Qualitätsstandards für eine individuelle Begleitung am Übergang

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf soziale und berufliche Integration mit Wahlmöglichkeiten. Die Individuelle Begleitung respektiert dies und arbeitet im Auftrag der jungen Menschen und auf freiwilliger Basis. Grundprinzip ist die Mitgestaltung des Prozesses, die Stärkung der Eigenverantwortung der jungen Menschen. Die Individuelle Begleitung ist in ihren Prozessen für alle Beteiligten transparent. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der örtlich regionalen Träger (BAG ÖRT) hat für die individuelle Begleitung am Übergang Schule – Beruf Qualitätsstandards aus Sicht der Jugendsozialarbeit formuliert.

Auszüge aus dem Positionspapier der BAG ÖRT:

Individuelle Begleitung als Teil des Übergangsmanagements

(…) Die Individuelle Begleitung oder auch das Individuelle Übergangsmanagement umfasst innerhalb des gesamten Übergangsmanagements die Erhebung des individuellen Förder- und Unterstützungsbedarfes, die Beratung und Begleitung mit dem Ziel der sozialen und beruflichen Integration. Sie bietet Klärungshilfe, Beratung sowie Zugang zu notwendigen Hilfen. Die individuelle Begleitung umfasst eine verantwortliche Beziehungs- und Koordinierungsarbeit. Die Übergangsbegleiter/innen sind „Mittler“ zwischen dem jungen Menschen und dem regionalen/lokalen Hilfesystem. Die Individuelle Begleitung arbeitet mit individueller, entwicklungsbegleitender Beratung.

Ziel der Individuellen Begleitung

Ziel der Individuellen Begleitung am Übergang Schule – Beruf ist die selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen, die individuell beeinträchtigt oder sozial benachteiligt nach § 13 SGB VIII sind. Dieses Ziel beinhaltet die Ermöglichung bzw. Teilhabe an Bildung, Ausbildung und Arbeit.

Zielgruppe

Die Zielgruppe der Individuellen Begleitung am Übergang Schule – Beruf sind sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Jugendliche mit besonderem pädagogischen Unterstützungsbedarf nach § 13 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII).
Folgende Problemlagen und Lebenssituationen können eine Individuelle Begleitung nötig machen:

  • Ein gefährdeter Schulabschluss, bzw. kein erreichter oder verwertbarer Schulabschluss,
  • Ausbildungs- und Maßnahmeabbruch, bzw. die Gefahr eines Abbruchs,
  • Langzeitarbeitslosigkeit,
  • Delinquenz und Hafterfahrung,
  • mangelnde soziale Kompetenzen,
  • Wohnungsnot,
  • Verschuldung bzw. Überschuldung,
  • Armut,
  • instabile und belastete familiäre Verhältnisse,
  • sehr frühe Mutter- oder Vaterschaft,
  • Benachteiligungen durch einen Migrationshintergrund, z.B. durch einen gefährdeten Aufenthaltsstatus oder geringe deutsche Sprachkenntnisse.

Individuelle Beeinträchtigungen können sein z.B.

  • Lern- und Leistungsbee
  • inträchtigungen,Entwicklun
  • gsstörungen,Verhaltensauffälligkeiten,
  • körperliche und/oder psychische Beeinträchtigungen,
  • Suchtverhalten

Zur Zielgruppe zählen junge Menschen, die aus dem Regelsystem Schule und Berufsausbildung bzw. berufliche Qualifikation heraus zu brechen drohen, dort nicht gefördert werden können oder bereits herausgefallen sind. Die Altersgruppe erstreckt sich von 13 bis 27 Jahre. Die Beschreibung der Zielgruppe ist nicht abschließend. …

Strukturqualität

Die Individuelle Begleitung am Übergang Schule – Beruf bedarf folgender qualitativer Strukturen, um der Zielgruppe und der Umsetzung des Ziels gerecht zu werden.

Strukturelle Rahmenbedingungen

  • Der durchführende Träger verfügt über die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII.
  • Das Angebot verfügt über eine strukturbildende und orientierungsgebende Konzeption, die regelmäßig überprüft und fortgeschrieben wird.
  • Der Träger ist in die kommunale Jugendhilfeplanung eingebunden.
  • Das Angebot verfügt über einen offenen Zugang.

Personal

  • Das Personal ist pädagogisch qualifiziert und entsprechend geeignet. In der Regel wird die Individuelle Begleitung von Sozialpädagog(en)/innen oder Sozialarbeiter/innen durchgeführt. (…)
  • Das Personal qualifiziert sich durch regelmäßige fachliche Fortbildungen und nimmt an Fallberatungen, Supervision bzw. professioneller Reflexion teil. (…)
  • Die Fachkräfte verfügen in der Regel über unbefristete Arbeitsverhältnisse. (…)

Einbindung in das regionale bzw. lokale Übergangsmanagement

  • Das Angebot verfügt über eine regionale Einbindung und Vernetzung mit Angeboten und Hilfen aus den Sozialgesetzbüchern II, III, XII (SGB II, III und XII) und ist mit anderen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe vernetzt.
  • Die regionale Einbindung und Vernetzung mit Schulen und in regionale Bildungslandschaften ist gegeben.
  • Die regionale Einbindung und Vernetzung mit wirtschaftlichen Betrieben und ihren Organisationen ist gegeben.
  • Es erfolgt die Orientierung an aktuellen regionalen Entwicklungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes.

Prozessqualität

  • (…) Niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten sind vorhanden. Den jungen Menschen wird ein schneller und unbürokratischer Kontakt ermöglicht.
  • Auftragsklärung: Bei der Kontaktaufnahme werden der Auftrag des jungen Menschen und die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit geklärt.
  • Zur Feststellung der Ausgangslage werden eine Anamnese sowie eine geeignete Kompetenzfeststellung durchgeführt. (…)
  • Eine Ziel- und Entwicklungsplanung wird festgelegt. (…)
  • Bei der Umsetzung des Ziel- und Entwicklungsplans steht die (Wieder-)Anbindung an das Hilfe- und Fördersystem im Fokus. Dabei wird mit allen am Prozess Beteiligten kooperiert und die notwendigen Informationen und Ressourcen für Entscheidungen werden zur Verfügung gestellt. (…)
  • Die Überprüfung der Zielerreichung beinhaltet auch die Überprüfung des Auftrags und ggf. eine Nachsteuerung.
  • Die Individuelle Begleitung hat einen definierten Abschluss, der sich aus dem Auftrag ergibt.
  • Die Nachbetreuung ist gewährleistet. Es besteht die Möglichkeit im Sinne der „Pädagogik des Wiedersehens“, niedrigschwellig und aufsuchend eine erneute Aufnahme des Prozesses zu ermöglichen. Ein besonderer Schwerpunkt bei den Prozessen der Individuellen Begleitung liegt in der Kooperation mit Netzwerkpartnern. Diese Kooperation ist gekennzeichnet durch:
    – Positionierung der eigenen Arbeit im (Hilfe-)Netzwerk: Es erfolgt eine intensive und aktive Zusammenarbeit mit allen Netzwerkpartnern zur Abstimmung, Koordination und Vernetzung der Angebote.
    – Es erfolgen fachübergreifende Teamarbeit, Mitarbeit in allen relevanten Gremien durch die Individuellen Begleiter/innen sowie die Bereitstellung von Informationen für Entscheidungsträger/innen.
    – Es gibt Regelungen und Vereinbarungen mit Anbietern ähnlicher Angebote individueller Begleitung, um Angebotsüberschneidungen zu verhindern.
    – Das Angebot ist für alle beteiligten Akteure transparent. …

Die Professionalität des Individuellen Begleiters bzw. der Begleiterin sowie die Transparenz in der Zusammenarbeit sind durch grundlegende Haltungen bestimmt und sind unbedingte Voraussetzung für eine gelingende Individuelle Begleitung.

Professionalität des Individuellen Begleiters/in

  • Achtung und Wertschätzung bilden die Basis der Zusammenarbeit. Es wird darauf vertraut, dass die begleiteten jungen Menschen zu Änderungen bereit und fähig sind. Die Arbeit erfolgt immer ressourcenorientiert.
  • Es wird Respekt vor der Eigenverantwortlichkeit der Ratsuchenden geübt.
  • Die Zusammenarbeit ist durch eine zugewandte offene Haltung und professionelle Authentizität geprägt. Dies beinhaltet die Unabhängigkeit von weltanschaulichen, politischen, und religiösen Wertvorstellungen, keine Diskriminierung aufgrund des Alters, des Geschlechts oder von Behinderungen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Betonung von Stärken und das Erkennen und Bearbeiten von Defiziten. (…)
  • Vertraulichkeit, Schweigepflicht und Datenschutz werden eingehalten.

Quelle: BAG ÖRT

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