Nach Meinung der Caritas dürfen in Zukunft Unterkunft und Heizung nicht mehr sanktioniert werden, da sonst Mietschulden auflaufen, die im schlimmsten Fall zu Wohnungslosigkeit führen. Bei einer kompletten Einstellung der Zahlungen wird zudem keine Krankenversicherung mehr gezahlt. Der DCV kritisiert, dass in den Jobcentern die Mitarbeiter aufgrund ihrer Überlastung häufig telefonisch nicht erreichbar sind. Viele Widersprüche und Klagen seien vermeidbar, wenn die Betroffenen über ihre Bescheide besser beraten und aufgeklärt würden. Sinnvoll wäre die Einrichtung von regionalen Ombudsstellen, in denen die Leistungsempfänger eine neutrale Beratung erhalten können.
Die Abschaffung der Sanktionen für die jungen Menschen fordert die AWO. Erwiesenermaßen wirkten sich besonders starke Sanktionen kontraproduktiv auf das eigentliche Ziel, die Erwerbsintegration junger Menschen, aus. Die Betroffenen liessen häufig den Kontakt zum Jobcenter völlig abbrechen und könnten schnell in Situationen wie Obdachlosigkeit geraten. Die Anträge der Opposition gingen über die Frage nach Sanktionen für U-25 hinaus und sprachen sich dafür aus, alle Sanktionen und Leistungseinschränkungen im SGB II und XII abzuschaffen. Gefordert wurde der Erlass eines Sanktionsmoratoriums. „Losgelöst von der Frage, ob ein Aussetzen aller Sanktionsvorschriften der richtige Weg zur Verbesserung der Lebenssituation der Leistungsberechtigten ist oder es eines Instrumentariums bedarf, damit zumindest der Kontakt zum Jobcenter nicht abgebrochen wird, bedarf es einer Reform und Flexibilisierung des Sanktionsrechts“, resümierte der AWO Bundesvorsitzende, Wolfgang Stadler.
Aus Sicht der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sind die „großen Erfolge“ bei der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt auch auf die Sanktionen zurückzuführen. Diese seien ein Kernelement des Prinzips von „Fördern und Fordern“, hieß es von der BDA ebenso wie vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Regelung, wonach Unter-25-Jährige härtere Sanktionen befürchten müssen als Über-25-Jährige, ist nach Meinung der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft angemessen. Auch die BDA vertrat die Ansicht, dass diese Sanktionen zu einer stärkeren Kooperation der Arbeitssuchenden mit den Jobcentern führen würden. Von einer Abschwächung solle daher abgesehen werden, sagte die BDA-Vertreterin.
Ob die Sanktionen tatsächlich die erwähnten positiven Effekte erzielen, ist hingegen nach Ansicht des Einzelsachverständigen Helmut Apel nicht wissenschaftlich nachweisbar. Festzustellen sei aber, so der Sozialwissenschaftler, dass die Sanktionen „gravierende Auswirkungen“ auf das Leben der Betroffenen hätten. Apel sprach sich für ein Moratorium bei den Sanktionen aus, „um darüber nachzudenken, was Angemessenheit im Falle der Sanktionen bedeutet“.
Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Älteren die strengeren Regelungen der Unter-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages. BDA und ZDH schlossen sich der Forderung an.
Unterschiedliche Regelungen für verschiedene Altersgruppen führten zu Intransparenz, sagte der Vertreter der Bundesagentur für Arbeit (BA). Zugleich machte er deutlich, dass die BA ein Sanktionssystem in der Grundsicherung für erforderlich hält. Die geringe Sanktionsquote von knapp drei Prozent zeige im Übrigen, dass mit dem Instrumentarium verantwortungsbewusst umgegangen werde.
Lässt sich diese Ansicht der Bundesagentur für Arbeit teilen? Nach den Auswertungen der Statistik durch das Bermer Institut für Arbeitsmarktforschunf und Jugendberufshilfe (BIAJ) wohl kaum. Das BIAJ kommt zu erschreckend höheren Zahlen.
Auszüge aus einem statitischen Blick des BIAJ auf das Thema Stanktionen:
„Von den 408 Jobcentern wurden 2014 insgesamt 1.001.103 Sanktionen neu festgestellt (das Existenzminimum gekürzt), darunter 738.982 (73,8 Prozent) wegen eines „Meldeversäumnisses beim Träger“ (der Jobcenters). (…) Die 1.001.103 neu festgestellten Sanktionen richteten sich gegen insgesamt 441.686 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Das heißt: Gegen jeden der 441.686 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit mindestens einer im Jahr 2014 neu festgestellten Sanktion wurden im Jahr 2014 durchschnittlich 2,27 Sanktionen neu festgestellt.
Gemessen an den durchschnittlich 4.387.178 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Bestand stellt sich die Zahl der 441.686 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit mindestens einer gegen sie neu festgestellten Sanktion rechnerisch wie folgt dar: 10,1 erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit mindestens einer in 2014 gegen sie neu festgestellten Sanktion pro 100 erwerbsfähige Leistungsberechtige im Bestand. Diese „Quote“ (10,1 pro 100 bzw. 10,1 Prozent) ist geringfügig verzerrt (überhöht), da die Gesamtzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die im Verlauf des Jahres eine bestimmte Zahl von Tagen, Wochen oder Monaten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Hartz IV) angewiesen waren, größer ist als der jahresdurchschnittliche Bestand erwerbsfähiger Leistungsberechtigter.
Aber trotzdem…
Würde die „Sanktionsquote“ analog zur „Integrationsquote“ (K2 im Kennzahlenvergleich nach § 48a SGB II) berechnet, ergäbe sich aus den 1.001.103 im Berichtsjahr 2014 neu festgestellten Sanktionen und den jahresdurchschnittlich 4.387.178 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine durchschnittliche „Sanktionsquote“ von 22,8 Prozent. Der Vergleich der Zahl der neu festgestellten Sanktionen mit den „Integrationen“ zeigt: Pro 100 „Integrationen“ wurden im Jahr 2014 durchschnittlich 92,9 Sanktionen neu festgestellt. (…)
Die Zahl von 92,6 neu festgestellten Sanktionen pro 100 „Integrationen“ im Bundesdurchschnitt reicht in den Ländern von 137,7 (.) in Berlin bis 74,4 in Bayern und Hessen. Im Jobcenter-Vergleich reicht die Zahl der rechnerisch neu festgestellten Sanktionen pro 100 „Integrationen“ von 241,0 (.) im Jobcenter Passau Stadt, 222,8 im Jobcenter Passau (Landkreis)und 217,7 im Jobcenter Celle bis 29,2 im Jobcenter Landshut und 25,6 in den Jobcentern Miesbach und Odenwaldkreis. In den 303 Jobcentern gE wurden rechnerisch durchschnittlich 99,5 Sanktionen pro 100 „Integrationen“ festgestellt, in den 91 Jobcentern zkT mit vollständigen Daten 69,4. (…)“
Und wie geht es jetzt weiter mit den Sanktionen?
Voraussichtlich wird der Ausschuss „Arbeit und Soziales“ in der 39. Kalenderwoche erneut zu diesem Thema tagen. Mit einer Beschlussempfehlung des Ausschuss behandelt der Bundestags die Frage Frage zum Umgang mit den Sanktionen abschließend. Voraussichtlich in der 40. Kalenderwoche.
Die Anträge der Grünen und der Linken in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang. Ebenso die Stellungnahme der Caritas.
Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages; Deutscher Caritasverband; BIAJ
Dokumente: Antrag_gruene_Existenzminimum_und_Teilhabe_sicherstellen___Sanktionsmoratorium_jetzt_1801963.pdf