In seiner 140. Ausgabe informiert der Newsletter DEMOS, über demografische Veränderungen und deren Auswirkungen auf Politik, Entwicklung, Wirtschaft und Gesellschaft. Diesmal mit besonderem Blick auf die Zu- und Abwanderungssituation:
„Im Jahr 2011 sind per Saldo lediglich 5.200 Menschen aus den fünf ostdeutschen Bundesländern weggezogen – so wenig wie seit 1997 nicht mehr. Rechnet man die Hauptstadt Berlin mit ein, hatte der Osten Deutschlands sogar erstmals seit dem Fall der Mauer 1989 einen Wanderungsgewinn. Die rückläufige Zahl der Abwanderer ist unter anderem Folge des ostdeutschen Geburteneinbruchs Mitte der 1990er Jahre und, damit verbunden, besserer Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Denn gegenwärtig erreichen extrem schwache Geburtsjahrgänge die hochmobile Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Mehr und mehr lösen wirtschaftlich wie kulturell attraktive ostdeutsche Großstädte den Westen als Wanderungsziel der jungen Generation ab. Der ländliche Raum zwischen Rügen und dem Erzgebirge hingegen bleibt demografisches Krisengebiet. …
Auf der einen Seite lässt ein demografisches Phänomen die Abwanderungsziffern sinken: Die Zahl der 18- bis 25-Jährigen, die bei weitem mobilste Altersgruppe, schrumpft erheblich. Gegenwärtig erreicht der Geburteneinbruch von 1994, als die durchschnittliche Kinderzahl je Frau in Osten Deutschlands nur noch 0,77 betrug und somit eine halbierte Generation zur Welt kam, das Ausbildungsalter. Zwischen 2005 und 2010 hat sich die Zahl der 18- bis 25-Jährigen Ostdeutschen um mehr als 20 Prozent reduziert – es gibt also immer weniger junge Menschen, die abwandern können. …
Vor allem bei den 18- bis 29-Jährigen, den sogenannten Ausbildungswanderern, hat die Zahl der Abwanderer gegenüber 2005 deutlich abgenommen. Auch bei den unter 18-Jährigen und den 25- bis unter 50-Jährigen gab es weniger Wanderungsverluste.
Auf der anderen Seite hat sich in den neuen Bundesländern die Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessert. Laut Berufsbildungsbericht war im Jahr 2011 die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in Ostdeutschland (einschließlich Berlin) erstmals seit fast 20 Jahren wieder höher als die Zahl der Bewerber. Die Relation angebotener Lehrstellen zu Bewerbern betrug im Jahr 2011 102,4 zu 100. Einen Wert über 100 gab es das letzte Mal 1992, in den dazwischenliegenden Jahren waren teilweise bis zu elf Prozent weniger Lehrstellen als Bewerber vorhanden. Mehr und mehr sind Jugendliche bei den Unternehmen begehrt.
Attraktiv für Zuwanderer sind im Osten jedoch fast ausschließlich Großstädte. Im Jahr 2010 verzeichneten neben Leipzig, Dresden, Potsdam, Magdeburg, Rostock, Halle, Erfurt, Jena, Schwerin, Greifswald und Eisenach lediglich noch einige Umlandkreise von Berlin einen positiven Wanderungssaldo. Der ländliche Raum hingegen verzeichnet weiterhin enorme Wanderungsverluste. …
Auch wenn ein Abflauen der Abwanderung aus Ostdeutschland wahrscheinlich ist: der demografische Wandel kann dadurch nicht gestoppt werden. Durch die jahrelangen Wegzüge potenzieller Eltern und die geringe Zahl an Geborenen sterben seit 1999 in den neuen Bundesländern jedes Jahr rund 50.000 Menschen mehr, als geboren werden. Somit wird sich der Bevölkerungsrückgang fortsetzen, auch wenn künftig niemand mehr abwandert. Während sich die meisten ostdeutschen Großstädte als attraktiv für die junge und mobile Generation erweisen und langfristig auf Stabilität hoffen können, werden die Einwohnerzahlen in den ländlichen Kreisen weiterhin deutlich schrumpfen.
Die 20 Jahre lang zu beobachtende demografische Auseinanderentwicklung von Ost und West verliert zunehmend an Bedeutung – und eine neue Spaltung entsteht zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Westdeutsche Landkreise auf der Schwäbischen Alb, im Sauerland oder dem Hunsrück bekommen mehr und mehr ähnliche demografische Probleme, wie sie die Lausitz und das Erzgebirge schon seit Jahren haben.“
Quelle: Newsletter DEMOS Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung