Auszüge aus „Die Folgen neuer Steuerung: Von der politischen Daueraufgabe zur Projektförmigkeit?“ Einer kritischen Auseinandersetzung mit Sonderprogrammen und Projekten als Finanzierungsquellen der Benachteiligtenförderung von Dietmar Heisler (Universität Gießen) in bwp@ Ausgaben 25:
„Ökonomisierung der Benachteiligtenförderung und ihre Folgen…
Auch in der BNF wurde versucht, die Kosten der Maßnahmen bzw. die Ausgaben für diesen Bereich der Arbeitsmarktförderung deutlich zu reduzieren und ihre Effizienz, d. h. ihren Erfolg zu erhöhen. Seit 2005 erfolgte deshalb die Vergabe der Maßnahmen durch ein wirtschaftliches Ausschreibungsverfahren, was an die Stelle der bis dahin praktizierten freihändigen Vergabe rückte. … Die Grundlage für die Vergabe bilden standardisierte Vergabekriterien, die im Rahmen des Verfahrens bewertet werden. … Ein solches Vergabekriterium ist auch der Preis einer Maßnahme bzw. der Kostensatz pro Teilnehmer. Von Seiten der Bildungsträger und ihrer Verbände wird immer wieder kritisiert, dass der Preis, dass alles entscheidende Auswahlkriterium für die Vergabe der Maßnahmen sei … Sie bezweifeln, dass es ethisch vertretbar ist, auch personenbezogene, soziale Hilfsangebote und Bildungsmaßnahmen für Benachteiligte wie andere Dienstleistungen auszuschreiben und nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit zu vergeben. …
Das zentrale Ziel der Ökonomisierung der BNF war die Verringerung der durchschnittlichen Maßnahmekosten. Eine Entwicklung, die als besonders kritisch gesehen wird. Der SPIEGEL (26/2013) fasste das erst vor kurzem zusammen: Was „im Prinzip richtig war“, die Reform der Arbeitsagentur zu einem modernen Dienstleister, der seine begrenzt vorhandenen Ressourcen sinnvoll in seine Kunden investiert, „ist in der Praxis zur Perversion geraten“. Er beruft sich dabei auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Es ständen nicht mehr der einzelne Fall und das dahinter stehende Schicksal im Vordergrund, sondern allein die Zahlen. Es geht darum, mit möglichst geringem Mittelaufwand, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen. Die Folge sind „Creaming-Effekte“, von denen die guten, schnell zu vermittelnden Kunden profitieren. … Darüber hinaus hat das zu einer Verschlechterung der Beschäftigungssituation des Maßnahmepersonals geführt. Zwar würde für die Durchführung der Maßnahmen hochqualifiziertes Personal gefordert, dieses … aber zu Löhnen beschäftigt, die „knapp über ALG II Niveau liegen“. Das Personal wandert, je nach Zuschlagserteilung in einer Region, von einem Träger zum anderen …
Die (zunehmende) Bedeutung von Sonderprogrammen und Projekten
Durch die beschriebenen Prozesse, die als Ökonomisierung zusammengefasst wurden, gerieten die Träger der BNF unter enormen wirtschaftlichen Druck. Viele Einrichtungen konnten dem nicht standhalten und mussten schließen. Andere suchten nach Wegen, dass zu kompensieren. Damit wurden Förderprogramme und die Durchführung von Projekten zu neuen Geschäftsfeldern der Bildungsträger. Sie sollen das wirtschaftliche Überleben der Träger sichern, was unter den Bedingungen der aktuellen Ausschreibungspraxis kaum mehr möglich ist. Sie ermöglicht gerade noch, dass die Einrichtungen kostendeckend arbeiten können. Für die Weiterentwicklung der Förderangebote, für die Professionalisierung des Maßnahmepersonals, für Neuinvestitionen, für die Anschaffung von Maschinen usw. stehen kaum mehr Mittel zur Verfügung. Dabei war die BNF in der Vergangenheit immer auch Impulsgeber für Reformen und Modernisierungsprozesse in der beruflichen Bildung. Es ist fraglich, ob sie das unter den beschriebenen neuen Bedingungen auch in Zukunft noch leisten kann. …
Von der politischen Daueraufgabe zum Projekt?
Im Zuge der Neuausrichtung der Arbeitsmarktförderung wurde die BNF … an den Grundsätzen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Von Seiten der öffentlichen Auftraggeber wurden zunehmend weniger finanzielle Ressourcen für die Durchführung der Maßnahmen bereitgestellt. Dadurch stieg der wirtschaftliche Druck auf die Träger der BNF. Selbst für notwendige Investitionen oder für die Weiterbildung des Maßnahmepersonals stehen kaum noch Mittel zur Verfügung. Demgegenüber werden immer mehr Sonder- und Notprogramm ins Leben gerufen, deren geförderte Projekte für die Träger der BNF zunehmend zu einer zusätzlichen Finanzierungsquelle und zu einem notwendigen Geschäftsbereich werden. So hat in den letzten Jahren eine projektfinanzierte Umstrukturierung der Förderlandschaft stattgefunden. …
In der jüngeren Vergangenheit wurden Träger der BNF offenbar für die Beschönigung von Arbeits- oder Ausbildungsmarktstatistiken instrumentalisiert, indem die „Problemgruppen“ des Arbeitsmarktes in diese Projekte verschoben wurden. So sind z. B. im sog. Übergangssystem Parallelstrukturen entstanden, in denen Jugendliche „geparkt“ und die deshalb als „Warteschleifen“ kritisiert werden. Sie sollen nun mit großem Aufwand neu strukturiert, oder ganz abgeschafft werden. Der Fokus liegt nun vielmehr auf berufsorientierenden Angeboten im allgemeinbildenden Schulsystem. …
Es ist riskant, wenn eigentlich politische Daueraufgaben zunehmend durch Projekte erfüllt werden. Sie sind immer abhängig von der Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel … Die Durchführung von Projekten ist keine gesetzliche, öffentliche Aufgabe. Die Gelder dafür können, müssen aber nicht durch die öffentlichen Haushalte bereitgestellt werden.“
Den vollständigen Aufsatz lesen Sie in der Ausgabe Nr. 25 der bwp@ über aufgeführten Link.
www.bwpat.de/ausgabe25/heisler_bwpat25.pdf
www.bwpat.de
Quelle: Berufs- und Wirtschaftspädagogik online bwp@ Ausgabe Nr. 25 : Ordnung und Steuerung der beruflichen Bildung