Die Süddeutsche Zeitung (SZ) veröffentlichte am 3. Juli einen Artikel wonach der Mindestlohn dem ganzen Land helfe. Die SZ beruft sich dabei auf Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Demnach sei der Mindestlohn gut für Jobs und Konjunktur, weil er den Konsum ankurble. Durch den Anstieg des Konsums profitiere die ganze Volkswirtschaft vom Mindestlohn. Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Universität Potsdam sieht das anders. Hier haben Forscher/-innen Daten der Längsschnittstudie sozio-ökonomisches Panel (SEOP) ausgewertet. Damit ist unmissverständlich klar, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 hat zu einer Steigerung insbesondere niedriger Stundenlöhne geführt. Im Schnitt haben aber Niedriglohnbeschäftigte am Ende des Monats nicht spürbar mehr in der Tasche, weil die Arbeitszeit in den meisten Fällen zurück gegangen ist.
Lohnwachstum im untersten Dezil
Bei den zehn Prozent der Beschäftigten mit den niedrigsten Löhnen (unterstes Dezil der Lohnverteilung) sind die Stundenlöhne zwischen 2014 und 2015 um sieben Prozent und zwischen 2015 und 2016 nochmal um rund sechs Prozent gestiegen. Vor Einführung des Mindestlohns, betrug das Lohnwachstum im Durchschnitt nur 0,3 Prozent pro Jahr. In diesem untersten Dezil haben vor 2015 alle weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde verdient. Am oberen Ende der Verteilung ist das Bild ein anderes: Sind bei den zehn Prozent mit den höchsten Löhnen diese zwischen 2012 und 2014 im Durchschnitt um zwei Prozent gestiegen, war der Anstieg zwischen 2015 und 2016 unter einem Prozent.
Monatsverdienste steigen nicht proportional zu Stundenlöhnen
Der Osten Deutschlands und einige Landstriche im Westen gehören zu den Regionen, wo der Mindestlohn aufgrund des hohen Anteils an Niedriglohnbeschäftigten vor 2015 eine besonders starke Wirkung haben sollte. Gerade in diesen Regionen ging aber die Einführung des Mindestlohns auch mit einem besonders starken Rückgang der Arbeitszeit der Beschäftigten mit niedrigen Löhnen einher. Bei den 20 Prozent Beschäftigten mit den niedrigsten Löhnen in den jeweiligen Regionen ist die vertragliche Arbeitszeit zwischen 2014 und 2015 um beinahe eine Stunde pro Woche gesunken. Das hat zur Folge, dass der Bruttomonatsverdienst für diese Gruppe nur um etwa zwei Prozent zunahm – von 1.166 Euro in 2014 auf 1.193 Euro in 2015 -, während die Stundenlöhne im selben Zeitraum um beinahe sechs Prozent zulegten.
Mindestlohn – ein Beitrag zur sozialen Sicherung?
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn wurde eingeführt, um „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland vor unangemessen niedrigen Löhnen“ zu schützen und damit „einen Beitrag für einen fairen und funktionierenden Wettbewerb“ zu leisten und gleichzeitig „für mehr Stabilität in den sozialen Sicherungssystemen“ zu sorgen. Weitergehende Analysen im Auftrag der Mindestlohnkommission haben gezeigt, dass die Arbeitszeit gerade für die Minijobber stärker zurückgegangen ist. Demnach geht die vertragliche Arbeitszeit für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte um rund fünf Prozent, für Minijobber aber um rund elf Prozent zurück. Somit hat sich die Einführung des Mindestlohns nicht signifikant auf die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste ausgewirkt.
Die Autor/-innen der DIW Studie Marco Caliendo, Alexandra Fedorets und Carsten Schröder sehen den Mindestlohn als Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme kritisch. Sie stellen die Frage, ob nicht – ähnlich wie zum Beispiel in Österreich – ein Mindestlohn pro Monat ein geeigneteres Instrument wäre.
Die Forschungsergebnisse zum Mindestlohn hat das DIW Berlin seinem Wochenbericht „Stundenlöhne steigen, aber Monatsentgelte stagnieren“ veröffentlicht.
Quelle: Süddeutsche Zeitung; DIW Berlin