt bei der Berufsorientierung und -findung unterstützt werden. … Bestandteil des Übergangssystems sind außerdem zahlreiche weitere schulische und berufsschulische Angebote. Hier geht es für eine wachsende Zahl von Jugendlichen sowohl darum, weiterführende Schulabschlüsse nachzuholen bzw. zu verbessern als auch ihre Chancen im Rahmen von Berufsfachschulen und Berufsschulen durch Berufsvorbereitungs- oder Berufsgrundbildungsjahre zu erhöhen. Aus Sicht des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit ist bislang zu wenig darüber bekannt, wie erfolgreich diese Angebote sind. Festzustellen ist, dass der Übergang in eine Ausbildung wohl wahrscheinlicher wird, wenn eine enge Kooperation der Schulen mit Ausbildungsbetrieben und anderen Ausbildungsstätten gesichert ist. Lehrerinnen und Lehrer müssen deshalb bereits in ihrer Ausbildung besser für die Begleitung von benachteiligten Jugendlichen sowie die Kooperation mit schulischen und außerschulischen Institutionen qualifiziert werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit regt einen Austausch der Bundesländer mit dem Bund zur Frage an, welche Strukturen und Ressourcen für ein gutes Übergangsmanagement in den Schulen zu schaffen sind. Er fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Bundesländern für mehr Transparenz im Bereich des schulischen Übergangssystems zu sorgen und klare Entwicklungsperspektiven zu schaffen. Grundlagen hierfür ergeben sich durch die konsequente Fortführung der bundesweiten Bildungsberichterstattung. … * ANERKENNUNG DER UNTERSCHIEDLICHEN LERNORTE – ENTWICKLUNG VON AUSBILDUNGSMODULEN … Außerbetriebliche und schulische Ausbildungsmöglichkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Letztere werden nun auch verstärkt für benachteiligte Jugendliche wichtig, da Ausbildungsmöglichkeiten im betrieblich-gewerblichen Sektor abnehmen. Jugendliche, die bislang in ihrer Schullaufbahn schlechte Erfahrungen gemacht haben, brauchen aber besondere Ansprache und Motivation, um eine solche Ausbildung zu bewältigen. …der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit sieht die Notwendigkeit, die Anerkennung der unterschiedlichen Lernorte … neben der dualen Berufsausbildung zu verbessern, damit jungen Menschen der Weg von der Ausbildung in den Beruf nicht unnötig erschwert wird. Hierfür können u. a. Ausbildungsmodule hilfreich sein. … Qualifizierende Maßnahmen müssen aufein-ander aufbauen und anschlussfähig sein – sie dürfen für die jungen Menschen nicht zur Sackgasse werden. “ Den Volltext des Positionspapiers entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit